Jecke auf AbrufWie das Bergisch Gladbacher Dreigestirn die vergangenen Jahre erlebt hat

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Das Dreigestirn steht in Ornaten auf der Bühne.

Lange hat es gedauert: Frank III. (Haag), Bauer Andreas (Rossa), Jungfrau Melanie (Pfister) sind endlich proklamiert.

Zweimal wurde das Bergisch Gladbacher Dreigestirn durch Corona ausgebremst. Wir haben die drei während der gesamten Zeit begleitet.

Eine Woche ist Gladbachs neues Dreigestirn jetzt im Amt, drei Jahre lang haben Frank III. (Haag), Bauer Andreas (Rossa) und Jungfrau Melanie (Pfister) dafür Anlauf genommen, wurden zweimal jäh von Corona ausgebremst. Guido Wagner hat die drei auch hinter den Kulissen begleitet – auf einer emotionalen Achterbahnfahrt.

Nach der Session ist vor der Session und so sollten nach Aschermittwoch 2020 eigentlich die Vorbereitungen für die Jubiläumssession der Großen Gladbacher KG anlaufen: mit 70. Geburtstag des Senats, 55-jährigem Jubiläum der Prinzengarde und Elfjährigem der Strunde-Pänz. Statt der Vorbereitung lief allerdings vor allem etwas anderes an: eine Pandemie mit Einschränkungen, die Deutschland in der Form noch nie erlebt hatte. Selbst der Nachholtermin des an Karnevalssonntag wegen einer Sturmwarnung ausgefallenen Zochs durch die Gladbacher Stadtmitte fiel aus, weil der erste Lockdown kam.

Eine ganz neue Erfahrung, nicht nur für die Karnevalisten. Die designierten Tollitäten für das folgende Jahr unterdessen schafften es, auch in virtuellen Treffen den Mut nicht zu verlieren und – allen Widrigkeiten zum Trotz – an den Ideen für ihre Session zu schmieden. Auch wenn es bis zum Start in diese noch mehr als eine veranstaltungsfreie Session dauern sollte, wie unsere Zusammenschau von drei Jahren auf dieser Doppelseite zeigt.

September 2020

Es ist heiß in der Stadt, als sich am 17. September 2020 hinter dem Rathaus ein illusteres Ründchen einfindet: Der Präsident der Großen Gladbacher KG, Alexander Pfister, Prinzenführer Frank Mehren und drei Mitglieder der Großen Gladbacher KG, die das nächste Dreigestirn in der Kreisstadt werden soll, die gerade den ersten Corona-Lockdown durchstanden hatte. Am 2. November folgte der zweite. Bereits am 24. September war für Prinz in spe Frank III. (Haag), Bauer Andreas (Rossa) und Jungfrau Melanie (Pfister) klar: Erstmal in Lauerstellung.

Da haben die Spitzenvertreter des Bergisch Gladbacher Karnevals beschlossen, neben Zügen, Karnevalssitzungen und Partys auch auf die Proklamation eines Dreigestirns zu verzichten. Nach dem ersten Schock sagt Frank Haag: „Wir hatten gehofft, dass es doch ein bisschen Karneval geben könnte. Aber gut, dass wir trotzdem ein Jahr später Dreigestirn werden dürfen.“ Er selbst bringt als Vorsitzender der Großen Gladbacher KG eine professionell Radio-Show an Karnevalssonntag mit ins Internet.

August 2021

Das Dreigestirn hat die Ehrenrunde nach dem ersten Schock genutzt, um die Session nun mit Doppelanlauf vorzubereiten. Dazu gehört auch die Produktion der Dreigestirnslieder. Drei Stück sollen es sein: eins vom besonderen Doppelstart in die fünfte Jahreszeit (am Ende wird’s ein Dreifachstart), eins vom Zusammenstehen und ein Medley bekannter Melodien, bei denen alle im Saal gleich mitsingen können.

Die Texte für die beiden anderen Songs fasst Martin Hardenacke in die richtigen Worte, die Musik steuert Ralf Hahn bei, in dessen Gladbacher Studio die Tollitäten in Lauerstellung ihre Lieder auch einsingen. „Jetzt kann man sich das Ganze schon vorstellen“, sagt Andreas Rossa, als sich die drei gemeinsam mit Hardenacke und Prinzenführer Frank Mehren die ersten Aufnahmen anhören. Jede Tollität hat ihre Stimme eingesungen – bis durchs Fenster des Regieraums der nach oben gestreckte Daumen des Produzenten zu sehen war: „Macht Ihr echt gut“, sagt Hahn, der zur Proklamation ein Gitarrensolo auch live auf der Bühne spielt.

September 2021

„Same procedure as last year?“ (Dasselbe Verfahren wie vergangenes Jahr?) Keineswegs. diesmal gibt’s zum Erinnerungsfoto, wer in Gladbach angehendes Dreigestirn ist, ein Gläschen Sekt ganz offen vorm Alten Lindenhof. danach geht’s zum Nickabend – also der offiziellen Zustimmung der Findungskommission zu den Bewerbern um das höchste Bergisch Gladbacher Jeckenamt.

