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Lukas Podolski zu WM-Boykott„Am Ende ist ganz viel heiße Luft dabei“

Lesezeit 6 Minuten
Lukas Podolski im Trikot von Górnik Zabrze

Lukas Podolski im Trikot von Górnik Zabrze

Lukas Podolski steht beim polnischen Klub Górnik Zabrze unter Vertrag. Im Interview spricht der Ex-Spieler des 1. FC Köln über die WM, seine Karriereplanung und die Situation seines ehemaligen Vereins.

Herr Podolski, Sie sind bekannt dafür, eigentlich immer Lust auf Fußball zu haben. Aber verspüren Sie auch Vorfreude auf diese WM?

Lukas Podolski: Ja, klar. Es herrscht natürlich viel Kritik an dem Turnier, aber die Fußball-WM bleibt sportlich ein Highlight. Eine WM ist und bleibt das größte Sportereignis der Welt. Ich habe einige Anfragen und werde schauen, ob ich Lust und Zeit habe, vor Ort zu sein.

Viele sagen, man hätte das Turnier boykottieren müssen. In Deutschland wird es heftig kritisiert und auch von vielen Fans und Gastronomen boykottiert. Ihre Meinung?

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Am Ende ist ganz viel heiße Luft dabei. Ein Boykott bringt ohnehin nichts, wenn er dann nicht konsequent umgesetzt wird. Es sind doch alle Länder da, die sich auch für die WM qualifiziert haben. Wenn, wurde der Fehler doch schon vor zwölf Jahren begangen. Jetzt steht das Turnier an, und die Spieler freuen sich darauf. Jetzt Spieler dafür verantwortlich zu machen, ist mir zu einfach. Am Ende ist es eine WM und ich freue mich auf die Spiele und das Turnier und will gute Spiele sehen.

Kommen wir zum Sport: Zählt Deutschland noch zu den Favoriten?

Nations League, Testspiele und Umfragen hin und her: Deutschland zählt bei großen Turnieren immer zu den Favoriten. Ich weiß noch: Vor der WM 2006 verloren wir mit 1:4 in Italien, alle sprachen von einem Debakel. Und was folgte? Deutschland erlebte danach ein Sommermärchen. Was ich damit sagen will: Beim Turnier geht es oft um Nuancen, um Tagesform, Glück, Stimmung im Team und im gesamten Stab. Unser Anspruch muss es sein: Wenn wir an einer WM teilnehmen, dann wollen wir das Ding auch am Ende gewinnen. Auch wenn wir 2018 schon früh die Segel streichen mussten, haben die anderen Nationen immer noch großen Respekt vor der deutschen Mannschaft. Wir sollten uns nicht kleiner reden, als wir sind.

Aber hat Deutschland für den großen Wurf nicht zu viele Probleme – in der Defensive oder im Sturmzentrum?

Natürlich kann man immer über die Abwehr oder einen Stoßstürmer diskutieren. Aber wir sollten jetzt denjenigen vertrauen, die dabei sind. Denn andere, bessere haben wir ja offenbar nicht. Und ich bin überzeugt, dass Hansi Flick genau das auch macht. Er versteht ganz viel von Menschenführung. Und er ist 2014 mit uns Weltmeister geworden, er weiß also, wie es geht.

Wer aus deutschen Mannschaft hat das Potenzial, in Katar für Furore zu sorgen?

Jamal Musiala aufgrund seiner technischen Fähigkeiten, seiner Schnelligkeit, Geschmeidigkeit und dem Zug zum Tor. Solch einen Spielertypen wie ihn hatten wir lange nicht. Am Ende aber hat immer das Team für Furore gesorgt.

Lukas Podolski zur WM: „Deutsche Gruppe ist kein Selbstläufer“

Zum Auftakt trifft das DFB-Team auf Japan. Sie haben selbst in Japan gespielt. Wie schätzen Sie den ersten Gegner und die Gruppe ein?

