ProzessauftaktBonner Jugendbande soll Homosexuelle gezielt in Falle gelockt haben

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Das Landgericht in Bonn 

Bonn – „Ich kann gar nicht glauben, zu was ich in der Lage bin“, bemerkte ein 18-jähriger Angeklagter am Freitag in seinem Geständnis vor dem Bonner Jugendschwurgericht. „Es ist einfach schrecklich“, kommentierte er den „vielen Scheiß“, den er gebaut habe.

Unter anderem hatte er in der Bonner Altstadt mit einem Teleskopschlagstock auf einen 24-Jährigen eingeschlagen, voller Wucht und herzlos. Der Angeklagte konnte schwer nur die Gewalttat bestreiten, denn die Mitglieder einer Bonner Jugendgang hatten ihre Überschreitungen teilweise auch gefilmt.

Attacken in Bonner Altstadt: Ein Fall endete fast tödlich

Aber die Misshandlung mit dem Schlagstock in der Nacht auf den 19. Dezember 2021 war nur eine vielen gewalttätigen Ausschreitungen, für die sich drei Mitglieder einer Bonner Jugendgang jetzt verantworten müssen. Monatelang waren sie laut Anklage in Mannschaftsstärke betrunken und randalierend durch die Altstadt gezogen, hatten grundlos nach Streit gesucht, provoziert und brutal angegriffen – bis ein Fall fast tödlich endete.

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Vor dem Landgericht hat am Freitag der Prozess gegen drei Angeklagte (18 und 19 Jahre alt) begonnen, die sich wegen schweren Raubes in sechs Fällen und gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen verantworten müssen. Dem ältesten Angeklagten wirft die Staatsanwältin zudem versuchten Totschlag vor.

Am 22. Januar 2022 – so der gravierendste Anklagepunkt – war ein 23-Jähriger, mit dem die Gang in Streit geraten war, von insgesamt sieben Personen brutal zusammengeschlagen worden; während Passanten sich bereits um den Verletzten kümmerten, soll der 19-Jährige erneut erschienen sein und drei Mal ein Messer in die Flanke des am Boden Liegenden gestochen haben.

Bonner Jugendgang soll gezielt Homosexuelle ins Visier genommen haben

Der Verletzte musste von Rettungskräften noch am Tatort künstlich beatmet werden. Nach dem Vorfall wurden alle drei jetzt Angeklagten festgenommen, bis heute sind sie in Untersuchungshaft.

Ursprünglich war das Trio wegen Raubüberfällen angeklagt gewesen, bei denen sie die Opfer über eine Dating-Plattform für Homosexuelle gesucht und gezielt in die Falle gelockt haben sollen. Zum Raubopfer wurde ein 42-jähriger Kölner, der mit einem Mietwagen zum Treff erschien; er soll mit einem Messer bedroht und einer Holzstange auf den Kopf geschlagen worden sein, ihm gelang es noch im Auto zu flüchten.

Bei einem zweiten Angriff im August 2020 am Sportpark Nord erging es einem 44-Jährigen besonders übel: Der Überfallene soll derart mit einem Gegenstand geschlagen worden sein, dass er bewusstlos zu Boden ging.

Die Täter nahmen ihm laut Anklage Handy und Geld ab und ließen ihn schwer verletzt liegen, erst am nächsten Morgen wurde er von Spaziergängern gefunden. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und ist seitdem ein Pflegefall.

Opfer-Anwältin ist sicher, dass „Schwulen-Hass“ eine zentrale Rolle spielte

Er sei wieder zu seiner Mutter gezogen, unfähig, sein Leben alleine zu führen, wie Dagmar Schorn, Vertreterin der Nebenklage, am Rande des Prozesses erzählte.

„Ich habe gedacht, dass die Zeit, als Schwule verfolgt wurden, vorbei ist“, hatte der 44-Jährige in einem Fernsehinterview erklärt. Der Verdacht, dass die Angeklagten gezielt Jagd auf Homosexuelle gemacht haben, schwingt auch in den Nachfragen des Kammervorsitzenden Volker Kunkel mit.

Der 18-Jährige jedoch hat entschieden bestritten, dass sie gezielt Opfer auf einer Plattform für Homosexuelle gesucht hätten. „Das ist Zufall gewesen“, so der Angeklagte, „wir hätten auch jeden anderen nehmen können“.

Rechtsanwältin Schorn jedoch ist sich sicher, dass „Schwulen-Hass“ hier ganz klar eine Rolle spielte. „Sie haben ihre miesen Raubüberfälle damit rechtfertigt, dass es nur Schwule, also Menschen zweiter Klasse, sind.“

Der Prozess wird fortgesetzt. 

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