Haie-Pechvogel im InterviewWie Marcel Müller um seine Karriere kämpft

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Marcel Müller vor einem Foto der Choreographie der Haie-Fans beim Winter Game in Köln. 

  • Marcel Müller steht seit einem Jahr wieder beim KEC unter Vertrag. Doch der Stürmer konnte aufgrund einer schweren Knieverletzung noch kein Spiel absolvieren.
  • Im Interview erklärt Müller, wie er mit dieser Situation umgeht und was ihm Hoffnung für die Zukunft macht.

Köln – Herr Müller, Sie trainieren zurzeit mehrmals in der Woche auf dem Eis. Wie klappt es?

Das Training gerade war richtig gut, beim Spiel am Ende hat das Knie kaum wehgetan. Für den Tag heute bin ich happy.

Sie sind auf dem Weg, wieder ein voll belastbarer Eishockeyspieler zu werden?

Das hoffe ich. Es ist eine sehr schwere Zeit, es dauert länger als erhofft. Wir Eishockeyspieler machen das, was wir lieben. Und wenn es nicht mehr da ist, fehlt es einem sehr.

Die Knieverletzung, einen Knorpelschaden, haben Sie Ende April 2018 in einem Länderspiel gegen Frankreich erlitten, seitdem konnten Sie nicht mehr spielen. Haben Sie die Szene noch vor Augen?

Ich habe es verdrängt. Ich arbeite schon mit unserem neuen Sportpsychologen, mit Ulf Wallisch (der Österreicher wechselte mit Trainer Mike Stewart aus Augsburg zum KEC, d. Red). Da wird auch gesagt, dass man sich darüber nicht so viele Gedanken machen soll, weil es negative Gedanken sind. Für mich zählt nur, nach vorne zu schauen. Die Verletzung ist passiert, ich kann es nicht ändern. Die Gespräche mit Ulf helfen mir, er arbeitet schon lange mit Eishockeyspielern. Man muss sich natürlich darauf einlassen und mitarbeiten. Vorher habe ich eigentlich mit niemanden darüber geredet.

Zur Person

Marcel Müller, geboren am 10. Juli 1988 in Berlin; verheiratet, zwei Kinder. Der Stürmer spielte schon von 2007 bis 2010 sowie von 2013 bis 2014 für die Kölner Haie und kehrte in der Vorsaison zum KEC zurück. Wegen seiner Knie-Verletzung konnte er kein Spiel machen. In der DEL bestritt er seit 2005 bislang 417 Partien und kam auf 117 Tore und 167 Vorlagen; 72 Länderspiele. (cm)

Sie wurden im letzten Sommer zweimal im Knie operiert. Wie geht es dem Knie?

Der eigentliche Schaden ist gut verheilt. Aber dadurch, dass ich Ausweichbewegungen gemacht habe, hat sich eine Entzündung unter der Kniescheibe entwickelt. Muskeln mussten aufgebaut werden, damit die Kniescheibe wieder in die richtige Bahn kommt, die Entzündung zurückgeht – und damit der Schmerz. Ich bin auf einem guten Weg, glaube ich. Die guten Tage überwiegen. Natürlich fragt man sich, wenn man aufs Eis geht: Wie ist es heute? Das ist aber eigentlich der falsche Weg. Man soll es ausblenden.

Sagt das der Psychologe?

Ja. Wenn man darüber nachdenkt, fokussiert man sich zu sehr darauf. Das Ziel ist, dass ich einfach aufs Eis gehe, mein Programm absolviere und Eishockey spiele.

Als Sie sich verletzten, waren Sie 29 Jahre alt, und es war Ihre erste schwere Verletzung …

Ja, die erste Verletzung und dann gleich der Jackpot. Wenn man es nicht kennt, gar nicht spielen zu können, ist es doppelt so schwer.

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Marcel Müller arbeitet für sein Comeback.

Es hat Sie viele Nerven gekostet?

Oh, ja. Man nimmt den Stress mit nach Hause – auch wenn man es nicht will. Zum Glück hat meine Frau alles sehr gut und gelassen aufgenommen.

