Nicht nur pures Shopping-GlückSo prägt die Rathaus-Galerie seit 10 Jahren Leverkusen

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Die Rathaus-Galerie mitten in der Wiesdorfer City. Wie hat sie das Stadtbild verändert?

  • Die Galerie feiert dieses Jahr Jubiläum: Ist das ein Grund zur Freude?
  • Unser Autor Ralf Krieger blickt auf die Anfangszeit zurück – und auf die Entwicklung, die Wiesdorf seitdem durchmacht.

Leverkusen – Die Überschrift, die die Rathaus-Galerie zu ihrem Jubiläum gefunden hat, lautet: „10 Jahre Shopping-Glück“. Das Management will mehrere Monate lang bis in den Herbst hinein den Geburtstag der Rathaus-Galerie feiern. Der Auftakt soll am kommenden Rosenmontag um 17 Uhr mit einem Luftballonregen mit Gewinnspiel sein, denn am 24. Februar 2010 öffnete die „Mall“ zum ersten Mal. 30 000 Menschen betreten nach Angaben des Center-Managements täglich das Einkaufszentrum, viele lockt also die konzentrierte Einkaufsmöglichkeit, das „Shopping-Glück“. Andere sind dagegen erst wieder glücklich, wenn sie an einem der fünf Ausgänge ans Tageslicht hinausgehen können.

Die Geschichte der Galerie begann 2006. Nur vier Jahre vor der Eröffnung hatte die Leverkusener Politik fast einstimmig entschieden, die zentralen Grundstücke in der Innenstadt an die Otto GmbH & Co KG zu verkaufen.

Das stadteigene, grüne Rathaus hatte die Feuerwehr 2003 aus Brandschutzgründen geschlossen, nachdem ein Bürgerentscheid eine Komplett-Sanierung verhindert hatte.

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Das grüne Rathaus einfach zu reparieren, dagegen sperrte sich die Politik. Das benachbarte Stadthaus wiederum war zwar im reinsten 50er-Jahre-Stil erbaut, aber es galt als altmodisch. Die Stadt befand sich Anfang des neuen Jahrtausends im Nothaushalt, da kam die Offerte des reichen Konzerns aus Hamburg nicht ungelegen. Das bisherige Verwaltungs- und Rathauszentrum wollte Otto mit dem Einkaufszentrum in futuristischer Architektur bebauen, das vor der Findung des Namens „Rathaus-Galerie“ kurz „das E-C-E“ (der Investor hieß Einkaufs-Center-Entwicklungsgesellschaft) genannt wurde.

Die Hamburger Kaufleute hatten in der Zeit vor dem Beschluss einiges versprochen und mit Gutachten unterfüttert: Viele Kunden würden aus den Nachbargemeinden nach Leverkusen strömen, von dem Geld könnten auch die bestehenden Geschäfte profitieren, wenn sie sich neu aufstellten, wie es hieß. ECE versprach, örtliche Händler bei der Vermietung der Geschäfte in der „Mall“ besonders berücksichtigen zu wollen.

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Gleiche Stelle, mehr als zehn Jahre zuvor: Das grüne Rathaus prägte das Stadtbild.

ECE biete sich der Wiesdorfer Händlerschaft als Partner an, sagte einer ihrer Vertreter bei einer Versammlung im Juni 2006. Das Center werde einen eine Million Euro großen Werbeetat ausgeben, kündigte man an. Dem kritischen Seniorenring, den es damals noch gab, versprach die Verwaltung kostenlose Toiletten und 950 Arbeitsplätze. Das klang gut. Dennoch hatte es die Rathaus-Galerie damals und bis heute schwer, von einem Teil der Leverkusener gemocht zu werden, auch wenn sie das Center vielleicht nutzen. Am Anfang gab es erhebliche Widerstände aus der Bevölkerung und der Händlerschaft in der gesamten Stadt gegen das gemeinsame Projekt des Hamburger Otto-Konzerns mit der Verwaltung.

Kritiker brachten Bedenken hervor

Die untere Hauptstraße und die City C würden ausbluten, hieß es, die Fachgeschäfte jenseits des Kaufhof werde kaum noch jemand aufsuchen, waren Bedenken, die Kritiker wieder und wieder vorbrachten. Immerhin räumte ein ECE-Mitarbeiter während einer turbulenten Bürgerversammlung ein: „Natürlich wird es auch Verlierer geben.“ Die auf der Versammlung geäußerte Befürchtung, der lokale Wiesdorfer Buchhändler Middelhauve werde nicht überleben, bewahrheitete sich schnell. Die Architektur der „Mall“ sei introvertiert, bemängelten Gegner, die Geschäfte öffnen alle nur nach innen. Radfahrer beklagten den Verlust der bis dahin offenen Nord-Süd-Wegeverbindung zwischen Friedrich-Ebert- und Wöhlerstraße. Doch die Hamburger sperrten sich, sie wollten einen geschlossenen Baukörper.

Als großes Armutszeugnis und gar nicht akzeptabel empfanden viele, dass die Stadt ihr eigenes Rathaus aufgeben wollte. Stattdessen zogen Oberbürgermeister, Rat und Bürgerbüro später in die Rotunde auf dem Center für die Anfangsmiete von 700 000 Euro jährlich. Der Mietvertrag endet 2025. In der Bevölkerung hatte sich für den Rotationskörper ganz bald der Name „Ufo“ durchgesetzt. Was auffiel: „Das Volk“ äußerte überwiegend verärgert Widerspruch zu den Plänen, gleichzeitig gab es die fast einstimmige Fürsprache der Ratspolitiker, einige waren sehr engagiert. Die Verantwortlichen wussten um dieses Meinungsgefälle. Wer hat nun recht behalten?

Todesstoß für City C

Es ist schwer vorstellbar, wie die City heute ohne die Galerie dastehen würde. Wären die Straßen ohne die Galerie heute öde, wie die Befürworter vorhersagten, oder hätte sich die Stadt von alleine ihre Einkaufswelt erhalten? In die vergangenen zehn Jahre fällt der Boom im Online-Handel, der Händlern zu schaffen macht. Feststellen lässt sich: Die City C bekam mit dem Umzug von C&A in die Galerie tatsächlich den befürchteten Todesstoß verpasst. Die Hauptstraße musste Verluste hinnehmen, da teilen sich meist Gastronomie und Wettbüros die Straße. Fragt man in den letzten verbliebenen Fachgeschäften dort nach den Auswirkungen, kommen Antworten wie „katastrophal“ und „tot“. Dass auch die Luminaden schwer leiden würden, hat damals kaum jemand vorhergesehen. Dort hatte die Inhaberin eines Fachgeschäfts vor zehn Jahren noch mit einem Aufschwung durchs nahe ECE gerechnet. Sie musste später Insolvenz anmelden. Dank der Ausnahme-Raucherlaubnis laufen unter dem Glasdach aber die Cafés gut.

In der direkten Nachbarschaft des Centers gibt es auch heute keinen Leerstand, auch wenn die Tendenz am Wiesdorfer Platz zu Handy- und 1-Euro-Läden geht. Zu den schärfsten Gegnern gehörte der damalige Geschäftsführer des Kaufhofs, der auch die City-Werbegemeinschaft leitete. Der Kaufhof, der damals auch oft totgesagt wurde, lebt.

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