Rhein-ErftKann ich es verantworten, meine Eltern im Seniorenheim zu besuchen?

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Im Gespräch: Peter Altmayer, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands Rhein-Erft, mit den Pflegefachkräften Bettina Stockey (Mitte) und Damlar Sancar im Seniorenzentrum St. Ulrich in Kerpen-Sindorf.

Im Gespräch: Peter Altmayer, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands Rhein-Erft, mit den Pflegefachkräften Bettina Stockey (Mitte) und Damlar Sancar im Seniorenzentrum St. Ulrich in Kerpen-Sindorf.

  • Besonders ältere Menschen in den Pflegeheimen sind vom zweiten Lockdown betroffen.
  • Wir haben mit Peter Altmayer, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands Rhein-Erft, gesprochen. Er spricht über die Vorbereitungen auf Weihnachten in den Seniorenzentren.
  • Und er erklärt, ob und für wen es in Ordnung ist, Angehörige über Weihnachten im Pflegeheim zu besuchen.

Rhein-Erft-Kreis – Die Adventszeit fällt mitten in den zweiten Lockdown, und auch auf das Weihnachtsfest werden die Corona-Auflagen Auswirkungen haben. Besonders betroffen sind ältere Menschen in den Pflegeheimen, die einerseits zur Risikogruppe zählen, andererseits sehr unter den Kontaktbeschränkungen leiden. Wie der Caritasverband als größter Betreiber von Seniorenzentren im Rhein-Erft-Kreis damit umgeht, dazu befragte Andreas Engels den Vorstandsvorsitzenden Peter Altmayer.

Wenn Sie die Situation heute mit der im Frühjahr vergleichen – was ist anders?

Vor allem ist es die Erfahrung, die wir im Frühjahr im Umgang mit Corona sammeln konnten. Wir sind heute viel besser vorbereitet. Bessere Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus, angepasste Hygiene- und Betreuungskonzepte und die Schnelltests, das ist jetzt alles vorhanden.

Ältere Menschen sind in der Corona-Pandemie besonders gefährdet. Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um die Bewohner zu schützen?

Es gibt sehr viele Maßnahmen. Wichtig sind zum Beispiel die regelmäßigen Testungen des Pflegepersonals. Es gehören Screenings von Besuchern mit Fiebermessen und dem Beantworten von Fragen zu Erkältungssymptomen oder Kontakt zu Infizierten dazu. Außerdem haben wir unsere Betreuungskonzepte stärker auf Einzel- und Kleingruppenbetreuung ausgerichtet. Ein Beispiel sind die Mahlzeiten: Früher haben die meisten Bewohner gemeinsam im Hausrestaurant gegessen, heute nehmen viele der Senioren ihre Mahlzeiten in den kleinen Wohngruppen oder auf ihren Zimmern zu sich.

Gibt es wieder Besuchsverbote, oder rechnen Sie damit, dass wieder welche verhängt werden müssen?

Es gibt derzeit keine Besuchsverbote in unseren Seniorenzentren. Verbote können auch nur durch das Gesundheitsamt ausgesprochen werden, falls die Infektionslage es notwendig macht. Wir tun aber alles erdenklich Mögliche, um gar nicht erst in so eine Situation zu kommen – zum Schutz unserer Bewohner, aber auch für unsere Mitarbeitenden.

Beobachten Sie, dass weniger Besucher in die Seniorenzentren kommen, vielleicht, um ihre Angehörigen nicht in die Gefahr einer Ansteckung zu bringen?

Dazu haben wir keine Zahlen. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass die Besuchsfrequenz etwas nachgelassen hat. Viele Angehörige handeln sehr verantwortungsvoll. Wir gehen davon aus, dass oft – auch bei kleinen Erkältungsbeschwerden – auf Besuche verzichtet wird.

Kann man es denn verantworten, seine Eltern im Seniorenzentrum zu besuchen?

Jeder sollte sein eigenes Handeln reflektieren. Jemand, der im Homeoffice arbeitet, hat sicher ein geringeres Infektionsrisiko als jemand mit beruflich vielen Kontakten. Das sollte jeder für sich selbst einschätzen. Wir appellieren an die Vernunft jedes Einzelnen, sich und seine Angehörigen zu schützen. Bei Erkältungssymptomen – keine Besuche. Beim Besuch auf Hygiene- und Abstandsregeln achten. Aber genau das beherzigen die allermeisten Angehörigen.

