Wohnungsnot in Rhein-BergLandesinitiative „Endlich ein Zuhause“ präsentiert Maßnahmen

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Bauplätze sind Mangelware: Im Rheinisch-Bergischen Kreis fehlt es massiv an Wohnraum.

Bauplätze sind Mangelware: Im Rheinisch-Bergischen Kreis fehlt es massiv an Wohnraum.

Rhein-Berg – „Es ist eigentlich ein trauriger Anlass, dass ich hier stehe, denn es bedeutet, dass wir hier Wohnungsnot in erheblichem Maße haben“: Die Attraktivität des Kreises hat auch ihre Schattenseite, nämlich die besonders hohe Zahl von Verlieren auf dem Wohnungsmarkt. Um die kümmert sich seit langem Judith Becker, Leiterin des Netzwerks Wohnungsnot Rhein-Berg, und seit anderthalb Jahren tut sie das auch im Rahmen der Landesinitiative gegen Wohnungslosigkeit „Endlich ein Zuhause“ – und zwar mit großem Erfolg, über den sie im Sozialausschuss des Kreises berichtete.

2019 beschloss das Land ein besonderes Projekt für die 20 am stärksten von Wohnungsnot betroffenen Kreise und kreisfreien Städte. Becker: „Wir liegen da im Mittelfeld.“ Die Wohnungsnot sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und für Menschen, die nicht in der Mitte stünden, sondern aus finanziellen oder anderen Gründen am Rande, sei es „nahezu unmöglich geworden, Wohnraum neu zu finden“.

Mehrere Maßnahmen gestartet

Im Kreis haben Becker und ihr Netzwerk Wohnungsnot Rhein-Berg (Träger sind Caritas und Diakonisches Werk) mehrere Maßnahmen gestartet: So hat die 1993 ins Leben gerufene Fachberatungsstelle eine neue Außenstelle im Nordkreis bekommen. Zudem werde versucht, Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, mit neuem Wohnraum zu versorgen. Denn wer erst einmal in einer kommunalen Obdachlosenunterkunft gelandet sei, habe von sich aus „keine Chance mehr“, dort wieder herauszukommen. Die Adressen der Unterkünfte seien den Vermietern bekannt und die hätten ihren „Film im Kopf“, welche Probleme sie sich an Land zögen: „Die Leute haben keine Chance, wenn gleichzeitig Menschen aus der Mittelschicht Wohnraum suchen.“

35 Fälle, 81 Menschen

In neun Fällen konnten die Helfer die Wohnung für die Betroffenen erhalten, in 26 Fällen eine neue Wohnung anmieten. Diese insgesamt 35 Fälle betreffen 81 Menschen. In 14 der 35 Haushalte leben jeweils ein bis fünf Kinder. Im schriftlichen Bericht des Netzwerks Wohnungsnot heißt es dazu: „Bei diesen 14 Haushalten konnten somit für 30 minderjährige Kinder drohende Jugendhilfekosten, die vielfach eine Folge von Obdachlosigkeit sind, vermieden werden.“ (sb)

Drittens leiste die Stelle Präventionsarbeit. Wohnraumverlust solle vermieden werden, indem Ursachen wie etwa Mietschulden angegangen werden. Als viertes Projekt nannte Becker ein „Beratungsmobil“ – also aufsuchende Arbeit. „Das hat uns gerade in der Corona-Situation sehr geholfen.“ Das Beratungsmobil laufe seit März, es habe 590 Kontakte gegeben.

Im Präventionsprojekt seien binnen eines Jahres 45 Haushalte mit Wohnraum versorgt worden. Das habe 107 Menschen geholfen, darunter 46 Kinder und Jugendliche. „Das bedeutet, dass man diesen Kindern ein Zuhause erhalten konnte.“ Für Kinder bedeute Obdachlosigkeit ein besonderes Stigma und für die Jugendämter einen „Rattenschwanz von Themen“, wenn es etwa darum gehe, ob die Kinder in den Familien bleiben können.

Helfer gehen neue Wege

Aber auch für Erwachsene sei Wohnungslosigkeit existenziell bedrohlich: „Aus dem Auto heraus kann man nicht arbeiten.“ Gelinge es, Obdachlosigkeit zu vermeiden, so bedeute das für die Betroffenen sehr viel, aber auch für den Staat. Die Helfer gehen neue Wege: Nicht nur Sozialarbeiter sind im Team, sondern auch Immobilienfachkräfte, die die Spielregeln auf dem Markt viel besser kennen.

Aus dem Sozialausschuss erfuhr das mit drei Vollzeit-Stellen besetzte Projekt viel Lob. Es trage dazu bei, „Elend zu beenden oder zu verhindern und sollte daher verlängert werden“, sagte etwa der Grüne Jürgen Langenbucher. Ebenfalls positiv äußerten sich CDU, SPD, FDP, Freie Wähler und Linke.

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Das Helfer können das Lob gebrauchen, denn das Förderprogramm wurde um zwei Jahre verlängert. Das Land gibt 390 500 Euro, der Kreis muss 110 000 Euro Eigenanteil aufbringen. Das Geld (für 2021 54 300 Euro, für 2022 dann 54 800 Euro) ist im Etat eingeplant. Doch den muss noch der Kreistag beschließen.

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