71. VierschanzentourneeKarl Geiger ist im Angriffsmodus

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Der deutsche Skispringer Karl Geiger jubelt nach einem gelungenen Sprung samt vorzüglicher Landung über seinen Auftritt in Oberstdorf.

Jubel im Auslauf der Schattenbergschanze zu Oberstdorf: Karl Geiger.

Die deutschen Skispringer Karl Geiger und Andreas Wellinger zeigen sich formverbessert. Doch der Rückstand zu Granerud ist groß.

Am Freitagmittag waren das Gepäck und die langen Skier verladen, im Auto legten die deutschen Skispringer die gut 90-minütige Fahrt ins Werdenfelser Land zurück. Dort logieren sie etwas außerhalb von Garmisch-Partenkirchen am Rießersee, der Wiege des örtlichen Eishockeyklubs. Die Laune im Tross der Reisenden dürfte vor allem bei Karl Geiger und Andreas Wellinger vor der zweiten Prüfung der 71. Vierschanzentournee am Neujahrstag auf der Garmischer Olympiaschanze sehr gut sein.

Nervenprobe bestanden

Denn am windigen Donnerstagabend hatte beide DSV-Athleten auf der Oberstdorfer Schattenbergschanze eine Nervenprobe bestanden. Der Siegspringer Geiger war für seine Verhältnisse und gemessen an seinen Ansprüchen als Weltcup-Siebter eher durchschnittlich in die Saison gestartet, es fehlten die Ausreißer nach oben. Die hat er in Oberstdorf durchaus geliefert, seine beiden Sprünge gehörten der sehr gehobenen Kategorie an, mit seinem vierten Platz war er daher auch „hochzufrieden“.

Zu den Plätzen zwei und drei, die von den Polen Piotr Zyla und Dawid Kubacki belegt werden, fehlen Geiger die Winzigkeit von 5,3 bzw. 1,3 Punkten, das entspricht umgerechnet weniger als drei bzw. knapp einen Meter. Und so stellte Geiger zufrieden fest: „Die große Anspannung ist weg, ich bin auf Schlagdistanz. Und da will ich jetzt in Garmisch weitermachen.“

Der Norweger Halvor Egner Granerud bejubelt im Auslauf von Oberstdorf seinen Sieg im Auftaktspringen der 71. Vierschanzentournee.

Mit der Nummer 1 auf Platz eins: Halvor Egner Granerud

Auch wenn der Abstand zum Auftaktsieger Halvor Egner Granerud aus Norwegen schon erstaunlich groß ist – 18,8 Punkte, das entspricht den Zählern für zehn Weitenmeter – ist auch Bundestrainer Stefan Horngacher durchaus noch optimistisch. Dazu ist die Ausgangslage für Geiger zu gut. „Wir sind dran und haben Lunte gerochen.“ Neben Geiger überzeugte vor allem auch Andreas Wellinger, der Olympiasieger von der Normalschanze aus dem Jahre 2018, den schwere Verletzungen und Formkrisen zuletzt weit zurückgeworfen hatten.

In Oberstdorf erreichte er Rang sechs und freute sich: „So habe ich mir das vorgestellt – voll dabei sein und dann während der Tournee steigern.“ Dieser Zweck-Optimismus mag durchaus begründet sein, gleichwohl zeigte sich Granerud in Oberstdorf als Herrscher über die Verhältnisse am Schattenberg. In jedem Sprung – Probe, Qualifikation und Wettkampf – war er der Beste im Allgäu. Vor allem die stoische Sicherheit, mit der er nach präzisem und starkem Absprung höchste Weiten lieferte, illustriert die gegenwärtige Extraklasse des Norwegers.

Dabei schien es vor dieser Tournee so, als seien Kubacki und der Slowene Anze Lanisek die überlegenen Flieger bei der Tournee. Darauf deuteten zumindest ihre Vorleistungen mit vier bzw. drei Siegen in den acht Weltcup-Wettbewerben dieses Winters hin. Doch es war Granerud, der schließlich seinen zweiten Saisonsieg feierte. Lanisek hingegen hat als Tageszehnter von Oberstdorf schon alle Siegchancen vertan.

Graneruds Trainer Alexander Stöckl ließ zudem vor Graneruds beiden Versuchen den Anlauf verkürzen, um seinem Springer damit noch Extra-Punkte zu sichern. Granerud driftet im Flug zwar weiterhin ein gutes Stück nach rechts ab, doch ist die Streuung nach Sondertraining längst nicht mehr so groß, wie sie es auch in dieser Saison schon war. „Er ist voll im Flow“, sagte Horngacher, aber: „Er hat sich auch den großen Rucksack abgeholt, den muss er jetzt mitschleppen.“

Eine Reise mit eigenen Regeln

Geiger äußerte sich ähnlich: „Die Tournee hat ihre eigenen Regeln, das habe ich selbst schon erfahren.“ Granerud selbst versuchte sich nach seinem Erfolg zu erden: „Ich fühle mich gut, aber wir stehen erst bei zwei von acht Sprüngen“. Im Vorjahr kostete ihn ein schwacher erster Sprung in Garmisch den Gesamtsieg, der damals an den in dieser Saison schwächelnden Japaner Ryoyu Kobayashi ging. Und so sagt Granerud: „Ich bin selbst gespannt, ob ich dieses Level halten kann.“

Die Reise nach Garmisch hat auch der Bayer Markus Eisenbichler angetreten, den derzeit eine Formkrise quält. Nach seinem Aus im ersten Durchgang von Oberstdorf überlegte er laut, ob es nicht besser sei, die Heimreise anzutreten. Doch Horngacher hätte Geigers Freund und Zimmerpartner weiter gerne dabei: „Markus kann das jetzt völlig entspannt sehen, sich ein bisschen beobachten und für die anderen Jungs da sein. Das ist auch wichtig.“

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