Eine Ruine, vergessen im SchmerzDie Sporthalle, die auf dem Zanders-Gelände brannte

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Mahnmal: Fast wie eine Gedenkstätte wirken die Überreste von „Nick“ heute auf dem Zanders-Gelände.

Mahnmal: Fast wie eine Gedenkstätte wirken die Überreste von „Nick“ heute auf dem Zanders-Gelände.

Bergisch Gladbach – In der Nacht zum 10. März 1998 brennt in Bergisch Gladbach die Sporthalle „Nicks Squash Center“ ab. Es ist Brandstiftung. Tage später verhaftet die Polizei zwei junge Männer, 20 und 26 Jahre, die die Tat gestehen. Sie hatten eine Hifi-Anlage gestohlen und Papier in einem Abfalleimer in Brand gesteckt. Mit dem Feuer wollten sie ihre Spuren vertuschen.

Rund 23 Jahre später. Die ausgebrannte Halle an der Heidkamper Straße 35, ist noch da und sie wirkt wie ein Mahnmal, eine gespenstische Ruine. Mit Bauzäunen ist sie abgesperrt, aus Sicherheitsgründen. Die Eingänge sind zugemauert. Grün wuchert. Es ist ein unheimlicher Ort mitten in der Stadt. Genau an dieser Stelle könnte die neue Grundschule von Gladbach gebaut werden. Projektname „Schule 21“, die 21. Grundschule der Stadt.

Das ist die offizielle Geschichte. Die andere Geschichte ist die von Manfred „Manni“ Franke, dem Pächter der Squash-Halle, und seiner Familie. Nach dem Brand war für sie alles anders. Die Familie sei daran zerbrochen, sagt Tochter Marion Gruß-Bakowsky. „Wir waren ein Familienbetrieb durch und durch.“ Die Sportart Squash sei mit der Halle zur großen Sache in Bergisch Gladbach geworden. Westdeutsche Meisterin sei sie gewesen, ihr Bruder Lutz Deutscher Meister.

Bei Zanders sei nach dem Brand alles getan worden, um den Weiterbetrieb der Sporthalle zu verhindern

Nach langer Zeit ist sie wieder in der Nähe der Halle. Ein Pfad durchs Unterholz führt zur Ruine. Marion Gruß-Bakowsky schiebt Blätter beiseite. Von oben fällt Regen. „Ich kann hier nicht lange bleiben“, sagt sie. Erinnerungen kommen wieder hoch. „Hier haben auch mal welche gehaust“, sagt sie und schaut auf die Reste von Lebensmittelverpackungen. Eine Sperrholzpalette liegt auf dem Waldboden, der früher der Parkplatz war. „Squash Center“ steht in großen Buchstaben auf der grauen Fassade, die gen Himmel zu ragen scheint. Schwarze Brandnarben sind von außen zu sehen. Nebenan liegen Produktionshallen von Zanders. Dem Unternehmen gehörte das Grundstück mit der Halle. „In der Brandnacht bin ich um 5 Uhr morgens aus dem Bett geklingelt worden“, erinnert sich die Tochter. Sie sei direkt zur Sporthalle gefahren.

Schule statt Squash-ruine

Weil in der Stadtmitte und in Gronau in den nächsten Jahren mehrere hundert neue Wohnungen entstehen und die Grundschulen den schulischen Bedarf nicht decken können, sucht die Stadt eine geeignete Fläche für den Neubau einer Grundschule im Stadtkern. Entstehen soll eine dreizügige Grundschule mit Räumen für den Offenen Ganztag und Turnhalle, Projektname „Schule 21“. Sie soll möglichst weit westlich in der Innenstadt errichtet werden. Ob der Bereich der ehemaligen Squash-Halle geeignet ist, prüft die Stadt gerade. Die Stadt hat die Fläche von Zanders übernommen. (cbt)

Manfred Frankes hatte seine Freizeitanlage auf einem gepachteten Zanders-Grundstück errichtet. Bei Zanders sei nach dem Brand alles getan worden, um den Weiterbetrieb der Sporthalle zu verhindern, klagt die Tochter. Die Verantwortlichen von damals fragen, geht nicht mehr. Der Betrieb hat seitdem mehrfach die Eigentümer gewechselt, im Mai endete die Firmengeschichte. „Alle reden immer nur gut von Zanders“, ärgert sie sich. „Aber das war nicht so.“ Was die Tochter in Rage bringt: Die damaligen Eigentümer hätten nach dem Brand den Pachtvertrag gekündigt und eine sechsstellige Abbruchgebühr gefordert.

Aber abgebrochen worden sei die Halle ja nie. Über Nacht habe ihr Vater vor dem Nichts gestanden. Kurze Zeit später sei er gestorben, er habe nie überwunden, was geschehen sei. Auch die Mutter sei aus Kummer schwer erkrankt und inzwischen verstorben. Der Bruder, ebenfalls schwer krank, benötige ihre Unterstützung. Anfangs sei Manfred Franke in der Stadt sogar als Verdächtiger geschnitten worden. Mit der Schulbau-Idee seien die Ereignisse wieder bei ihr hochgekommen.

„Große Turniere gab es hier“

Über 20 Jahre lang, bis zur Brandnacht, florierte der Squash-Sport in der Halle. Acht große Spielfelder gab es und eines mit Glas umfasst. „Große Turniere gab es hier“, erinnert sich die Tochter. Die ganze Gladbacher Sportwelt sei bei ihnen ein- und ausgegangen. „Nick, weil beim Spiel mit dem Schläger genickt wird“, erklärt sie den Namen. Kurz vor dem Brand sei der Ausbau zu einer Multifunktions-Sportarena beschlossen worden, mit vielen anderen Sportarten. Ein Investor habe unterstützen wollen. „Mein Bruder sollte die sportliche Leitung übernehmen, ich das Kaufmännische machen.“ Nur mühsam kann die Tochter weiterreden.

Die Briefe der Firma Zanders hat sie aufbewahrt. „Die Versicherung zahlte nur einen geringen Betrag. Meine Eltern mussten ihr Haus verkaufen und sich kleinsetzen.“ Da die Halle nicht bis auf die Grundmauern abgebrannt sei, habe die Versicherung auch nur einen Bruchteil der drei Millionen Mark hohen Schadensumme gezahlt. „Dass Zanders jetzt pleite ist, tut mir nicht leid“, sagt sie. Die Wunden sind längst nicht verheilt.

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