Interview mit Susanne BoehnckeBergheim übernimmt Klimaschutzgrundlagen von Bürgerin

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Baustelle symbol

Unter anderem bei neubauten und Sanierungen von Altbauten soll Kerpen künftig nach dem Klimaschutzbeschluss vorgehen.

  • Der Stadtrat hat mit großer Mehrheit einen Grundsatzbeschluss zum Klimaschutz in der Kreisstadt gefasst
  • Der Rat folgt damit auf Antrag von CDU, SPD und Grünen weitgehend einem Forderungspapier der Bergheimerin Susanne Boehncke.
  • Wir haben die Kommunikationswissenschaftlerin nach ihren Motiven für den Klimaschutz und ihr Engagement grfragt.

Bergheim – Frau Boehncke, was hat Sie motiviert, der Stadt den Beschluss von Klimaschutzgrundlagen zu empfehlen?

Nach der Weltklimakonferenz in den 90er-Jahren habe ich auf die Entscheidungskraft der Politik vertraut. Das war, wie sich heute zeigt, falsch. 2018, nach dem Hitzesommer, habe ich angefangen nachzudenken, was zu tun ist. Mir wurde bewusst, dass die gesteckten Klimaziele nicht mehr erreicht werden können und wir das nicht mehr im Griff haben. Und ich will mir später nicht vorwerfen müssen, nichts versucht zu habe und ich sehe mich in der Verantwortung.

Susanne Boehncke

Susanne Boehncke

Sind Sie politisch oder in Organisationen eingebunden?

Alles zum Thema Klimawandel

Nein. Ich bin keine Aktivistin und keine Fachfrau. Ich will auch keine Greta von Bergheim sein. Ich habe viel zum Thema Klimaschutz und -wandel gelesen und mich in anderen Kommunen umgehört, bevor ich in meinem Papier die für mich besten Ansätze zusammengestellt habe. Immerhin haben schon 80 Kommunen den Klimanotstand erklärt, untere anderem Köln.

Zur Person

Susanne Boehncke (61) wurde in Münster geboren. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin und freiberufliche Resilienztrainerin (Krisenbewältigung durch psychische Widerstandsfähigkeit) lebt in der Innenstadt. Im Hauptberuf arbeitet sie bei der Arbeitsagentur als Arbeitsvermittlerin. Sie war sie bei den Kreisstadtdenkern aktiv und Initiatorin der Stromkastenkunst. (ftz)

Was wollen Sie erreichen?

Die Kommune muss ganz klare Vorgaben machen, etwa bei Altbausanierungen, bei Neubauten, bei Mobilität. Man kann ganz viel machen, wenn man das will. Auch Ernährung und Tierschutz sind wichtige Aspekte. Für die existenziellen Probleme haben wir noch nicht die richtigen Antworten. Der Staat muss eindeutig und sofort stärker steuern mit Gesetzen und Steuern, und bei den Menschen muss ein Umdenkungsprozess einsetzen. Das ist die große Herausforderung.

Bleiben Sie an dem Thema dran?

Ich will den Prozess in Bergheim öffentlichkeitswirksam begleiten. Dass die Politik nicht auch den Klimanotstand für die Stadt erklärt hat, ist schade. Ich hätte dem Rat etwas mehr Mut zugetraut. Die Politik ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir brauchen Impulsträger und bürgerliches Engagement. Das wird stark unterbewertet. Ich hoffe, dass ich einen Anstoß geben konnte, über den Tellerrand der eigenen Lebenszeit hinauszuschauen.

Darum beschloss der Stadtrat den  Bürgerantrag mit großer Mehrheit

Der Stadtrat hat mit großer Mehrheit einen Grundsatzbeschluss zum Klimaschutz in der Kreisstadt gefasst. Der Rat folgt damit auf Antrag von CDU, SPD und Grünen weitgehend einem Forderungspapier der Bergheimerin Susanne Boehncke. Nur die rechtspopulistische Fraktion „Für die Heimat“ stimmte dagegen.

Susanne Boehncke hatte im September den Beschluss gefordert. Bewehrt hatte sie ihr Ansinnen mit einer Skizzierung der weltweit dramatischen Klimaentwicklung und mit einem Maßnahmenkatalog. Übernommen hat die Bergheimer Politik die Forderung, dass die Eindämmung des Klimawandels „bei allen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten ist“ und „hohe Priorität“ habe.

Ein Klimaschutzmanager, der bereits im Rathaus seine Arbeit aufgenommen hat, soll die Umsetzung „durchgehend begleiten“, heißt es in der von der Verwaltung formulierten Beschlussvorlage. Nötige Personal- und Sachmittel seien laufend bereitzustellen. Zugleich stellt das Papier die Mittel unter den Vorbehalt „verfügbarer Ressourcen“, also vorhandenen Geldes und Personals.

Stadt will sich selbst versorgen

Mit den Stadtwerken soll der Einsatz regenerativer Energien ausgeweitet werden. Nicht übernommen aus Boehnckes Entwurf wurde die Ausrufung des Klimanotstands für Bergheim, den auch Achim Brauer (MdW! Die Linke) gefordert hatte. „Das Wort Klimanotstand hat für sich genommen keine Bedeutung. Auf die Inhalte kommt es an, und da ist die Erklärung etwas, womit man arbeiten kann“, sagte Johannes Hübner (CDU). „Warum habt ihr das nicht schon vorher gemacht“, zitierte Peter Hirseler (Grüne) aus einem Gespräch mit Boehncke. Eine Antwort dazu gab es nicht.

Dezernentin Claudia Schwan-Schmitz verwies nach der Ausschusssitzung darauf, dass die formulierten Grundlagen bereits seit Jahren in der Verwaltung beachtet würden. So gingen im nächsten Monat die Stadtwerke als Energielieferant an den Start mit dem Ziel, zusammen mit Bedburg und Elsdorf zum Selbstversorger zu werden. Neubauten würden genehmigt, wenn sie möglichst energiesparend seien, Vorgartenversiegelungen in Neubaugebieten weitgehend unterbunden, Windflächen bereits seit fünf Jahren definiert, und in Gewerbegebieten würden Interessenten bevorzugt, die auf Klimaschutz Wert legten.

Konzept für klimaneutrale Nutzung

„Klare Aussagen zu formulieren ist gut“, sagte Schwan-Schmitz über den Beschluss. Es sei leichter, Forderungen zu vertreten, die der Stadtrat beschlossen habe. Das Grundlagenpapier verstehe sie auch als „Appell an die Bürger“ und fordere ein Konzept für die klimaneutrale Nutzung städtischer Gebäude.

Dezernentin Schwan-Schmitz sieht die Schwerpunkte in den Handlungsfeldern Wohnen, Mobilität, Infrastruktur, Industrie, Energie, Bildung, Landwirtschaft und Ernährung. Die Beachtung der auch in Bergheim unabwendbaren Auswirkungen des Klimawandels solle zu den wichtigsten Aufgaben der Verwaltung zählen. Einmal im Jahr solle Bilanz gezogen werden, ob das auch gelinge.

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