Können Schnelltests die Situation verbessern?

Die Schnelltests geben Auskunft, ob jemand aktuell mit dem Coronavirus infiziert ist. Wir können damit gezielter, schneller handeln und Infektionsketten möglichst früh unterbrechen. Das ist auf jeden Fall eine Verbesserung zur Situation im Frühjahr.

Neun Seniorenzentren im Rhein-Erft-Kreis

Peter Altmayer ist Vorsitzender des Vorstands des Caritasverbands Rhein-Erft. In sein Vorstandsressort fallen die Fachbereiche Stationäre Pflege und zentrale Dienste. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur ist verheiratet und hat vier Kinder.

Der Caritasverband Rhein-Erft ist Träger von 70 Einrichtungen rund um ambulante und stationäre Pflege, Familien-, Kinder- und Jugendhilfe sowie Beratung. Die Caritas betreibt im Kreis neun Seniorenzentren mit mehr als 800 Bewohnern. (aen)

Manche fordern, die Pandemie zu bekämpfen, indem besonders gefährdete Gruppen isoliert werden und für alle anderen die Beschränkungen gelockert werden. Ist das aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg?

Nein. Wir haben im Frühjahr gesehen, was eine Abschottung für unsere Bewohner bedeutet. Fehlende soziale Kontakte mit der Familie waren für viele eine große Belastung. Bei allem Verständnis für den Infektionsschutz dürfen wir auch die seelische Gesundheit unserer Bewohner nicht vergessen.

Weihnachten rücken die Familien zusammen. Fallen die Kontaktbeschränkungen den Bewohnern in der Adventszeit besonders schwer?

Unsere Bewohner dürfen ja weiterhin Besuch empfangen – wenn auch unter Auflagen. Es gibt zum Beispiel feste Besuchszeiten in den Häusern und eine Höchstzahl an Besuchen pro Tag. Wenn die Angehörigen sich absprechen, sind Besuche ohne Probleme möglich. Außerdem bemühen sich unsere Mitarbeitenden, die Advents- und Weihnachtszeit für alle Senioren besonders stimmungsvoll zu gestalten. Die Seniorenzentren werden festlich geschmückt. Zu den Feiertagen stehen besondere Menüs auf der Speisekarte.

Welche Rolle kann digitale Technik spielen, etwa Videotelefonie über Tablets oder Smartphones?

In einigen Einrichtungen haben unsere Bewohner während des Lockdowns im Frühjahr über Tablets Kontakt mit ihren Lieben gehalten. Das hat gut funktioniert, auch wenn es die persönliche Begegnung nicht ersetzen kann. Käme es tatsächlich zu einem Besuchsstopp in einer Einrichtung, könnten digitale Wege eine Möglichkeit sein, mit seinen Angehörigen in Kontakt zu bleiben.

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Wie wirken sich die Corona-Auflagen denn innerhalb der Seniorenzentren aus? Müssen die Bewohner auf Advents- oder Weihnachtsfeiern in größeren Gruppen verzichten?

Es werden auch in diesem Jahr die Adventszeit und Weihnachten gefeiert. Allerdings im wesentlich kleineren Rahmen, mit entsprechenden Abständen und Hygienemaßnahmen und Schutzvorkehrungen.

Auch das Pflegepersonal wird in der Corona-Pandemie besonders belastet. Wie hat der Caritasverband darauf reagiert? Was wurde für das Personal getan?

Zunächst gilt: Alle Schutzmaßnahmen für die Bewohner schützen auch unser Pflegepersonal. Das sind ja zwei Seiten einer Medaille. Wir versuchen aber auch, unsere Wertschätzung für das Geleistete in vielen kleinen Gesten auszudrücken. Es gibt Dankesbotschaften oder schon einmal Pizza oder Kuchen bei der Dienstbesprechung. Außerdem haben wir von Beginn an für eine gute Versorgung mit Schutzausrüstung und Transparenz bei Entscheidungen gesorgt. Die Mitarbeitervertretung ist integraler Bestandteil unseres Krisenstabs.

Gab es viele Corona-Fälle in den Pflegeheimen?

Seit Beginn der Pandemie hatten wir ein paar wenige positive Fälle in unseren neun Caritas-Seniorenzentren. Aus unserer Sicht sind wir bisher gut durch diese schwierige Phase gekommen und wir werden in unseren Anstrengungen auch nicht nachlassen, dass das so bleibt.

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