Tennis-HeldAlexander Zverev will Turin gewinnen und Sportler des Jahres werden

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Zverev

Alexander Zverev

Köln – Wenn die Karriere des Tennisspielers Alexander Zverev heute zu Ende wäre, könnte er auf eine imposante Lebensleistung zurückblicken. 306 gewonnene Spiele auf der ATP-Tour, 18 Titel, ein Preisgeld von nahe 30 Millionen Euro würden ihn zum statistisch zweiterfolgreichsten Spieler nach Boris Becker machen. Allerdings ist Alexander Zverev erst 24 Jahre alt. Und seine Karriere hat 2021 gerade so richtig begonnen.

Bei den ATP-Finals in Turin könnte er mit Beginn dieses Wochenendes ein Jahr krönen, in dem er nicht nur Olympiasieger wurde und mehr Spiele gewonnen hat als alle anderen Profis auf der ATP-Tour, sondern auch in seinem Heimatland Deutschland erstmals die Anerkennung gefunden hat, die seiner sportlichen Leistung entspricht.

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Der Sohn russischer Tennis-Eltern, 1997 in Hamburg auf die Welt gekommen und dann als Küken einer um die Welt reisenden Familie zum Wahl-Monegassen geworden, hat lange mit seinem Geburtsland gefremdelt. Die strenge deutsche Sportgemeinde hielt ihn für einen undisziplinierten Hochbegabten, der den Sinn von Steuern und den Ernst des Lebens nicht verstanden hat. Die Prügel-Vorwürfe seiner Ex-Freundin Olga Scharipowa haben Zverevs Sympathiewerte auch nicht steigen lassen. Der Weltverband ATP hat im Herbst erklärt, selbst untersuchen zu wollen, was dran ist an der Behauptung, der Deutsche habe die Russin am Rande des Turniers in Shanghai 2019 geschlagen.

Zverev selbst sagt, er unterstütze diese „Untersuchungen“, weil er hoffe, dass das Thema danach erledigt sei. Allerdings hat ihm der Olympiasieg im August eine zuvor nicht gekannte Popularität verschafft, die das Auftreten des Weltranglistendritten in der Heimat verändert hat. „Die olympische Goldmedaille ist das Größte, was ein Sportler gewinnen kann“, meint Zverev und weiß gleichzeitig, dass er den größten Titel im Welttennis noch gewinnen muss: Ein Grand-Slam-Turnier.

Vor seinem erste Spiel in Turin gegen den Lokalmatadoren Matteo Berrettini (Sonntag, 21 Uhr/Sky) kokettiert Zverev freimütig mit seinem Wunsch, zum populärsten Athleten des Landes gewählt zu werden, dass er also zum „Sportler des Jahres“ gekürt wird. „Ich denke, die Chancen stehen dieses Jahr besser als all die letzten Jahre davor“, sagte er. Mit der Goldmedaille von Tokio sei das Jahr „zu einem ganz besonderen“ geworden. „Sollte ich die Auszeichnung bekommen, wäre es der krönende Abschluss nach einer sehr langen und anstrengenden Saison.“

Der Sprung in die Schlagzeilen und Onlineportale der Regenbogenpresse ist ihm dank seiner neuen Liebschaft 2021 auch gelungen. Seit die Beziehung zur acht Jahre älteren Glamourfrau Sophia Thomalla öffentlich wurde, ist sie in aller Munde. Beim Turniersieg in Wien Anfang des Monats hat Zverev seiner Herzensdame eine öffentliche Liebeserklärung gemacht und angekündigt, sie müsse es noch mindestens zehn Jahre lang zitternd und daumendrückend mit ihm bei Tennisturnieren aushalten.

Thomalla Zverev

Sophia Thomalla

Vor der ersehnten Pause nach einem kräftezehrenden Tennisjahr steht jedoch das Abschlussturnier in Turin. „Selbst wenn man körperlich müde ist und emotional erschöpft, bei so einem Event holt man noch mal alle Reserven aus sich raus“, sagt Zverev, „ich bin nicht nur hier, um teilzunehmen, ich will auch Spiele gewinnen.“ Dass er zum Auftakt gegen den Lokalmatadoren Matteo Berrettini das ganze Publikum gegen sich haben wird, schreckt den Olympiasieger nicht. „Ich bin ein Fan davon, wenn es laut im Stadion ist. Ich mag es auch, wenn die Leute gegen mich sind.“

Die Energie ist der wichtigste Faktor im Spiel des Profis, der 2021 fünf Turniere gewann, mehr als jeder andere Profi auf der Tour. Ausgeruht ist er in der Lage, mit seinem Monsteraufschlag, seinen Grundschlägen, seiner Schnelligkeit und seinem Willen jeden Gegner vom Platz zu schießen. Allerdings war der Tank von Zverev zuletzt leer. „Ich bin vor allem mental am Ende“ sagte er nach seinem Sieg in Wien und kämpfte sich beim Masters-Turnier in Paris dennoch ins Halbfinale, wo er dann allerdings völlig ausgepowert dem US-Open-Sieger Daniil Medwedew ins zwei Sätzen unterlag. „Ich kann mir vorstellen, dass er für Turin die Kräfte hat, dass er nicht nur weit kommen, sondern auch gewinnen kann“, sagte der Herren-Verantwortliche des Deutschen Tennis Bundes, Michael Kohlmann.

Neben dem Weltranglisten-Zweiten Medwedew und Djokovic kann Zverev momentan die größten Ansprüche stellen. Eindrucksvoll hatte Djokovic nach seiner längeren Pause bei seinem Comeback gleich den Titel in Paris abgeräumt. Auf den serbischen Weltranglistenersten Djokovic kann Alexander Zverev frühestens im Halbfinale treffen. Wie übrigens auch im August bei den Olympischen Spielen in Tokio, als er die Siegesserie des Serben und dessen Traum vom Golden Slam mit einem spektakulären Dreisatz-Sieg beendete. (mit dpa)  

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