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Kurs „Herrengedeck“Warum Oberbergs Männer beim Yoga lieber auf Kölsch und Korn verzichten

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4 min
Zu sehen ist eine Männergruppe beim Yoga.

Strecken, was das Zeug hält: An der Gummersbacher Wilhelmstraße kommen inzwischen männliche Yoga-Fans jeden Alters zusammen. 

Yoga ist in Oberberg auch Männersache. Das liegt vor allem an Thomas Rixgens-Lüdenbach, der die Herren mit speziellen Kursen bewegt.

Der „herabschauende Hund“ ist per se schon ein Fiesling, doch Thomas Rixgens-Lüdenbach setzt noch einen drauf und drückt das Gesäß in Richtung Decke, um den von viel zu langem Sitzen geplagten Rücken mal so richtig zu strecken. In den Jogginghosen vor ihm zittern bereits zwei Dutzend Männerbeine. „Und nun noch die Zehen aufstellen. Das wird nicht schön“, sagt Rixgens-Lüdenbach seelenruhig und er wird recht behalten. Spätestens jetzt wird um ihn herum geächzt und gestöhnt, was das Zeug hält.

Frontalangriff auf die Faszien in Gummersbach

„Herrengedeck“ hat Thomas Rixgens-Lüdenbach seinen Yoga-Kurs speziell für Männer getauft, doch statt Kölsch und Korn gibt es im ersten Stock an der Gummersbacher Wilhelmstraße den Frontalangriff auf verklebte Faszien an der Ferse, verkümmerte Hüftbeuger und schmerzende Nackenmuskeln. Esoteriker mit Räucherstäbchen und Traumfänger sucht man vergebens, dafür tummeln sich auf den Matten Männer, die die typischen Wehwehchen der modernen Gesellschaft plagen: Außendienstler, die deutlich mehr Zeit im Auto verbringen, als gesund ist. Solche, die im Job stundenlang auf einen Bildschirm starren, und jene, deren Herz eh schon angeschlagen ist, die einfach mal runterkommen möchten.

Startschuss im Yoga-Raum in Gummersbach-Veste

Im Januar 2024 hatte der heute 56-Jährige aus Engelskirchen zum ersten Gedeck geladen. Geburtshilfe für das Männer-Angebot leisteten damals ausgerechnet die Frauen: Ehefrau Katja Lüdenbach hatte sich 2021 mit der „Auszeit Oberberg“ selbstständig gemacht und berichtete nahezu allabendlich den gleichen Satz ihrer Yogakurs-Teilnehmerinnen: „Das täte meinem Mann auch gut, das müsste er auch mal machen.“ Das vermeintlich starke Geschlecht quittierte den Vorschlag allerdings meist mit einem müden Lächeln.

Zu Weihnachten 2023 erstellten die Lüdenbachs deshalb Gutscheine, versehen mit dem konkreten Kursstart gleich im Januar, die die Frauen ihren Gatten unter den Baum legten. Rixgens-Lüdenbach traf im Yoga-Raum in Gummersbach-Veste schließlich auf fünf Herren – die rückblickend der Auslöser einer richtigen Welle waren, die aktuell durch die oberbergische Männerwelt schwappt.

Blick auf einen Yoga-Trainer bei einer Übung

Vier „Herrengedecke“ richtet Thomas Rixgens-Lüdenbach inzwischen pro Woche in Oberberg her.

„Natürlich schmunzeln manche nach wie vor, wenn man als Mann zum Yoga geht“, berichten Stephan Steinborn und Wilfried Römer, die die besonders empfindlichen Zonen ihrer Füße gerade mit einem kleinen Ball bearbeiten. „Aber der Kurs tut mir gut. Yoga bringt meine Beweglichkeit auf Vordermann“, stellt Steinborn klar, der über seine Frau Anke zu seiner allerersten Yogaeinheit kam, im Anschluss aber gleich den Fortsetzungskurs gebucht hat. Und nicht nur das – inzwischen ist auch der Nachbar erklärter Yoga-Fan.

„Das ist ganz typisch. Einer traut sich, macht die Erfahrung, dass ihn die Übungen weiterbringen, und ziemlich schnell fragt er dann nach, ob er seinen Kumpel auch mitbringen kann“, weiß Thomas Rixgens-Lüdenbach, der von „momentan fast täglichen Neuanmeldungen“ spricht. Vier Gedecke richtet der 56-Jährige inzwischen wöchentlich her, zwei auf der Veste, eines in der Gummersbacher City und ein weiteres in Engelskirchen — macht über 60 Männer, Tendenz steigend.

Eine Yoga-Gruppe bei einer Übung

Die Kurse nehmen die speziellen Wehwehchen der modernen Gesellschaft in Angriff, mit speziell auf Männer zugeschnittenen Mobilisierungs- und Kräftigungsübungen.

Das Erfolgsrezept hinter dem Hype ums Herrengedeck sehen die Lüdenbachs in den Übungen der jeweils 60-minütigen Kurseinheiten, die die Belastungen der heutigen Zeit angingen. „Bei uns ist Yoga nicht der Kopfstand“, stellt Katja Lüdenbach (54) klar. „Wir machen, was physiologisch sinnvoll ist.“ Meint: Sonnengrüße, die sich mit speziell auf Männer zugeschnittenen Mobilisierungs- und Kräftigungsübungen abwechseln, werden nicht deshalb eingebaut, weil sie gut aussehen – sondern um Muskelgruppen anzusprechen, die bei vielen zwicken.

Männer seien beim Yoga durchaus kritisch, hat Rixgens-Lüdenbach festgestellt. Aber das sei in Ordnung und die allermeisten Teilnehmer seien gar nicht grundsätzlich unsportlich. So schwörten inzwischen selbst aktive Fußballer, Triathleten, Läufer und Radfahrer auf das Herrengedeck – weil sie alle zwar durchaus im Training seien, oft aber nur die Muskeln forderten, die bei ihrer Sportart im Vordergrund stünden und eben nicht den Körper als Ganzes im Blick hielten.

Auf alle Fälle quasseln Männer bei den Übungen viel mehr als die Frauen.
Yoga-Trainer Thomas Rixgens-Lüdenbach über seine Schützlinge

„Auf alle Fälle quasseln Männer bei den Übungen viel mehr als die Frauen“, verrät der Yoga-Trainer mit einem Schmunzeln. „Aber spätestens bei der Entspannungsrunde zum Abschluss kann man immer die Stecknadel fallen hören.“ Das Gedeck in Engelskirchen hat Thomas Rixgens-Lüdenbach übrigens jüngst in die Turnhalle in Bickenbach verlegt – die Räume des Sportstudios auf der Hardt waren nicht mehr groß genug, um allen Interessierten einen Platz auf der Matte zu bieten.

In Bickenbach ist dagegen viel Raum. Gut möglich also, dass mancher Oberberger an Weihnachten 2025 einen Gutschein fürs Männer-Yoga unter dem Baum finden wird. 


Mitte Oktober starten neue Kurse, der Einstieg ist allerdings jederzeit möglich. Der Yoga-Kurs „Herrengedeck“ findet montags in der Turnhalle in Engelskirchen-Bickenbach, Gelpestraße, am Dienstag im Studio Auszeit, Wilhelmstraße 14 in Gummersbach, und mittwochs im Kursraum, Veste 1, in Gummersbach-Veste statt. Genaue Zeiten und den Kontakt zum Trainer gibt es im Internet.

www.trainer-oberberg.de