Hürther Bürgermeister„Köln vermittelt uns das Gefühl, als seien wir sein Hinterhof“

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Dirk Breuer möchte weitere Gewerbegebiete für Hürth ausweisen – „denn von den Gewerbesteuern leben wir“.

Dirk Breuer möchte weitere Gewerbegebiete für Hürth ausweisen – „denn von den Gewerbesteuern leben wir“.

Hürth – In unserer neuen zehnteiligen Serie sagen uns die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, warum ihre Stadt die schönste im Rhein-Erft-Kreis ist, warum sich ein Besuch ihrer Lieblingsplätze lohnt, ob die Nähe zu Köln Fluch oder Segen ist, und was sie an ihrer Stadt ärgert.

Wie würden Sie jemandem Hürth beschreiben, der noch nie hier war?

Breuer: Hürth zeichnet sich durch die Vielfalt seiner Orte aus. Insgesamt sind es ja zwölf. Darunter sind einige, die noch sehr ländlich geprägt sind, andere sind urban geprägt, und in wieder anderen sieht man das industriegeschichtliche Erbe. Alle haben ihren eigenen Charme und ihren eigenen Charakter. Was Hürth außerdem ausmacht ist ein großes Angebot an Arbeitsplätzen und eine große Wirtschaftskraft – allein im Chemiepark haben wir über 3000 Beschäftigte. Zudem entwickeln wir neue Gewerbeparks, und die Nachfrage zeigt uns, dass Hürth ein attraktiver Gewerbestandort ist. Nicht zu vergessen der Hürth-Park als Einkaufszentrum, das weit über unsere Stadtgrenzen ausstrahlt. Auf ihre Kosten kommen aber auch Naturliebhaber: Hürth liegt ja mitten im Naturpark Rheinland, und mit der Ville besitzen wir einen wichtigen Grünzug; am Otto-Maigler-See trifft man im Sommer sogar viele Kölner an.

Warum ist Hürth die schönste Stadt im Kreis?

Hürth ist keine klassische Schönheit, wenn man das aus architektonischer Sicht bewertet. Wobei sich Schönheit ja über verschiedene Faktoren definiert. Wenn ich es auf die Landschaftsräume, auf die Seen, Felder und Wälder beziehe, trifft der Begriff der Schönheit schon eher zu. Aber was eine Stadt ja ausmacht, das sind die Menschen: Ich erlebe die Hürther als engagiert und warmherzig, aber auch als direkt und hilfsbereit. Ich sage ja immer: Hürth ist das Herz des Rheinlands – und wir Hürther sorgen dafür, dass dieses Herz kräftig schlägt.

Was ist Ihr Lieblingsort in Hürth?

Das ist gar nicht so einfach, da einen rauszupicken. Aber da ich ja begeisterter Bergsteiger bin, wandere ich gerne den Römerkanal-Wanderweg entlang. Zu empfehlen ist auch der Gotteshülfe-Teich. Es ist sehr idyllisch dort und nicht so stark frequentiert. Wenn Sie mich nach einem Gebäude fragen: Ich halte mich gerne im Feierabendhaus in Knapsack auf. Damit verbinde ich viel Persönliches: Mein Großvater, mein Vater und mein Onkel waren im Chemiepark beschäftigt, außerdem ist es die gute Stube von Hürth.

Gut zu Fuß: Den 44-Jährigen kann man auf dem Römerkanal-Wanderweg antreffen.

Gut zu Fuß: Den 44-Jährigen kann man auf dem Römerkanal-Wanderweg antreffen.

Und welcher ist ihr Lieblingsort im Kreis?

Für mich hat die Abtei Brauweiler eine besondere Bedeutung. Zum einen setzt sie ja als Ensemble Maßstäbe weit über Pulheim hinaus, zum anderen haben meine Frau und ich dort unsere Hochzeit gefeiert. Das schafft eine besondere Verbundenheit.

Sind die Lage und die Nähe zu Köln mehr Fluch oder Segen?