Das Ergebnis: Frank Haag, Andreas Rossa und Melanie Pfister bekommen auch offiziell den „Segen“, die Jecken der Kreisstadt regieren zu dürfen. Im zweiten Anlauf soll es doch klappen. Ausgelassen wird der Abend in der Gaststätte „Bützler“ gefeiert – und zu später Stunde noch eine Runde gekegelt. Dass das Dreigestirn eine „ruhige Kugel“ schieben würde, kann man wahrlich nicht sagen. Ob Ornatanproben, Ordensgestaltung oder neue Ideen für die nachgeholte Jubiläumssession – im Hintergrund laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

Oktober 2021

Diesmal ist es das Wetter, das den ersten geplanten Termin platzen lässt. In den Herbstferien 2021 zeigt sich die Herbstsonne dann allerdings noch einmal von ihrer besten Seite, so dass Fotografin Susanne Prothmann Prinz, Bauer und Jungfrau an schönen Orten wie dem Igeler Hof oder dem Rathaus für Fotogeschenke, Autogrammkarten und weitere benötigte Bilder etwa für Sessionshefte ablichten kann.

Natürlich so, dass niemand Unberechtigtes die Tollitäten in spe im Ornat ablichtet und womöglich schon veröffentlicht. Neben Prinzenführer Frank Mehren und seinem Vize Roland Theißen schirmt auch Alexander Pfister gegen Paparazzi ab.

November 2021

Die Brauchtumspfleger sind früh dran im zweiten Corona-Jahr: Bereits am 6. November wird mit der Sessionseröffnung an der Strunde der Elfte im Elften begangen. Eine Woche später feiern die Strunde-Pänz ihr Elfjähriges. Da fürchtet bereits mancher, dass das C-Problem den Karnevalisten noch einmal einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Dabei hat auch die Große Gladbacher nochmal dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen, und sogar eigene Impfaktionen angeboten. Aber die Infektionslage verschärft sich wieder. Immerhin finden die meisten Veranstaltungen im November noch statt – teils auch kurzerhand ins Freie verlegt , wie bei den Fidele Böschjonge, wo man sich sich an einer Feuertonne wärmt.

Dezember 2021

Eigentlich soll es nur die Verabschiedung des Dreigestirns in die Weihnachtszeit sein, zu der Prinzenführer Frank Mehren und sein Vize Roland Theißen eingeladen haben. Wenige Tage später jedoch fällen die Brauchtumsverbände nach einem Spitzentreffen bei der Landesregierung in Düsseldorf die Entscheidung, in der bereits gestarteten Session auf alle weiteren Veranstaltungen zu verzichten.

„Damit haben wir nicht gerechnet“, sagt der designierte Gladbacher Karnevalsprinz und Vorsitzende der Großen Gladbacher Karnevalsgesellschaft, Frank Haag. „Wir haben uns in den vergangenen Wochen mit vielen Alternativszenarien beschäftigt, mit einer so schnellen, so konsequenten und so endgültigen Entscheidung hatten wir nicht gerechnet.“ Das zweite Mal ausgebremst.

Januar 2022

Diesmal widmet sich der weiter lauernde Prinz nach der unverhofften C-Bremse noch einem anderen seiner Ehrenämter. Als Vize-Leiter der Gladbacher Feuerwehr baut er einen Impf-Drive-In auf dem Parkplatz Heidkamper Tor mit auf – und bekommt dort auch Unterstützung von seinen Dreigestirnskollegen und weiteren Karnevalisten. Die Große Gladbacher KG richtet eine Kaffeebude für die Wartenden in den zunächst sehr langen Schlangen ein. Und auch die Aktiven der KG Alt-Paffrath übernehmen nach intensiver Einweisung einen Wochenenddienst als Helfer des medizinischen Personals im Drive-In.

Januar und Februar 2022

Eine Reihe kommerzieller Veranstaltungen finden zwar am Ende in der Session doch statt, das organisierte Brauchtum allerdings „hält Pohl“. Es gibt nur wenige Termine fürs Dreigestirn. Beim Patronatsfest der Hander Schützen steht Prinz Frank III. in spe mit Mund-Nasen-Schutz zum Fürbitte-Lesen am Ambo.

Von Zugleiter und Schwiegervater Helmut Kraus („Gläbbisch lässt keinen im Regen steh’n“) gibt’s einen von ihm und René Karla von der Karnevalsgesellschaft „De Schinghellije“ kreierten Schirm. In einer für Karnevalssamstag von der Bergisch Gladbacher Initiative „Alaaf for you“ um René Karla und Ingo Schütze von der Karnevalsgesellschaft „De Schinghellije“ sowie Frank Erstling vom Videospielmagazin Return produzierten Online-Sitzung ist auch das Gladbacher Dreigestirn zu sehen – in einem Video.

