Kommentar zum DHB-TeamSchonung des Stammpersonals gegen Kroatien war vernünftig

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Bundestrainer Alfred Gislason unterstützt seine Mannschaft im Spiel gegen Kroatien.

Bundestrainer Alfred Gislason unterstützt seine Mannschaft im Spiel gegen Kroatien.

Fans in Köln bezahlten viel Geld für ein Festival im Vergeben von Chancen des DHB-Teams.

Hier mal kurz der Blick auf ein Dilemma: Was tun vor einem Spiel, das nicht gewonnen werden muss, weil das Halbfinale der Europameisterschaft schon vor dem Anwurf erreicht ist, und damit das größte Ziel, das sich die deutsche Auswahl gesetzt hatte? Und das in einer  erwartungsvollen, ausverkauften Lanxess-Arena zu Köln. Bundestrainer Alfred Gislason entschied sich gegen Kroatien für die vernünftigste Antwort: Die Schonung seines Stammpersonals, auf dass es sich ausruhen kann und vor allem nicht verletzt vor der großen Aufgabe am Freitag in der Vorschlussrunde gegen Dänemark, das Team, das zuletzt drei Mal in Folge Weltmeister wurde.  

Die Folge der Rotation war freilich eine Enttäuschung für die Fans in Köln, die viel Geld für Tickets bezahlt haben – und die für diese Investion von der deutschen B-Mannschaft, die es am Mittwoch gegen Kroatien über weite Strecken war, ein Festival im Vergeben von Chancen zu sehen bekam. Freie Würfe und solche aus dem Rückraum flogen en masse auf das kroatische Tor, doch der faszinierende Torhüter Dominik Kuzmanovic entschärfte nahezu die Hälfe von ihnen.

Unnötigerweise aus deutscher Sicht, denn viel besser kann ein Handballer nicht Abschluss kommen wie die vor Kuzmanovic versagenden Deutschen in der zweiten Hälfte.

Und dennoch überwiegen letztlich die positiven Eindrücke von dieser jungen Mannschaft. Sie hat die Belastungsprobe Weltrekord-Spiel zum Auftakt in Düsseldorf nervenstark gemeistert und mit 13 Toren Vorsprung gegen die Schweiz gewonnen. Sie hat zudem lange Zeit gegen Olympiasieger Frankreich mitgehalten, neben den Dänen der zweite große Favorit des Turniers. Sie hat in Köln die starken Isländer und Ungarn bezwungen, letztere mit überzeugendem Spiel in Angriff und Abwehr.

Zuletzt variierte meist nur der vierte Teilnehmer der Vorschlussrunde bei großen Turnieren

Sie ist allerdings auch schon vor dem Kroatien-Spiel beim 22:22 gegen Österreich mit einem auf diesem Niveau unerklärlichen Unvermögen vor dem Tor aufgefallen. Damals gelang gegen die Ungarn eine kurze Wende, ehe es gegen die Kroaten die zweite Niederlage des Turniers setzte, die aber für am Weiterkommen interessierte Turnierstarter keine Relevanz besitzt, sie nervt sie aber zurecht in der B-Note.

Deutlich wurden in Deutschland aber auch klassische Konstanten des Handballs: Zum einen das Publikum – nahezu jede Partie war ausverkauft. Das ist einzigartig, und verspricht ein ähnlich großes Fest bei der WM 2027, die der Deutsche Handball-Bund (DHB) ausrichten wird. Und es wurde deutlich, dass die Teams, die sich die Titel der jüngsten Vergangenheit zu jeweils einem Teil sicherten, weiterhin diesen Sport dominieren: Olympiasieger Frankreich steht genau wie Weltmeister Dänemark und Europameister Schweden erneut im Halbfinale, zuletzt variierte fast immer nur der vierte Teilnehmer der Vorschlussrunde bei großen Turnieren.

Besonders starke Förderung des Nachwuchses ist einer der Gründe, sich einstellende Routine und Erfahrung in Spielen, in denen es um ganz große Siege geht, kommen hinzu. In all diesen Punkten hat der DHB Nachholbedarf, auch wenn aktuell vier U21-Weltmeister in Gislasons Kader stehen. Aber das deutsche Team ist zumindest bei Heimturnieren   in der Lage, eine landesweite Begeisterung zu entfachen, das wird nicht nur in der Kölner Lanxess-Arena deutlich, sondern auch in Bezug auf hohe TV-Quoten. Das alles sind durchaus stimmige Aussichten für die Zukunft.

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