AbenteuerVon Drabenderhöhe zu Fuß bis nach Ungarn

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Birgit war nach 45 Tagen am Ziel in Ungarn.  

Drabenderhöhe – Bei Birgit Miess ging es nicht um die Welt und auch nicht in 80 Tagen. Aber die Drabenderhöherin lief in 45 Tagen zu Fuß bis nach Ungarn. Im Juni und Juli hat sie 1030 Kilometer zurückgelegt und zwei Grenzen überquert.

Die Idee zu dieser außergewöhnlichen Reise entstand, als sie zu ihrer Arbeit im örtlichen Kindergarten spazierte. Die 54-Jährige erzählt: „Ich habe gedacht, ich könnte doch jetzt einfach weiterlaufen“. Aber warum ausgerechnet nach Ungarn und nicht auf dem Jakobsweg? „Wir haben schon seit 1994 ein Ferienhaus in Ungarn. Und ich wollte eine Strecke laufen, auf der die Leute Deutsch sprechen.“

Sie und ihr Mann Hans beantragten einen Monat unbezahlten Sonderurlaub und machten sich an die Planung. Ihr Mann sollte ihr mit einem ausgebauten Sprinter als Begleitfahrzeug hinterherfahren.

„Üben kann man das nicht“

Birgit Miess geht in ihrer Freizeit gerne walken. Und sie ist schon zusammen mit Nachbarn und ihrer Tochter nach Köln gelaufen und konnte darum die Tagesetappen planen. Die Wanderschuhe wurden eingelaufen. Trotzdem betont sie: „Üben kann man das nicht.“

Am 12. Juni startete sie in Drabenderhöhe vor ihrer Haustür. Ein Nachbar begleitete sie auf den ersten Etappen bis Marburg. Von dort aus ging es weiter nach Würzburg. Eine weniger schöne Erfahrung machte sie am Main: Hier wurde sie Zeuge einer Polizeiaktion. Die Beamten untersuchten den Fund einer Wasserleiche. „Sonst bin ich abends auf der Wanderung gern schwimmen gegangen. An diesem Abend nicht.“

Überraschung in Regensburg

Über Bamberg lief sie nach Regensburg. Dort gab es dann eine schöne Überraschung. „Wir waren dort auf einem Fest, und auf einmal sah ich zwei kleine blonde Jungs auf mich zukommen. Ich sagte noch zu meinem Mann ,Schau mal, die sehen aus wie unsere Enkel’.“ Und es waren tatsächlich die Enkelkinder des Ehepaares. Für Birgit Miess war es das Highlight der Reise.

Nach einem gemeinsamen Tag mit der Familie zog die Wiehlerin entlang der Donau weiter in Richtung Passau und über die Grenze nach Österreich. Als nächste große Stadt passierte sie Linz. In Melk entschieden sich die beiden Oberberger spontan, Tickets für das am Abend stattfindende Rolling-Stones-Konzert in Wien zu besorgen. Die österreichische Hauptstadt liegt nur knapp 100 Kilometer entfernt. Doch schon schnell ging es weiter.

Liveübertragung in die Heimat

Die Grenze zu Ungarn überquerte die 54-Jährige gemeinsam mit ihren Töchtern, die per Videoanruf zugeschaltet wurden. Zusätzlich bekam sie Bilder von ihren Enkeln zugeschickt, die mit einer Ungarnflagge posierten. In der ungarischen Stadt Sopron war das Ziel erreicht und die Freude riesig. Die Pädagogin war überwältigt von Glücksgefühlen und Stolz. Mit einem riesigen Lächeln im Gesicht habe sie geseufzt: „Geschafft“, erinnert sie sich. Die 50 Kilometer bis zum Ferienhaus holte sie, auf Grund einer drohenden Hitzewelle, später nach. Zurück in Deutschland gab es eine Willkommensparty.

Auf der gesamten Strecke gab es nicht immer einen Weg. Die Wiehlerin musste sich teilweise mit dem Regenschirm durch das Dickicht kämpfen und lief quer durch den Wald. „Weit und breit war nichts zu sehen, weder Menschen noch eine Bank.“ Die Erzieherin fühlt sich im Wald durchaus wohl, denn sie hat eine Weiterbildung zur Waldpädagogin absolviert. Aber einmal wurde ihr dann doch etwas mulmig zu Mute. Eine Frau erzählte dass sich im Wald Wölfe befänden und diese angeblich auch schon Jogger angefallen hätten. Dennoch ließ sie sich nicht abschrecken und kämpfte sich weiter durch Brennnesseln und Brombeersträucher.

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Von den 1030 Kilometern hat die 54-Jährige 100 mit dem E-Bike bestritten. Nach den ersten zehn Tagen hatte sie eine Muskelverletzung am Schienbein und legte einen Tag Pause ein. Um aber nicht noch länger pausieren zu müssen, entschied sie sich, zwei Tage auf das Fahrrad umzusteigen. Der größte Gegner auf der Wanderung war aber die sommerliche Hitze. „An einem Tag musste ich nach 22 Kilometern abbrechen, weil es so heiß war und die Strecke kaum Schatten hergab.“

Die Menschen, die Birgit Miess auf ihrem Weg getroffen hat, seien sehr hilfsbereit gewesen. „Einmal war der Wald gesperrt, und mir wurde erklärt, wo ich stattdessen hergehen kann.“ Mit einem Pilgerstock in der Hand, den sie zwischendurch gegen die Walking-Stöcke eintauschte, wurde sie häufiger angesprochen. „Ich bin von einer Walkerin zu einer Wanderin geworden.“

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