NümbrechtTrockenbauer vom Bonner Landgericht auf Bewährung verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Der Angeklagte mit seinem Verteidiger in Bonn.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger in Bonn.

Bonn/Nümbrecht – Am Abend des 14. November 2020 saß der 41-jährige Bauingenieur allein in der Wohnung eines Freundes und schaute Fernsehen. Als es gegen 20 Uhr an der Balkontür klopfte, war er arglos, öffnete die Tür und blickte – zu seinem Schrecken – in die Gesichter von zwei zornigen Männern, von denen er einen kannte.

Der eine brüllte auf Polnisch: „Wo ist mein Geld?“ und schlug ihm ohne Vorwarnung mit der Faust ins Gesicht. Als er reflexhaft zurückschlug, bekam er einen Fußtritt gegen den Kopf und flog aufs Sofa. Der zweite Mann machte sich an das Mobiliar: Er zertrümmerte einen Marmortisch, mit dessen Tischbein er die Wohnung verwüstete.

Er zerschlug den Fernseher, die Glastüren, einen Schrank und machte auch das Badezimmer zum Schutthaufen: Dabei brüllten die Männer wiederholt „Geld, Geld, Geld!“ Der Bauingenieur, in Todesangst, versteckte sich erst in der Toilette, dann rettete er sich zu seiner Schwester, die ebenfalls in dem Mehrfamilienhaus lebte.

Darum soll der Angeklagte das Opfer angegriffen haben

Zwei Jahre später muss sich ein 36-jähriger Handwerker vor dem Bonner Landgericht verantworten: Die Staatsanwältin wirft dem polnischen Staatsbürger gemeinschaftliche versuchte räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vor. Wer der zweite Mann des Überfalls war, der die Wohnung zerstört hat, ist der Justiz bis heute nicht bekannt.

Der 36-jährige habe an dem Abend Geld eintreiben wollen, das der Ingenieur ihm noch als Auftraggeber schuldete, heißt es in der Anklage. Der 41-Jährige hatte den Trockenbauer als Subunternehmer für die Baustelle einer Siegener Schule beauftragt. Und er soll sich später geweigert haben, die Honorarforderung von 6000 Euro zu zahlen.

Geschädigter hätte „die Sache lieber von Mann zu Mann geklärt“

Der geschädigte Auftraggeber bestätigte am Mittwoch als Zeuge, dass er den Landsmann nicht bezahlt habe. Das aber sei nicht seine Schuld, beteuerte er. Denn der Trockenbauer habe auf der Baustelle wohl „Mist gemacht“. Da habe ihn der Bauherr rausgeworfen. Da er für den Auftrag (Gesamtvolumen 15.000 Euro) daraufhin selbst kein Geld gesehen habe, habe er den Trockenbauer auch nicht bezahlen können. Was damals an der Arbeit des Angeklagten nicht in Ordnung war, konnte er dem Gericht nicht erklären.

„Ich wollte daraus kein Drama machen“, betonte der Geschädigte immer wieder, dem es sichtlich unangenehm war, dass der Fall von seiner Schwester der Polizei gemeldet wurde und jetzt auch noch vor Gericht verhandelt wird. Er hätte „die Sache lieber von Mann zu Mann geklärt“, sagte der Zeuge. Stattdessen sei der Angeklagte an dem Abend „mit den Jungs“ gekommen. Draußen habe noch eine Person, möglicherweise eine Frau, in einem Fahrzeug gewartet, in das die Flüchtenden eingestiegen sind.

Eine Bewährungsstrafe ist schließlich die Folge

Der Angeklagte, der seit Jahren regelmäßig für Bauaufträge nach Deutschland eingereist ist, hat zu den Vorwürfen geschwiegen. Der dreifache Familienvater, nicht vorbestraft, hatte sich ein Jahr nach dem Vorfall bei seinem Verteidiger Michael Diwo gemeldet, als er im August 2021 mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Nachdem der 36-Jährige eine Kaution über 500 Euro gezahlt hat, wurde er haftverschont. Derzeit lebt er mit seiner Familie im Ruhrgebiet und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden.

Das Bonner Landgericht konnte den Fall innerhalb eines Tages klären und auflösen: Noch am Nachmittag des ersten Prozesstages verurteilte die dritte Große Strafkammer den 36 Jahre alten Trockenbauer nicht – wie es in der Anklageschrift zuvor hieß – wegen versuchter räuberischer Erpressung, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung. Eine Bewährungsstrafe von einem Jahr, sechs Monaten und einer Woche war die Folge.

Der Angeklagte hatte im Prozess geschwiegen

Nach der Beweisaufnahme stand für die Kammer fest, dass der Angeklagte und sein noch unbekannter Mittäter keinesfalls den Plan gefasst hatten, den 41 Jahre alten Ingenieur zu berauben, als sie am Abend des 14. November 2020 an der Balkontür klopften, Geld forderten und den Mann mit der Faust ins Gesicht schlugen und dann gegen den Kopf traten. Auch das Zertrümmern des Mobiliars mit einem Tischbein, für das der Mittäter gesorgt hatte, sollte dem Geschädigten Angst machen, aber – laut Urteil – keinesfalls dazu dienen, Beute zu machen. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Gründe des Auftraggebers, warum er den Subunternehmer nicht bezahlt habe, seien eher fadenscheinig, hieß es zudem im Urteil. Als Zeuge jedenfalls war er den Fragen des Gerichts mehr als deutlich ausgewichen.

Der Angeklagte hatte im Prozess geschwiegen. Nach dem Urteil wurde der Haftbefehl gegen den dreifachen, nicht vorbestraften Familienvater endgültig aufgehoben.

KStA abonnieren