„Das war Folter“Zwei Männer wegen Mordes in Lohmarer Unterkunft angeklagt

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Landgericht_Bonn (2)

Der Eingang des Langerichtes in Bonn

Bonn/Lohmar – Als der Polizeibeamte am 15. Juli 2020 in der Asylunterkunft Lohmar das Zimmer eines Bewohners im ersten Obergeschoss öffnete, sah er Schreckliches: „Alles, Möbel, Wände, Klamotten, einfach alles war rot, das Zimmer schwamm regelrecht in Blut, und mittendrin am Boden lag leblos ein Mann, an einem Handgelenk noch gefesselt war. Das hatte was von einem Horrorfilm“, beschrieb es der 33-jährige Beamte am Montag als Zeuge vor dem Bonner Schwurgericht. „Ein alltäglicher Einsatz war das jedenfalls nicht“. Da der Polizist der Wache Siegburg glaubte, noch einen Puls bei dem schwer Verletzten zu fühlen, versuchte er ihn zu reanimieren. Aber der 45-jährige Nordafrikaner war bereits tot.

Zwei Geflüchtete stehen in Bonn vor Gericht

Wegen des grausamen Todes in der Zentralen Unterbringung müssen sich seit Montag zwei Flüchtlinge aus Marokko verantworten. Den beiden Männern, 28 und 29 Jahre alt, wirft die Staatsanwältin unter anderem Mord aus Habgier, Grausamkeit sowie zur Ermöglichung einer Straftat, nämlich einen schweren Raub, vor: Sie sollen den 45-Jährigen über mehrere Stunden gefesselt und gefoltert haben.

Obwohl der Mann im Sterben lag, sollen sie ihn zurückgelassen haben, er soll langsam und qualvoll verblutet sein. Bei der Obduktion wurden später allein knapp 200 Hautverletzungen auf dem ganzen Körper festgestellt. „Das war Folter“, hatte der Polizeibeamte geantwortet, als einer der Verteidiger wissen wollte, was er für einen ersten Eindruck am Tatort hatte. „Da ist jemand systematisch drangsaliert und fertig gemacht worden.“

Angeklagte verbrachten Nächte mit Drogen und Alkohol

An die blutige Nacht können sich die beiden Angeklagten nach eigener Aussage jedoch nicht erinnern: Zwei Tage lang, so erzählt es der Ältere, hätten sie im Zimmer des späteren Opfers verbracht. Gemeinsam hätten sie gegessen, Whisky und Wodka getrunken und auch verschiedene Drogen – Haschisch, Kokain, auch Benzodiazepine und K.O.-Tropfen – zu sich genommen.

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Am frühen Morgen des Tattages gegen 4 Uhr sei die Situation eskaliert: Der 45-Jährige sei ausgerastet, nachdem er entdeckt habe, dass der jüngere Marokkaner ihm 150 Euro und auch zehn Gramm Haschisch geklaut habe. Er sei mit einem Messer angegriffen worden, schilderte der 28-Jährige. Er erinnere sich noch, dass er den Angreifer in Notwehr in die Hand gebissen habe, damit er das Messer fallen lasse. Das sei auch gelungen. Damit ende seine Erinnerung.

„Wer soll das denn alles gemacht haben?“, insistierte der Kammervorsitzende nicht ohne Ironie, nachdem 42 Fotos vom Tatort auf die Leinwand projiziert worden waren, auf denen zu erkennen war, dass das Gesicht des Opfers entstellt und seine Beine gebrochen waren. „Die Putzfrau oder andere Mächte? Oder der Tote selber?“

Angeklagte beharren auf Position

Aber die Angeklagten blieben dabei, sich nicht erinnern zu können: „Nach den ganzen Drogen, die wir alle drei genommen haben“, so der 29-Jährige entschuldigend, „waren wir nicht hundert Prozent bei Bewusstsein.“

Der 33-jährige Polizeibeamte, der als Zeuge aussagte, kannte das Opfer von früheren Einsätzen: „Vier, fünf Mal waren wir in den Monaten zuvor in das Heim gerufen worden, weil der 45-Jährige ausgerastet war.“ Da der Mann durch nichts zu beruhigen gewesen sei, hätten sie ihn jedes Mal in Gewahrsam nehmen müssen. So war es offenbar für die Nachbarn in der Lohmarer Unterkunft nichts Ungewöhnliches, als sie aus dem Zimmer des Mannes Schreie, Schläge, Hämmern und das Splittern von Glas hörten.  

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