Der Aschermittwoch hat mittlerweile fast ein bisschen von seinem Schrecken für Jecke verloren. Zumindest für das Gladbacher Dreigestirn in Lauerstellung geht’s danach abermals weiter – zu einem dritten Anlauf ins närrische Amt.

Februar 2022

Anfang Februar ist es auch offiziell: Bergisch Gladbachs bereits für die vergangene Session designiertes und in dieser Session zum zweiten Mal ausgebremstes Dreigestirn wird in der Session 2022/2023 erneut antreten. Das haben Vertreter der Findungskommission für das Gladbacher Dreigestirn auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt. Die drei designierten Tollitäten, Prinz in spe, Frank III. (Haag), Jungfrau Melanie (Pfister) und Bauer Andreas (Rossa), machen spontan einen Luftsprung im Bocker Saal. „Ein bisschen erleichtert sind wir ja doch, dass es so gekommen ist und wir diese Session noch nicht proklamiert worden sind“, sagt Frank Haag danach. „Denn das, was wir jetzt sehen, was an Karneval diese Session möglich ist, das ist ja dann doch nicht das, was wir uns erträumt hatten.“

Februar 2022

Eigentlich wäre zwei Tage danach der Straßenkarneval gestartet, wenn nicht alle Züge abgesagt worden wären. Die Lokalredaktion möchte an Dienstag vor Weiberfastnacht trotzdem für alle designierten oder sogar schon proklamierten Dreigestirne an den Redaktionsempfang anknüpfen. Als Alternative gibt’s einen jecken Drive-In auf dem neuen Gohrsmühlenplatz, den die Stadt dafür zur Verfügung gestellt hat. Und natürlich fahren auch die Gladbacher Lauer-Tollitäten mit Prinzenführer Frank Mehren vor. Allein Dreigestirnsfahrer Frank Andes ist nicht dabei. Er muss in seinem ersten Job arbeiten. Das Schmölzchen samt Gladbacher Prinzengarde bereitet sich unterdessen bereits auf die nächste Session vor – denn: „Aller guten Dinge sind drei.“

August 2022

Ein drittes Mal vorgestellt werden brauchen die Tollitäten in „Dauerlauerstellung“, wie sie bald liebevoll genannt werden, bei ihrem dritten Anlauf nicht mehr. Die Lokalredaktion spielt mit den Dreien eine Runde „Mensch ärgere Dich nicht“. Dabei zeigen sich die Tollitäten als Optimisten: „Beim ersten Mal haben wir die Püppchen aufs Feld gesetzt, beim zweiten Mal haben wir angefangen zu spielen und nun werden wir mit viel Spaß bis zum Ende spielen - und alle drei gewinnen.“ Überhaupt sind sie sich einig: „Wir haben kein Spiel verloren, sondern eine weitere Eröffnungsrunde gewonnen.“ Und so geht’s erneut zu Terminen wie Dreschflegel- und Spiegelübergabe – und erstmals auch zur Pritschenübergabe.

Dezember 2022

Karnevalsmusik aus der Feuer- und Rettungswache an der Paffrather Straße. Ganz hinten in einem Gemeinschaftsraum wird noch einmal die Choreographie geprobt, mit Strunde-Pänz-Trainerin Dagmar Stier. Noch müssen ein paar Stellen wiederholt werden, doch schon in wenigen Tagen sitzt alles Perfekt für die Proklamation im dritten Anlauf. Die feierliche Inthronisierung wird nach einer akribischen Probe am Vortag (großes Foto) ganz besonders stimmungsvoll. Mit Vollgas und bestens einschlagenden Liedern gehen Prinz Frank III., Bauer Andreas und Jungfrau Melanie auf die Tour durch die Säle – am Ziel eines Traums, der – wie Frank III. nach der Proklamation verrät – schon 2014 geboren wurde und der jetzt endgültig richtig Fahrt aufnehmen soll.


Das Bergisch Gladbacher Dreigestirn in Zahlen

  • 3 besondere Jecke regieren das närrische Volk in Bergisch Gladbach. Zum Schmölzchen gehören Prinzenführer, Adjutanten, Dreigestirnsfahrer und an die 100 Prinzengardisten.
  • 75 Dreigestirnsbilder verschenken Prinz Frank III., Bauer Andreas und Jungfrau Melanie während der Session.
  • 190 Auftritte haben die Gladbacher Tollitäten bis Aschermittwoch in ihrem Terminplan stehen.
  • 650 Dreigestirnsorden kann das Trifolium bis Aschermittwoch verleihen.
  • 1000 Kölschgläser mit dem Bild des eigenen Ordens haben Prinz, bauer und Jungfrau am Samstag zugunsten der Arbeit des Vereins „Bürger für uns Pänz“ verkauft.
  • 2900 Strüßjer hat das Dreigestirn bestellt, um sie bei den Zügen in Bensberg und Stadtmitte unters Volk zu bringen.
  • 35.000 Bierdeckel des Dreigestirns sind in diesen Tagen bei Sitzungen und in Gaststätten der Kreisstadt in Umlauf gebracht. (
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