Viele Dinge, die am Stadtrand von Köln passieren, vermitteln uns mitunter das Gefühl, als seien wir deren Hinterhof, wo man einfach alles ansiedeln kann, was man in der Stadt nicht haben möchte: am Eifeltor ist der Straßenstrich, wo Menschen an einer Einfallstraße nach Hürth unter unwürdigen Bedingungen ihrem Gewerbe nachgehen. Das gleiche ist mit dem Kölnberg in Meschenich – das strahlt auch auf unsere Kriminalitätsrate negativ ab. Auch da würde ich mir mehr Handeln vonseiten der Stadt Köln wünschen. Und zu guter Letzt ist Köln kein angenehmer Verhandlungspartner, wenn es um Grundstücke geht, die ihr gehören, aber auf unserem Stadtgebiet liegen. In Köln betrachtet man die Dinge aus seiner eigenen Blase, ohne auf die Auswirkungen aufs Umland zu achten. Aber es gibt auch Positives: Die Nähe wirkt sich immens auf unseren Wirtschaftsstandort aus, und die Hürther profitieren von dem vielfältigen Angebot einer solchen Großstadt, sei es zum Einkaufen oder um Kultur oder Freizeit zu erleben.

Zur Person

Geboren: 10. August 1977 in Hürth

Privat: verheiratet, drei Kinder.

Beruflicher Werdegang: Diplom-Verwaltungswissenschaftler, Büroleiter des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Willi Zylajew, Geschäftsführer der CDU-Kreistagsfraktion, Stadtkämmerei Stadt Bonn.

Politik: Seit 1996 in der CDU, 2009 erstes Ratsmandat, seit 2015 Bürgermeister in Hürth.

Was tun Sie gegen galoppierende Grundstückspreise?

Wir streben eine gute Mischung an, damit für alle Geldbeutel etwas dabei ist. Um preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, ist es wichtig, den Bestand an sozial geförderten Wohnungen zu erhalten. Dafür haben wir ein Konzept aufgelegt, wo ortsscharf geschaut wird, was zu tun ist. Da sind wir mit der GWG Rhein-Erft sehr gut aufgestellt. Davon unabhängig kaufen wir auch Häuser auf, um Preissteigerungen für die Mieter und einen Gentrifizierungsprozess zu verhindern. Bei alldem habe ich als Christdemokrat auch einen sozialdemokratischen Ansatz: Die Menschen müssen sich die Miete noch leisten können. Da sind auch die Arbeitgeber gefragt, die ihren Beschäftigten so auskömmliche Löhne zahlen müssen, damit sie ihre Miete bezahlen können. Daher halte ich den Anspruch mancher Firmen für vermessen, dass allein wir als Stadt da noch mehr tun müssen.

Was ist die größte Herausforderung für Hürth und den Rhein-Erft-Kreis in den nächsten zehn Jahren?

Zwei Punkte sind von Bedeutung. Zum einen die Verkehrsentwicklung in der Region – schon jetzt packen unsere Straßen das Aufkommen kaum. Daher tun wir viel, um unsere Radwege zu verbessern. Außerdem haben wir das am besten ausgebaute ÖPNV-System im gesamten Kreis. Zudem wollen wir die Stadtbahn auch ins Hürther Zentrum zeitnah auf die Schiene bringen. Ein weiterer Punkt sind die Flächen fürs Gewerbe. Der neue Regionalplan sollte es uns ermöglichen, weitere Bereiche dafür auszuweisen. Darauf sind wir angewiesen, denn Hürth lebt von der Gewerbesteuer. Und dann ist es wichtig, dass die Versorgungssicherheit trotz des Kohleausstieges gewährleistet wird, denn davon hängt die Produktionssicherheit der energieintensiven Industrien ab.

Was fehlt in Hürth– was wünschen Sie sich?

Ich würde mir mehr kommunalen Handlungsspielraum wünschen. Außerdem wäre es schön, wenn sich die Menschen, die nach Hürth ziehen, mehr ins gesellschaftliche Leben einbringen und sich engagieren.

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Was ärgert Sie in/an Hürth?

Es ärgert mich außerordentlich, wenn Menschen, die aus der Großstadt zu uns kommen, feststellen, dass es in unseren Orten traditionelle Feste und Veranstaltungen gibt, oder dass es gegenüber eine Kneipe gibt, und sie sich darüber aufregen oder sogar klagen. Das tötet örtliches Leben.

Was möchten Sie in dieser Amtszeit für die Stadt noch erreichen?

Ich freue mich, wenn die Neubau- und Sanierungsmaßnahmen am Ernst-Mach-Gymnasium abgeschlossen werden und das Schulhof-Erneuerungsprogramm zu einem guten Ende gelangt sowie die Erweiterung der Friedrich-Ebert-Realschule und der Martinus-Grundschule in Fischenich in Angriff genommen wird. Außerdem freue ich mich auf den ersten Spatenstich für die Lebensader Lux und den Fitness- und Bewegungspark rund um das Hürther Stadion.

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