Sie haben lernen müssen, geduldig zu sein?

Auf jeden Fall. Manche Dinge im Leben kann man nicht ändern. Man kann so viel Geld haben, wie man möchte, die Gesundheit kann man sich nicht kaufen. Ich kann nichts anderes machen, als hart zu arbeiten, damit ich wieder fit werde. Ich habe als Leistungssportler das Privileg, dass ich jeden Tag Behandlungen bekomme, ich habe die besten Ärzte in der Mediapark Klinik. Das ist ein Vorteil, über den ich sehr froh bin. Denn ich weiß, dass viele ihn nicht haben.

Die Saisonvorbereitung des KEC beginnt Anfang August. Fühlen Sie sich durch den Termin unter Druck gesetzt?

Nein. Ich bin dem Verein, dem neuen Trainer Mike Stewart und Sportdirektor Mark Mahon megadankbar, dass sie mich überhaupt nicht unter Druck setzen. Den Druck mache ich mir eher selbst, da ich natürlich wieder spielen will.

Ob Sie es bis Anfang August schaffen, voll belastbar zu sein, ist also offen?

Ich gehe stark davon aus, dass ich schon mit den Jungs auf dem Eis stehen werde zu Beginn des Trainingslagers. Ich denke, es wird vermutlich erst mal so sein, dass ich nur mitlaufe. Es kann aber auch anders kommen. Es kann sein, dass ich gar nicht auf dem Eis stehe. Oder voll mit der Mannschaft trainiere. Ich habe aufgehört, mir Fristen zu setzen. Ganz am Anfang hieß es, wenn es gut läuft, kann ich beim Winter Game spielen. Das ist auch schon mehr als sechs Monate her. Ich möchte einfach so schmerzfrei sein, dass ich wieder spielen kann. Ob es jetzt zwei Tage, zwei Monate oder noch länger dauert. Es ist leider eine der schlimmsten Verletzungen, die man als Eishockeyspieler haben kann.

Haben Sie das Gefühl, wieder normal skaten zu können?

Ich merke schon, dass ich ausweiche, wenn der Schmerz kommt. Heute habe ich im Training am Ende nicht mehr darüber nachgedacht, und da war es viel besser.

Haben Sie auch ein Tor geschossen?

Ja, der Freddie Tiffels hat mir einen guten Pass gegeben.

Vielleicht spielen Sie bald in einem DEL-Spiel zusammen?

Mal gucken. Mark Mahon hat es gesehen und gleich an der Tafel etwas aufgeschrieben.

Bevor Sie im vergangenen Jahr nach Köln kamen, hatten Sie bei den Krefeld Pinguinen mit ihrem damaligen Sturmpartner Daniel Pietta eine richtig gute Zeit als Torjäger. Denken Sie oft daran?

Ja, ich hatte eine sehr gute Saison, die leider schlecht geendet ist mit der Verletzung. Aber es hat alles seinen Sinn. Immerhin kann ich mich daran erinnern, dass meine letzten Spiele gut waren. Ich habe mir viele Videos meiner guten Spiele in Krefeld angesehen. Der Psychologe hat auch gesagt, ich solle mir Bilder aus der Kindheit anschauen, wo ich einfach nur Spaß am Eishockey hatte, und mir das wieder in Erinnerung rufen.

Haben Sie sich auch schon vorgestellt, wie es sein wird, endlich wieder spielen zu können?

Natürlich. Man soll sich positive Bilder ausmalen. Ich glaube, ich werde mit einem Mega-Lächeln in die Arena einlaufen, mit einem Mega-Gefühl. Und dann möchte ich einfach nur die Zeit genießen. Und am liebsten ein Tor schießen. Ich hoffe, dass ich gleich im ersten Saisonspiel am 13. September gegen Iserlohn das Haie-Trikot anziehen kann. Und wenn nicht, dann im dritten Spiel in Berlin gegen die Eisbären. Vor Familie und Freunden, das wäre toll.

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