Kommentar zur TourneeDuell bis zum letzten Sprung

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Andreas Wellinger freut sich über seinen dritten Platz von Garmisch-Partenkirchen.

Andreas Wellinger freut sich über seinen dritten Platz von Garmisch-Partenkirchen.

Nach den ersten beiden Stationen der Tournee deutet sich ein Duell zwischen Andreas Wellinger und Ryoyu Kobayashi um den Gesamtsieg an.

Nach der zweiten Station der 72. Vierschanzentournee lassen sich bereits ein paar Prognosen aufstellen. Zum einen hat mit Andreas Wellinger ein deutscher Springer eine sehr realistische Siegchance. Zum anderen deutet sich ein faszinierendes Duell des Bayern mit dem japanischen Flugspezialisten Ryoyu Kobayashi an. Nach den beiden Wettkämpfen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen trennen die beiden 1,8 Punkte, das entspricht exakt einem Weitenmeter.

Das ist vor den beiden noch zu absolvierenden Stationen in Innsbruck und Oberstdorf letztlich nichts. Wellinger, Sieger von Oberstdorf und am Neujahrstag Dritter am Partenkirchener Gudiberg, wirkt derzeit so stark, konstant und in sich ruhend wie noch nie in seiner Karriere. Das ist insofern erstaunlich, als dass seine Laufbahn in zwei Abschnitte unterteilt ist: Phase eins vollzog sich vor seinem Kreuzbandriss im Juni 2019, die er mit zwei Olympiasiegen krönte, einem mit dem Team und einem von der kleinen Schanze von Pyeongchang in Südkorea. Hinzu kommen zwei Silbermedaillen sowie ein WM-Titel im Mixed.

Phase zwei vollzieht sich im Hier und Jetzt. Lange hat Wellinger nach seiner Rückkehr in den Weltcup gebraucht, um zurück zu seinem Fluggefühl zu finden, nun, nach langwieriger Sommerarbeit im Windkanal, nach wiedererlangter Absprungstärke und mit dem Gefühl für weite, ästhetische Sprünge, ist Wellinger zurück in der Weltspitze und profitiert dabei auch von seinem deutlich verbesserten Fluggefühl.

In Oberstdorf erhielt er zweimal die besseren Noten im Vergleich zu Kobayashi, ein Trumpf, der sich in einem solch knappen Duell noch auszahlen könnte. Kobayashi wiederum, jeweils Zweiter bei den ersten beiden Tournee-Stationen, ist ein Schanzenkünstler, dessen bedachter und bestens austarierter Sprungstil ihn zu einem Siegaspiranten auf jeder Schanze geformt hat.

Wie sehr er gerade die Tourneeanlagen beherrscht, hat er im Winter 2018/2019 bewiesen, als er alle vier Wettkämpfe zwischen Oberstdorf und Bischofshofen gewann. Auch bei seinem zweiten Tourneeerfolg 2022 gewann der Japaner drei von vier Springen. Für ihn spricht eine stoische Ruhe im Umgang mit der Favoritenrolle und die Fähigkeit, im Flow fast ohne Fehler zu springen. Während Kobayashi in Innsbruck womöglich etwas besser zurecht kommen dürfte als Wellinger, hat der Deutsche Bischofshofen als seine Lieblingsschanze bezeichnet. Somit endet hier die Kraft der Prognose. Es ist und bleibt alles offen.

Wellinger in der Form seines Lebens

Wellinger bildet die Spitze eines weiterhin starken deutschen Teams, das sich allerdings nicht mehr ganz so überragend präsentiert wie noch zu Beginn der Saison. Bei Karl Geiger mag das mit persönlichen Problemen auf der Schanze in Partenkirchen zusammenhängen. Doch Pius Paschke und Stephan Leyhe hatten sich von ihren Auftritten auf den deutschen Anlagen mehr erhoffen dürfen.

Aber das ist solange eine unerhebliche Mäkelei wie das Team einen Vorflieger besitzt, der in der Form seines Lebens springt.

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