Prozess22-Jähriger muss nach Verfolgungsjagd durch Niederkassel und Troisdorf in Haft

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Der Eingang des Amtsgerichts in Siegburg

Am Amtsgericht in Siegburg musste sich ein 22-Jähriger nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei verantworten. (Symbolbild)

Im November 2020 raste ein junger Mann durch Niederkassel und Troisdorf der Polizei davon. Jetzt wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt.

Mit einem altersschwachen VW Polo raste ein 22-Jähriger der Polizei davon: durch enge Straßen, über Bürgersteige, auf der Gegenfahrbahn, auf Feldwegen und über Stock und Stein. Das Amtsgericht verurteilte den Wiederholungstäter zu zwei Jahren und vier Monaten Haft. „Es ist pures Glück, dass da niemand zu Schaden gekommen ist“, sagte Richter Hauke Rudat. „Sonst säßen Sie vor dem Schwurgericht.“

Die Verfolgungsjagd dauerte mehr als eine halbe Stunde, das belegen Videoaufnahmen der Kamera im Streifenwagen. Immer wieder wurden im Prozess Sequenzen abgespult: Entgegenkommende Fahrzeuge stoppten abrupt und wichen in letzter Sekunde aus, eine Hundehalterin brachte sich und ihr Tier auf dem Grünstreifen in Sicherheit. Jogger waren unterwegs und Radfahrer.

22-Jähriger flüchtete vor Polizeikontrolle in Niederkassel

Zum Glück seien diese durch Blaulicht und Martinshorn auf die Gefahr aufmerksam geworden, sagte die Staatsanwältin, die zwei Jahre und drei Monate Haft gefordert hatte. Der Anlass der Straftat war vergleichsweise nichtig: Der Angeklagte, der noch nie einen Führerschein besessen hat, war mehrfach am Steuer erwischt und zu Geldstrafen verurteilt worden.

Als die Polizei ihn an einem Dienstagmittag im November 2020 auf einem Supermarkt-Parkplatz kontrollieren wollte, gab er Gas, fuhr über Uckendorf nach Troisdorf-Kriegsdorf, nach Sieglar, Müllekoven, Bergheim. Raste dabei an einem Kindergarten vorbei und an einer Schule, kurz vor Unterrichtsschluss. Fünf Minuten später wären die Schüler auf die Straße geströmt, betonte der Richter.

Der Polo gehörte einem Kumpel, der auf dem Beifahrersitz saß, im Fond ein weiterer Freund. Dass der Wagen nicht versichert war und die Kennzeichen gestohlen, habe sein Mandant nicht gewusst, sagte Strafverteidiger Benno Grunwald. Er nannte das Strafmaß „unverhältnismäßig“, plädierte auf Bewährung, es sei ja nichts passiert.

Zwei Streifenwagen wurden bei der Verfolgungsjagd beschädigt

Strafmildernd wurde das Geständnis des Angeklagten gewertet und seine Entschuldigung bei einem Landwirt: Durch Fahrmanöver auf dessen Acker wurden 5000 Quadratmeter frisch eingesäter Winterweizen zunichte gemacht. Strafverschärfend seien die einschlägigen Verurteilungen, so das Gericht: 2016 lieferte er sich schon einmal eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, erhielt dafür vom Jugendgericht Sozialstunden.

Wegen Fahrens ohne Führerschein und Versicherungsschutz sowie wegen Urkundenfälschung stand er danach mehrfach vor Gericht. Als er im November 2020 den Ordnungshütern davonfuhr, hatte er laut Rudat schon die Ladung zum nächsten Prozess drei Wochen später. „Da muss man sich die Frage stellen, ob die Sanktionen in Ihren Kopf vordringen.“

Erheblich zu Buche schlug die hohe Schadenssumme: Zwei Streifenwagen mussten in die Werkstatt, fast 40.000 Euro kostete die Reparatur. Das Video zeigt zum Schluss, dass die Polizisten, durch einen Platten gestoppt, ausstiegen und sich ratlos umschauten. Entdeckt wurden der Polo und die drei jungen Männer in einer Sackgasse durch den zwischenzeitlich angeforderten Polizeihubschrauber.

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