Die Gruppe ist ganz sicher kein Selbstläufer und schwieriger, als einige denken. Japan hat sich sehr gut weiterentwickelt und hat zum Beispiel etliche Bundesligaspieler im Kader, die in ihren Vereinen wesentliche Stützen sind. Ich denke, dass schon die erste Partie ein Schlüsselspiel ist. Gewinnst du, stehst du im zweiten Spiel gegen Spanien nicht unter dem ganz großen Druck. Verlierst du, dann ist das Gegenteil der Fall. Wir erinnern uns: 2018 hat Deutschland sein WM-Auftaktspiel gegen Mexiko verloren. Wir wissen, wie es danach gekommen ist. Aber unser Anspruch muss ganz klar sein, diese Gruppe zu überstehen.

Die WM ist wohl auch die letzte große Bühne für die Altstars Ronaldo, Messi, Modric, Lewandowski, Suárez oder Benzema. Cristiano Ronaldo ist mit 37 Jahren so alt wie Sie, Sie haben mehrfach gegen ihn gespielt. Wie beurteilen Sie sein Zerwürfnis mit Manchester United?

Das ist unwürdig für alle Seiten, es gibt nur Verlierer. Wer einen wie Cristiano Ronaldo im Kader hat, der sollte wissen, dass er auch spielen muss. Aber wie man hört, werden sich die Wege von Cristiano und Man United ja wohl trennen.

Sie haben jüngst für Zabrze beim Ligaspiel in Stettin einen äußerst spektakulären Treffer aus über 60 Metern erzielt. War das Ihr schönstes Tor überhaupt?

Könnte sein – auch wenn mir davor schon einige spektakuläre Treffer gelungen sind. Ich habe gesehen, dass der Torwart etwas weit aus dem Kasten stand. Ich weiß, dass ich einen starken linken Fuß und einen ganz präzisen Schuss habe. Also habe ich es mal versucht. Ich hatte gleich ein gutes Gefühl, als der Ball meinen Fuß verließ. Und als der Ball dann im Tor einschlug, applaudierten selbst die Fans des Gegners, das war ein tolles Gefühl.

Es scheint, dass Sie weiterhin viel Freude als Profifußballer haben?

Ja, das stimmt. Ich fühle mich gut, bin fit. Ich habe mir hier in Zabrze unweit meines Geburtsortes noch einmal einen Traum erfüllt, für meinen Klub Gornik aufzulaufen. Und ich denke, die Leute hier spüren das auch.

Lukas Podolski zum 1. FC Köln: „Steffen Baumgart holt fast immer das Maximum aus der Truppe“

Ihr Vertrag läuft im kommenden Sommer aus. Und dann?

Wenn ich weiterhin Freude habe, mich so gut fühle und merke, dass ich physisch noch gut mithalten kann, dann gibt es für mich keinen Grund, meine Karriere im Sommer zu beenden. Denn dafür liebe ich den Fußball zu sehr. Ich habe immer geträumt, einmal Fußballprofi zu werden und habe alles dafür getan. Der Verein und ich haben demnächst genug Zeit, das in der Pause in aller Ruhe zu besprechen. Ein bisschen erinnert mich Gornik immer auch an den 1. FC Köln: viel Tradition, tolle Fans, ein tolles Stadion, aber lange keinen Titel mehr gewonnen. Und auch in der Tabelle stehen wir ungefähr so da wie der FC.

Ihr Ex-Klub ist nach einer Negativserie mittlerweile den gefährlichen Tabellenregionen nahe gekommen. Muss man sich um den FC wieder ernsthaft Sorgen machen?

Der Trend zeigte zuletzt nach unten, ja. Meiner Meinung nach haben die Verantwortlichen auch die Lage zuletzt zu schöngeredet. Ein Weiterkommen beispielsweise in der Conference League war machbar. Was die Liga betrifft, glaube ich nicht, dass der FC ernsthaft um den Klassenerhalt bangen muss. Steffen Baumgart holt fast immer das Maximum aus der Truppe heraus, mir gefällt, wie mutig und aggressiv er spielen lässt. Nach der langen Winterpause kehren auch ein paar verletzte Spieler zurück, vielleicht wird der Klub auch noch mal auf dem Transfermarkt tätig. Deshalb sollte man die Lage des FC in der Liga auch nicht dramatisieren. Ich drücke die Daumen - wie immer.

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