Kölner US-Open-SensationOscar Ottes langer Weg ins Rampenlicht

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Erschöpft und überglücklich geht Oscar Otte nach seinem Sieg gegen Andreas Seppi zu Boden.

New York/Köln – Sein Handy steht seit Tagen nicht mehr still. Freunde, Verwandte, aber vor allem auch viele Unbekannte wollen plötzlich etwas von ihm.   Oscar Otte ist glücklich, aber auch erschöpft. Seine Auftritte bei den US Open haben den Kölner Tennisprofi auf alle Sportseiten des Landes gebracht. Seine Social-Media-Kanäle sind ebenfalls hochfrequentiert. „Alles ist schon ein bisschen unwirklich“, erzählt er  nach seinem Vier-Satz-Erfolg gegen Andreas Seppi. Genießen kann er den Erfolg noch nicht so richtig. Erst am späten Abend kommt er in seinem Hotelzimmer an. Dort ist er seit Wochen allein. Kein Trainer, keine Eltern und auch seine Freundin sind nicht mit in New York. „Ich boxe mich hier so durch“, sagt er.  Dass er ausgerechnet in dieser Zeit die größten Erfolge seiner Karriere feiert, lässt ihn selbst ein wenig schmunzeln.

Höhepunkt der Karriere

Keine Frage: Ottes Weg bei den US Open ist der Höhepunkt seiner Karriere, obwohl er in diesem Jahr schon einige große Momente erlebt hat. Bei den French Open kämpfte er sich ins Hauptfeld, wo ihm in Runde eins nach einer 2:0-Satzführung gegen Alexander Zverev die Luft ausging. In Wimbledon stand er in Runde zwei seinem Idol Andy Murray gegenüber und verlor das denkwürdige Duell in fünf  Sätzen. Murray hatte ihm zum Abschied gesagt, dass er auf dem „richtigen Weg“ sei.

Er sollte Recht behalten. Nun steht Otte im Achtelfinale. Auch gegen Matteo Berrettini, die Nummer acht der Welt und die Sechs der Setzliste, wird Otte am Montag wieder alles geben. So, wie er es in den Runden zuvor  und eigentlich immer getan hat. Dass der „Durchbruch“ nun mit 28 Jahren erfolgt, ist für Außenstehende verwunderlich. Wer Ottes Weg über die Jahre ein bisschen verfolgt hat, kann es besser einordnen. „Endlich ruft Oscar sein Potenzial ab“, sagt der zweimalige French-Open-Sieger Andreas Mies über den Höhenflug seines Kumpels, mit dem er selbst im Doppel viele Jahre die ITF- und Challenger-Turniere beackerte.

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Was die beiden eint: Im für Spitzensportler fortgeschrittenen Alter haben sie nochmal etwas geschafft, was ihnen nur die wenigsten zugetraut hatten. Mies, dessen Karriere eigentlich schon wegen einer Knieverletzung beendet war, bevor sie begann, gewann zweimal die French Open und schaffte es in die Top Ten der Doppel-Weltrangliste. Und Otte, der ebenfalls viel mit Verletzungen zu tun hatte, wird nun vermutlich ebenfalls einen großen Schritt machen und den langersehnten Sprung in die Top 100 schaffen.  Das hatte er schon vor etlichen Jahren vor. Doch dafür muss eben einiges passen. Am Ende kann die Mischung aus Ehrgeiz, Talent und gutem Training noch so gut sein, der Körper muss dem gnadenlosen Tenniszirkus gewachsen sein. Bei Otte tat er es lange nicht, nun wirkt er körperlich auf einem ganz anderen Level. Das wirkt sich auf sein gesamtes Spiel positiv aus.

Er schlägt auch in langen Matches immer noch gut auf, seine Beinarbeit ist extrem verbessert und er kann plötzlich jedes Tempo mitgehen.  Und mit den Erfolgen sind auch sein Selbstbewusstsein und seine mentale Stärke gewachsen. Das ist auch anderen Tennisgrößen nicht verborgen geblieben. „Glückwunsch! Du hast 28 Jahre gebraucht, um nicht mehr wie ein Idiot Tennis zu spielen“, frotzelte ihn Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev nach seinem neuerlichen Erfolg.

Otte sieht den Rummel um seine Person auch ein wenig skeptisch, versucht aber, die mediale Aufmerksamkeit zu genießen. „Besser so, als andersrum“, sagt er und lacht. Auch das ihm nun sichere Preisgeld von 275 000 US-Dollar wird ihm dabei helfen, negative Gedanken zu verdrängen.

Zverev trifft auf Sinner

Sechs Partien hat Qualifikant Otte nun bereits in den Knochen. In den drei Qualifikationsspielen musste er jeweils über die volle Distanz gehen und hatte in den entscheidenden Phasen auch das Quäntchen Glück. „Das Wetter war die Hölle, es  war unendlich schwül. Da musste ich mich zweimal übergeben“, erzählt Otte. Vielleicht hat ihm aber auch gerade diese Erfahrung die nötige Stärke gegeben.

Neben dem Kölner steht auch Alexander Zverev im Achtelfinale. Der 24 Jahre alte Hamburger  profitierte beim Stand von 3:6, 6:2, 6:3, 2:1 von einer Aufgabe des US-Amerikaners Jack Sock. Zverev verlängerte seine Siegesserie auf 14 Erfolge und hat weiter seinen ersten Grand-Slam-Titel im Blick. Er trifft nun auf den Italiener Jannik Sinner.

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