LieferengpässeApotheker im Rhein-Sieg-Kreis erleben beispiellosen Medikamenten-Mangel

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Eine Mutter pflegt ihr krankes Kind.

Das Kind ist krank, die Apotheke hat aber die Fiebermittel nicht vorrätig – diese Situationen häufen sich derzeit im Rhein-Sieg-Kreis. (Symbolbild)

Eine Infektionswelle trifft derzeit zahlreiche Menschen im Rhein-Sieg-Kreis – gleichzeitig gibt es massive Lieferengpässe bei Präparaten für kleine Kinder. Apotheker rüsten sich für eigene Herstellung von Medikamenten.

Die Infektionswelle rollt über den Rhein-Sieg-Kreis mit voller Wucht hinweg. Ärzte und ihre Teams ächzen nach den harten Corona-Jahren unter dem neuerlichen Ansturm. Zu langen Schlangen in den Wartezimmern und Absagen ambulanter Operationen in der Kinderklinik Sankt Augustin kommt ein weiteres Problem: Es fehlen Medikamente.

„So etwas habe ich in den 30 Jahren meiner Tätigkeit als Apotheker noch nie erlebt“, berichtet Florian Wehrenpfennig von der Rathausapotheke im Huma-Einkaufszentrum. Durch die Nähe zur Kinderklinik mit ihrer Notfallambulanz kommen derzeit rund 100 Eltern täglich zu ihm, die Säfte und Zäpfchen gegen Fieber und Schmerzen für ihre Kinder brauchen.

Apotheke aus Eitorf fehlen vor allem Präparate für kleine Kinder

„Nicht immer konnten wir das geben, was auf dem Rezept stand“, berichtet Wehrenpfennig, der auch Vorstandsmitglied vom Verband innovativer Apotheken (via) ist. Als Notlösung könne auch mal ein Zäpfchen gegeben werden, wenn kein Saft vorhanden sei. Obwohl die Apotheke fünf Lieferanten für Medikamente habe, sei es schon in Ausnahmefällen vorgekommen, dass Kunden nicht sofort habe geholfen werden können.

Apotheker Florian Wehrenpfennig (58) aus der Rathaus-Apotheke im Huma in Sankt Augustin steht vor einem Regal mit Medikamenten.

Apotheker Florian Wehrenpfennig (58) aus Sankt Augustin sagt, er habe einen solchen Mangel in 30 Jahren nicht erlebt.

„So einen großen Mangel an Medikamenten hatten wir in den vergangenen Jahren noch nie“, sagt Jill Crombach, Filialleiterin der Markt-Apotheke in Eitorf. Besonders Präparate für kleine Kinder fehlen: Fiebersäfte mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen, auch die entsprechenden Zäpfchen seien innerhalb von ein paar Stunden ausverkauft.

„Es gibt dafür keine wirklichen Alternativen“, sagt Crombach, denn erst ab einem gewissen Alter könne man Kindern auch Tabletten geben. „Das Schlucken ist für kleinere Kinder oft schon ein Problem. Es gibt zwar auch Schmelztabletten, die sind aber immer schnell vergriffen. Man ist wirklich aufgeschmissen.“

Apotheken in Rhein-Sieg bereiten sich auf eigene Herstellung von Medikamenten vor

Auch bei Blutdrucksenkern gebe es einen Engpass, aber einen größeren Spielraum was Packungsgrößen und Dosierungen angehe. Ebenfalls seien antibiotische Säfte auf Rezept nicht immer vorrätig, für ein alternatives Präparat müsse die Apotheke   mit dem Arzt telefonieren, um dafür ein neues Rezept zu bekommen. „Das ist sehr aufwändig, und vor allem ist eine schnelle Versorgung zur Zeit nicht gegeben. Die Kinder tun einem dann schon sehr leid.“

Inzwischen stellen die Crombachs, die in Eitorf drei Apotheken führen, in einer Filiale den Ibusaft selbst her. „Das ist aber sehr teuer“, sagt Crombach. Vom Werk koste ein Saft unter fünf Euro, aus eigener Herstellung 20 Euro. „Das geben wir so nicht ab, es sei denn, es ist vom Arzt so verschrieben. Dann bezahlt es auch die Krankenkasse.“

Kindersäfte, Paracetamol, Ibuprofen, Zäpfchen – gerade bei diesen Präparaten gebe es derzeit deutlich eingeschränkte Verfügbarkeiten, bestätigt Ulrike Jüngel-Sandner, Sprecherin der Apothekenkammer Nordrhein im rechtsrheinischen Kreisgebiet. Lieferschwierigkeiten seien kein neues Problem, durch die aktuelle Erkältungswelle sei die Lage aber „gerade eskaliert“.

Medikamenten-Mangel: Apotheker fordern Reaktion der Politik

Alle Apotheken würden sich zur Zeit darum bemühen, Restbestände zu bekommen. „Wenn es eng wird, fragen wir auch mal Kollegen im Kreisgebiet an“, berichtet die Apothekerin aus Sankt Augustin.

Unklar sei derzeit, wie es weiter geht. Die Arzneimittel-Hersteller hielten sich mit Prognosen zur Verfügbarkeit von Mangel-Medikamenten zurück. „Diese Situation ist für uns alle nicht schön“, sagt die Apothekerin.

Klar sei aber auch: „Wir finden gemeinsam mit den Patienten und den Hausärzten eine Lösung.“ Deshalb sei ihre Apotheke – wie auch viele andere im Kreis – startklar für die eigene Herstellung von Medikamenten. „Wir haben es mit einem Engpass zu tun, können aber weiterhin versorgen – das wird aber sehr aufwendig für die Apotheken.“ Reaktionen fordert Jüngel-Sandner von Seiten der Politik: „Es muss etwas passieren.“

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