Kanu-Wildwasserrennsport nicht bei OlympiaKölner Top-Kanutin will ihrem Sport zu mehr Bekanntheit verhelfen

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Marlene Wesseling von der Kölner Kanugemeinschaft bei der Europameisterschaft 2021 im Kanu-Wildwasserrennsport.

Marlene Wesseling von der KSG Köln e.V.

Eine Kölnerin wurde im „Kanu-Wildwasserrennsport“ schon zweimal Junioren-Europameisterin.

„Kanu-Wildwasserrennsport“ lautet der Name einer Sportart, die wohl die wenigsten kennen. Vielleicht, weil sie keine olympische Disziplin ist. Dabei gibt es in Köln sogar vier Vereine, die sich dem Paddel-Sport widmen. So wie die Kanu-Sportgemeinschaft Köln e.V., bei der auch das Nachwuchstalent Marlene Wesseling äußerst erfolgreich im Boot sitzt.

Einmal Deutsche und zweimal Junioren-Europameisterin ist sie bereits geworden. Im Mai dieses Jahres startet die 19-Jährige bei den Europameisterschaften erstmals im Seniorenbereich. Mit Titeln will sie dem Sport hierzulande zu mehr Bekanntheit verhelfen.

„Kanu-Wildwasserrennsport ist für mich die perfekte Kombination, weil man zum einen die Wildwassertechnik beherrschen muss und es auf der anderen Seite aber auch auf die Paddel-Technik ankommt, die wir uns von den Rennsportlern abgucken“, erzählt die gebürtige Kölnerin. Der Mix aus beidem stelle eine besondere Herausforderung dar. Deshalb ziehe es sie auch nicht zu einer anderen Disziplin, bei der sie die Aussicht auf eine Olympia-Teilnahme hätte.

Kanu-Wildwasserrennsport: Sprint und Classic

Wildwasser bedeutet in dem Zusammenhang ein Fluss 0der ein Kanal, der mit Strömungen, Untiefen und Hindernissen gespickt ist. Für die Kanutinnen und Kanuten geht es dann darum, eine Strecke schnellstmöglich zu bewältigen. „Beim Wildwassersport geht es darum, die Linie zu finden und diese dann auch zu treffen. Also man muss sehen, wo der schnellste Weg ist und den dann auch fahren“, erklärt Marlene.

Die Strecke ist dabei nicht an eine feste Entfernung, sondern an die Länge des Kanals oder des Flusses gebunden und kann variieren. Es gibt zwei Distanzen: die kurze („Sprint“) und die lange („Classic“). Bei der Sprint-Distanz wird etwa eine, beim Classic circa 15 bis 20 Minuten lang gepaddelt. Marlene Wesseling wurde 2021 in beiden Disziplinen Deutsche Meisterin, ihre Stärke liegt aber im Ausdauerbereich, also im Classic.

Kanu-Wildwasserrennsport ist keine olympische Disziplin

Neben den Einzelrennen gibt es auch den Mannschaftswettbewerb. „Dort fahren drei Boote eines Teams gemeinsam und versuchen durch taktisches ‚Welle fahren‘ den Langsamsten schneller zu machen, am Ende gewinnt die Mannschaft mit der schnellsten Zeit“, sagt die angehende Medizinstudentin. Warum dieser Sport bisher nicht olympisch ist, weiß Marlene Wesseling auch nicht, sie hat aber eine Vermutung: „Ich befürchte, das Problem liegt darin, dass der Kanusport generell schon viele Medaillen verteilt.“

Marlene Wesseling bei den Deutschen Meisterschaften.

Marlene Wesseling bei den Deutschen Meisterschaften.

Bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris stehen zum Beispiel stolze zwölf Kanudisziplinen auf dem Programm. Neben dem Rennsport gibt es bei Olympia auch den Kanuslalom. Hinzu kommen Untergruppen, wie Kajak oder Kanadier, und Konstellationen mit einem, zwei oder sogar vier Sportlerinnen und Sportlern pro Boot. Mit verschiedenen Distanzen und der Aufteilung in Männer und Frauen kommen da einige Medaillen zusammen.

„Der Rhein ist ein super Trainingsfluss“

Marlenes Fokus liegt daher auf der anstehenden Europameisterschaft. Um die EM im mazedonischen Skopje in diesem Jahr erfolgreich zu bestreiten, trainiert die 19-Jährige täglich unter Leitung von Dennis Drieschner, Dozent an der Trainerschule des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Rund 13 Einheiten auf dem Wasser, jeweils zwischen 80 und 90 Minuten, und zwei Einheiten im Kraftraum absolviert die Kanusportlerin pro Woche. Trainiert wird auf dem Rhein, ein „super Trainingsfluss“, wie Marlene sagt.

Eines von Marlenes Booten.

Mit solchen Booten wird die Strecke beim Kanu-Wildwasserrennsport zurückgelegt.

„Gerade für den Ausdauerbereich ist das gut, weil wir lange in eine Richtung fahren können.“ Runden auf einem See zu drehen, wie es viele andere Vereine in Deutschland tun, käme für sie nicht infrage. „Unsere Sportart wird nun mal auf einem Fluss ausgetragen und durch die Strömungen und Wellen können wir auch ein paar Sachen üben“, erzählt sie. In die Kategorie „Wildwasser“ gehört der Rhein trotz starker Strömung und hohem Verkehrsaufkommen aber nicht.

„Wildwasser fahren bedeutet für uns, dass dort eine schnelle Strömung fließt, man Steinen ausweichen und Kurven schneiden muss. Ziel ist es, sich nicht von großen Wellen stoppen zu lassen. Auf dem Rhein ist es nicht schwierig, die Linie zu finden, weil es dort gar nicht ‚die perfekte Linie‘ gibt. Ob man in der Mitte oder 10 Meter näher am Ufer fährt, macht da kaum einen Unterschied.“ Um Wildwasser-Bedingungen zu haben, fährt die KSG Köln dann ins Trainingslager, zum Beispiel nach Frankreich auf die Ardèche.

Athleten erhalten keine Unterstützung vom Verband

Bezahlen müssen die Kanutinnen und Kanuten solche Reisen ins Trainingscamp oder zu den Wettkämpfen aber selbst. Unterstützung, vor allem finanzielle, gebe es aktuell nur vom Verein, nicht aber von Verbandsseite aus. „Ich habe zum Beispiel meine Boote vom Verein bekommen, aber wenn wir bald zur EM nach Mazedonien fahren, müssen wir die 2000 Kilometer mit unseren Vereinsbussen selbst runterfahren, weil die Boote ja auch dorthin müssen. Da wird kein Flug vom Verband bezahlt“, sagt das Nachwuchstalent.

Viel ändern könne sie an der Situation derzeit nicht, außer mit Erfolgen weiter für Aufsehen und Anerkennung des Kanu-Wildwasserrennsports zu sorgen. Zwar wisse sie nicht, wo sie leistungstechnisch bei ihrer ersten EM im Seniorenbereich stehe, den Fokus richtet die 19-Jährige aber dennoch auf die Spitze: „Ich will auf jeden Fall vorne mit dabei sein!“

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