PorträtReha-Betriebe Erftland: Das ist Ansgar Peters’ Arbeitsalltag

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Ansgar Peters steht vor einer Polarschneidemaschine.

Ansgar Peters bedient eine Polarschneidemaschine. Noch lieber war er an alten Maschinen für Offsetdruck tätig, aber die wurden ausrangiert.

Der 35-Jährige ist einer von 650 Menschen mit Handicap, die bei den Betrieben arbeiten. Doch das ist nicht seine einzige Arbeitsstelle.

Vor einer fast mannshohen, etwa zwei Meter breiten Maschine steht Ansgar Peters. Der 35-Jährige prüft die Position eines Teils, bedient ein Pedal, einen Knopf – fertig ist eine präzise Schnittkante. Heute war es ein Stück Teppich für ein Musterbuch, meist jedoch arbeitet Peters an der „Polarschneidemaschine“ mit Papier. „Die Vorlage wird geschnitten, danach müssen die Maße genau stimmen. Das gefällt mir. Ich möchte in einer Druckerei arbeiten, oder in einer Werkstatt alte Autos reparieren und restaurieren. Das ist mein Traum“, erzählt er.

Maschinen faszinieren Peters. Noch immer bedauert er, dass die großen Offset-Maschinen nicht mehr im Einsatz sind: „Ich erinnere mich noch, 2008 habe ich in der Druckerei angefangen. Als die im letzten Jahr geschlossen wurde und die ganzen Maschinen weg waren, war ich traurig.“ Nicht die ganze Druckerei sei geschlossen worden, sagt Michael Abels. Aber der Offset-Bereich, der nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Für Siebdruck und Tampondruck werden kleinere Maschinen genutzt. Für Peters ist das nicht das Gleiche.

Ansgar Peters ist Schlagzeuger und Autor

Abels und Peters arbeiten bei der Reha-Betriebe Erftland gGmbH. Hier gibt es auch eine Schreinerei, Garten- und Landschaftsbau, Metallverarbeitung, einen Bereich für PVC-Schweißtechnik, und es werden Dienstleistungen angeboten. Das kann das Konfektionieren von Packungseinheiten sein, das Kuvertieren und Etikettieren von Post oder vieles andere. Rund 650 Menschen mit Handicaps sind hier beschäftigt. Weitere 250 sind am Standort Brühl tätig. Zudem gibt es etwa 200 Mitarbeiter, die als pädagogische und/oder fachliche Leitung sowie in der Verwaltung die Abläufe koordinieren.

Zu ihnen gehören Michael Abels und Andrea Klinkenberg, die sich um den Bereich „BiAP“ kümmern – kurz für „Betriebsintegrierter Arbeitsplatz“. Einen solchen hat auch Ansgar Peters. Einen Tag in der Woche erledigt der 35-Jährige Büroarbeiten für einen kirchlichen Verband in der Kölner Südstadt. Zudem spielt er Schlagzeug in einer Band. Und er ist Autor. Peters schreibt für das Magazin „Ohrenkuss“. Das entstand 1998, um zu zeigen, dass Menschen mit Down-Syndrom lesen und schreiben können.

Ansgar Peters: „Bergheim ist für mich zu langweilig“

Wer in Köln-Sülz in Peters’ aufgeräumten WG-Zimmer sitzt, kommt gar nicht erst auf die Idee, dass jemand wie er nicht lesen könnte. Auf dem Couchtisch stapeln sich Bücher, teils dicke Wälzer, und viele Kataloge über Modellbahnen und Fachmagazinen über Oldtimer. „Ich lese viel. Es geht meistens um die Technik. Da gibt es spannende Sachen“, erzählt der 35-Jährige. „In Bergheim war überhaupt nichts los. Das war mir zu leer.“ Aus einem Aktenkorb fischt er einen „Ohrenkuss“ mit dem Titel „Ozean“. Er sichtet Seite um Seite, bis er seinen Text gefunden hat. „„Ohrenkuss“ ist meine Familie“, sagt er. Früher fuhr er zu den Redaktionstreffen nach Bonn, derzeit finden sie digital statt.

Jede Ausgabe widmet sich einem Thema. Mal geht es um Emotionales, wie Freundschaft, Geschwister oder Mütter. Andere Hefte haben Lifestyle-Charakter, heißen „Wohnen 2.0“ oder auch „Wer bin ich, wer bin ich nicht?“ „Wir reden viel über ein Thema. Ozean hat mich interessiert. Ich finde es echt unglaublich, dass die Natur so groß ist. Freundschaft fand ich auch ein gutes Thema. Ich möchte noch viele Freunde kennenlernen“, sagt Peters. Aufgewachsen ist Peters in Bergheim, aber dort wollte er nicht bleiben: „In Bergheim war überhaupt nichts los. Das hat mich traurig gemacht. Es war mir zu leer. Die Bahn fährt sonntags einmal in der Stunde, der Bus alle zwei Stunden – das ist nicht meine Welt. Das ist für mich zu langweilig.“

Jetzt zentraler zu leben, genießt er sehr: „Hier habe ich alles in der Nähe. Ein Beispiel: Wenn ich sage: „Ich kaufe mir ein Heft“, dann gehe ich zum Kiosk. Wenn ich shoppen möchte, nehme ich die 18 bis zum Neumarkt und bin in elf Minuten da.“ Nicht jede Strecke ist so einfach zu bewältigen – und das ist ein Grund dafür, dass Michael Abels und Andrea Klinkenberg einige Menschen aus den Reha-Betrieben nicht zu Arbeitgebern in der freien Wirtschaft vermitteln können, auch wenn auf beiden Seiten Interesse bestehe: „Wenn die bestmögliche Verbindung mit zwei, drei Umstiegen anderthalb Stunden dauert, dann ist das unseren Beschäftigten nicht zuzumuten, da nützt auch das billigste Ticket nicht“, sagt Abels. Auch Ansgar Peters braucht für den Weg in die Werkstatt in Bergheim-Zieverich einen Fahrdienst, aber das nimmt er in Kauf: „Ich möchte gerne in Köln alt werden, es ist meine Lieblingsstadt.“

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