Kaffeebohnen aus aller WeltRöstmeister Thomas Pagnia tüftelt an der Lingesetalsperre

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Ein gutes Näschen braucht Thomas Pagnia, um zum gewünschten Röstergebnis zu kommen.

Ein gutes Näschen braucht Thomas Pagnia, um zum gewünschten Röstergebnis zu kommen.

Schmitzwipper – Der Duft frischen Kaffees verteilt sich an diesem Vormittag am Fuße der Lingesestaumauer. Aus dem alten Gasthaus tönt ein rhythmisches Rasseln, wie aus einer Waschmaschine. Tatsächlich funktioniert der Röstofen, den Thomas Pagnia an einem kleinen Computerbildschirm überwacht, nach einem ähnlichen Prinzip. Bloß, dass in der Trommel keine Wäsche gewälzt wird, sondern Kaffeebohnen.

Seit Januar röstet der im rheinland-pfälzischen Niederfischbach wohnende Pagnia seinen Kaffee im Oberbergischen, nachdem er den tonnenschweren Ofen in Siegen abbauen und nach Marienheide transportieren ließ. In der Siegener Oberstadt betreibt der Röstmeister mit seiner Frau Kristina ein Café. In Schmitzwipper bauen die Pagnias seit vorigem Jahr das einstige Thai-Restaurant zu einer Dependance um (wir berichteten). Voraussichtlich im Sommer soll es öffnen – falls die Corona-Krise die Arbeiten nicht verzögert.

Automatik kann die Sinne nicht ersetzen

Der mannshohe Röstofen trägt den Namen Giesen und stammt aus Holland. Seit ein paar Wochen dreht Pagnia regelmäßig den Gashahn auf, heizt das Gerät an und stellt den Kaffee her, der in seinem Onlineshop und Siegener Café und bald auch in Marienheide verkauft wird. An diesem Vormittag verarbeitet er hellgrüne Bohnen aus Peru. Sie lagern gemeinsam mit weiteren Bohnen aus Mexiko, Brasilien, Guatemala und einer Reihe weiterer Länder separiert in großen Leinensäcken im Gastraum.

Die Automatik des Ofens erledigt nicht alles.

Die Automatik des Ofens erledigt nicht alles.

Die eine Kaffeebohne gibt es nicht. In Größe, Struktur und letztlich Geschmack unterscheiden sie sich. Höhenlage und Bodenbeschaffenheit in den Anbaugebieten sind nur zwei Faktoren, die zur Bohnenvielfalt beitragen. Pagnia bezieht sein Rohmaterial über ein in Mannheim beheimatetes Netzwerk, das engen Kontakt zu den Farmern vor Ort hält. So wisse er sogar, auf welcher Parzelle sein Kaffee wächst, betont er.

Nachdem der Röstmeister einen großen Metalleimer zu drei Vierteln mit den peruanischen Bohnen befüllt hat, wandern die in den großen Trichter am Kopf des Ofens. Der hat nun schon ordentlich Temperatur aufgebaut, das Thermometer auf dem Bildschirm zeigt 160 Grad. Pagnia betätigt einen Hebel, die Bohnen rutschen vom Trichter in die rotierende Rösttrommel. Ab jetzt läuft fast alles automatisch. Über eine vordefinierte Röstzeit wird die Ofentemperatur mehrmals zu bestimmten Zeitpunkten angepasst.

Verschiedene Faktoren entscheidend

Wärmegrad, Zeit und Luftstrom sind die drei ausschlaggebenden Parameter beim Röstprozess. Sie unterscheiden sich je nach Bohne und angestrebtem Kaffeeergebnis. Pagnia hat mehr als 50 Programme in seinen Ofen eingestellt – verlässt sich aber nicht blind auf die Technik. Augen und Nase müssen stets wachsam sein. Das richtige Timing ist wichtig.

In seinem im Bau befindlichen Café an der Lingese verarbeitet Thomas Bohnen aus aller Welt in einem großen Ofen.

In seinem im Bau befindlichen Café an der Lingese verarbeitet Thomas Bohnen aus aller Welt in einem großen Ofen.

Die peruanischen Bohnen, die seit wenigen Sekunden in der Trommel gewälzt werden, durchlaufen nun drei Röstphasen, so wie jeder Kaffee. Die Bohnen werden auf eine Temperatur von rund 78 Grad sanft erwärmt, der Experte sagt „homogenisiert“. Das dauert knapp fünf Minuten. Im kleinen runden Sichtfenster ist der Bohne noch nichts anzusehen, nach wie vor ist sie hellgrün. Pagnia zieht einen Probierstab aus der Ofenwand, in der einige Bohnen liegenbleiben, und schnuppert. Noch duften sie sanft nach Heu.

Automatisch regelt der Ofen nun die Temperatur hoch, die Bohnen werden auf mehr als 150 Grad gebracht. Jetzt beginnt die mehr als zehnminütige Entsäuerungsphase, bei der den Bohnen ihre Feuchtigkeit und damit auch Bitterstoffe entzogen werden. Allmählich nehmen die Bohnen nun Farbe an, werden dabei größer, verlieren aber zugleich Gewicht. Erneut macht Pagnia einen Geruchstest: Der Heuduft ist verflogen, jetzt duften die Bohnen leicht süßlich, fast schon nach Honig.

Das Grapefruit-Aroma verwandelt sich in Karamell

Nahtlos geht es nun in die richtig heiße Aromaphase über, die den Bohnen ihren individuellen Geschmack verleihen. Bei mehr als 180 Grad erhalten die Bohnen in den wenigen verbleibenden Minuten ihren dunkelbraunen Teint. Nun geht alles recht schnell. Das Aroma wechselt von einer Zitrus- zu einer Grapefruitnote, schließlich duften sie nach Karamell. Das ist das gewünschte Ergebnis.

Obwohl die einprogrammierte Röstzeit noch nicht ganz abgelaufen ist, greift Pagnia rasch ein. Per Hebel öffnet er die Trommel, die heißen Bohnen rutschen dampfend auf das darunterliegende Sieb, wo sie umgewälzt und abgekühlt werden. Das ganze hat nun rund 20 Minuten gedauert – für 12,5 Kilo geröstete Bohnen. In der Industrie werden ungleich größere Mengen Bohnen binnen drei bis vier Minuten bei Temperaturen zwischen 600 und 800 Grad geröstet, sagt Pagnia. Das Ergebnis sei dementsprechend nicht dasselbe.

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Nachdem seine Bohnen etwas abgekühlt sind, leitet Pagnia sie in eine danebenstehende Maschine, dem sogenannten Entsteiner. Per Luftstrom werden sie von ungewollter Beigabe befreit – ein kleines Steinchen aus den Bergen Perus bleibt in einem Auffangsieb liegen. Die fertigen Bohnen müssen nun noch zwei Tage ausdampfen, bis Pagnia sie in die Verkaufstüten umfüllen kann.

Den heißen Ofen nutzt Thomas Pagnia sofort weiter. Nun wandern mexikanische Bohnen in die Trommel. Sie werden zu Espressobohnen – made in Marienheide.

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