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Häuser mit Geschichte(n)Das imposante Haus der Familie Vogel in Waldbröl ist weithin bekannt

Lesezeit 4 Minuten
Der imposante Bau mit gelbem Klinker.

Den imposanten Bau mit dem gelben Klinker kennt jeder, der durchs Bröltal kurvt.

Ein Haus mit Geschichte(n) ist der imposante Bau mit gelbem Klinker in der Waldbröler Ortschaft Rossenbach.

Umziehen? Barbara und Winfried Vogel zucken zusammen, wie vom Donner gerührt sitzt das Ehepaar plötzlich am runden Küchentisch. „Niemals!“, antwortet Winfried Vogel schließlich bestimmt und energisch auf die Frage. Doch nicht mal er würde das markante Haus mit der gelben Klinkerfassade und den braunen Fenstern – davon gibt es mehr als 30 – als „praktisch“ und „pflegeleicht“ bezeichnen.

„Ganz im Gegenteil“, sagt der frühere Industriekaufmann, der mit Ehefrau Barbara (66) in dem Haus lebt, das sein Großvater Gustav 1927 gekauft hat. Gebaut worden ist es 1904 – es heißt, der Bauherr habe sich damit übernommen.

Die Bröltalbahn machte Station an dem Haus in Rossenbach

Unter dem Dach des Gebäudes gibt es heute zwei Wohnungen mit jeweils 140 Quadratmetern und eine Etage mit etwa 110 Quadratmetern unter den hölzernen Balken. Es steht in der Waldbröler Ortschaft Rossenbach, da ganz dicht an der Brölstraße, der vielbefahrenen Bundesstraße 478, und ebenso am Brucher Bach. Jeder kennt das Gemäuer, der in das Zentrum der Marktstadt möchte oder davon weg. Das geht einst auch auf der Schiene, denn ab dem 6. September 1870 rollt dort die Bröltalbahn, die Züge halten auch an jenem Haus in Rossenbach.

Nachdem aber am 28. Februar 1953 zum letzten Mal ein Güterzug diese Strecke genommen hat, wird der Eisenbahnverkehr stillgelegt und noch im selben Jahr weichen die Schienen dem Asphalt: Die neue Straße zwischen Hennef und Waldbröl ist deutlich breiter als die zuvor. In den Räumen, in denen einst Güter, Ballen aus Wolle und Stoffe etwa und vor allem Obst und Gemüse, auf ihre Abfertigung warten, da gehen heute Waschmaschinen in den Schleudergang.

Das Haus ist aber auch danach ein beliebtes Ziel der Rossenbacherinnen und Rossenbacher. Winfried Vogel: „Der Ort ist zwar auf der anderen Seite der Straße, aber wir hatten immer die Kneipe.“ Dort, wo heute der Küchentisch steht, da war einst der Tresen. „Und nebenan ein Schalter“, erinnert zudem Barbara Vogel an die Zeit, als sich eine kleine Filiale der Post und eben die Gastwirtschaft das Erdgeschoss teilen, das war wohl zu Beginn der 1930er Jahre. „Dort habe ich selbst gearbeitet, bis ich in die heutige Geschäftsstelle an der Vennstraße in der Stadtmitte gewechselt bin“, sagt Vogel, die ebenfalls den Beruf der Industriekauffrau erlernt hat.

In der Schankstube werden zudem Fahrscheine für die Bröltalbahn verlauft, sie fährt in Dienst der Rhein-Sieg-Eisenbahn: Die Fahrt nach Waldbröl kostet 20 Pfennige, an den Tagen des Kram- und Viehmarktes aber werden 30 Pfennige dafür fällig. Als ihr späterer Ehemann geboren wird, ist die Gaststätte bereits dicht. „Die habe ich nicht mehr erlebt“, schildert Winfried Vogel und beruft sich auf Recherchen seines Vaters Walter. Demzufolge wird die Kneipe als Gartenwirtschaft geführt, vier riesige Linden spenden Schatten. Von den mächtigen Bäumen steht heute noch einer.

Die Wirtschaft ist den Rossenbacher Fußballern der Spielvereinigung Klubheim mit Umkleide und Waschgelegenheit, zudem probt der örtliche Männergesangverein da seine Lieder. Ein Tanzboden wird verlegt, zeitweise nennt sich die Gaststube auch Restaurant und sogar Pension, denn auf der ersten Etage gibt es zudem einen Speiseraum sowie zwei Gästezimmer, im Stockwerk darüber sind drei weitere Zimmer eingerichtet. Für Urlauberinnen und Urlauber stehen im Grünen Liegestühle, an den Bäumen baumeln Hängematten. „Gegen Ende des Krieges brachte meine Familie in den Räumen dann Flüchtlinge unter“, schildert Winfried Vogel.

Aber nicht nur Gesang, Bier, Briefmarken und Sonderstempel gibt es damals im Haus der Familie Vogel: Auf der anderen Seite ist im Erdgeschoss ein Lebensmittelladen, wenige Stufen führen hinauf und in die Metallgeländer an den Seiten eingelassen sind zwei hölzerne Bänke. Diese hat das Ehepaar restauriert, manches Hochzeitsfoto ist darauf geschossen worden. „Wahrscheinlich nahm früher die Kundschaft darauf Platz, wenn der Laden voll war und man warten musste“, überlegt Barbara Vogel. Erhalten aus der bewegten Geschichte ist sonst nichts, beim Aufräumen und Entrümpeln sei entsorgt worden, was Jahrzehnte lang im Keller geschlummert habe, blickt Ehemann Winfried zurück.

Zuletzt haben er und seine Frau sämtliche Fenster ausgetauscht, die neuen sollen vor allem eines: den Lärm der Bundesstraße schlucken. „Das Gesause der Motorräder ist besonders übel“, sagt Winfried Vogel. „Früher hat man an sowas leider nicht gedacht.“ Doch bei allem Ungemach: Verlassen will das Paar das Haus auf keinen Fall. „Ich habe hier immer sehr, sehr gern gelebt“, betont Vogel. Allerdings wissen die beiden bereits, dass keines ihrer drei Kinder das elterliche Heim in Rossenbach übernehmen möchte.

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