Interview mit Covestro-Chef„Wir rechnen mit spitzem Bleistift“

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Covestro-Chef Markus Steilemann

Köln – Herr Steilemann. Sie übernehmen von Patrick Thomas einen Konzern, der das vorige Jahr mit einem Rekord abgeschlossen hat. Das könnte eine Hypothek sein. Was passiert, wenn es mal nicht mehr so blendend läuft wie derzeit?

Dieses Jahr werden wir voraussichtlich noch einmal auf Rekord-Niveau abschneiden. Und vor der weiteren Zukunft ist uns auch nicht bange. Denn Covestro hat die richtigen Antworten auf die Herausforderungen globaler Trends. Uns geht es um Innovation und Nachhaltigkeit. Am Ende stehen hochwertige Lösungen, die zunehmend nachgefragt werden. Außerdem ist unser Portfolio immer weniger konjunkturabhängig. Inzwischen ist gut die Hälfte unserer Produkte recht wenig schwankungsanfällig.

Der Chemie-Zyklus, der Covestro beim Start angeschoben hat, ist nicht mehr so entscheidend.

Genau. Wir wachsen in wichtigen Bereichen stärker als der Markt. Etwa im Auto-Sektor, in dem Leichtbau das große Thema ist, unabhängig vom Antrieb. Oder bei Dämmstoffen, wo die Nachfrage stärker wächst als in der Bauwirtschaft insgesamt. Wir liegen damit bislang immer etwas über weltweitem Wirtschaftswachstum. Das dürfte auch bei einem allgemeinen globalen Konjunkturrückgang gelten.

Preise für Zukäufe sind hoch

Und wie sieht es mit Währungsrisiken aus, die gerade zum Beispiel Bayer die Zahlen verhageln?

Wir können Währungsschwankungen in der Regel gut abfedern. Wir produzieren ja in wichtigen Ländern wie USA und China vor Ort für den lokalen Markt. Was die USA angeht: Da sind wir derzeit sogar Nettoexporteur. Dessen ungeachtet arbeiten wir daran, unser Portfolio noch widerstandsfähiger zu machen.

Auch durch Zukäufe? Sie können das Geld nicht immer weiter in Aktienrückkauf-Programme stecken.

Sicherlich. Wir schauen uns sehr breit um. Allerdings rechnen wir da mit sehr, sehr spitzem Bleistift. Denn die Preise sind im Moment sehr hoch. So eine Transaktion muss den Fünf-Sekunden-Test bestehen. Es muss also einsichtig sein, dass ein Zukauf Wert schafft und uns weiterbringt. Und es wird wohl zunächst keine große Akquisition sein. Wir müssen ja auch erst einmal beweisen, dass wir Zukäufe integrieren können. So etwas hatten wir ja noch nicht.

Steilemann: „Es herrscht ein ganz anderer Spirit“

Bayer hat nur bei Pharma und Agrochemie zugekauft. Im Kunststoff-Geschäft passierte nichts.

Bei Bayer waren wir vor allem Cash-Lieferant.

Keine befriedigende Rolle ...

Das hat sich mit der Selbstständigkeit grundsätzlich geändert. Für uns bedeutete das: Die Klappe geht auf, das Pferd darf losrennen. Es herrscht ein ganz anderer Spirit, weil wir alles jetzt für uns selbst machen. Dieses Bewusstsein will ich noch weiter fördern.

Trotzdem hat Bayer noch viel zu sagen. Ihr Chef-Aufseher Richard Pott war früher im Bayer-Vorstand. Wann wird sich da etwas tun?

Dazu können wir nichts sagen. Es bewährt sich aber, dass wir schon vor der Abspaltung, also 2014, detailliert besprochen haben, wie wir auch bei möglichen Konflikten miteinander umgehen.

Von außen betrachtet ist die Abspaltung der Kunststoff-Sparte weniger schwierig als es bei der Chemie war. Covestro muss sich nicht so von Bayer abheben wie Lanxess.

Für uns ist die Selbstständigkeit keine Bewegung weg von Bayer, sondern eine hin zu mehr Innovation. Wir sind also auf etwas gerichtet und nicht von etwas weg.

Dazu brauchen Sie neue Produkte und neue Verfahren. Was ist da zu erwarten?

Wir sind zum Beispiel gerade dabei, einen neuen Werkstoff zu etablieren, der aus unserer Sicht besser für Laptops geeignet ist als Metall.

Was geben Sie denn aus für Forschung und Entwicklung?

Derzeit sind es rund zwei Prozent vom Umsatz.

Und in welche Richtung forschen Sie?

Wir sind erst einmal ergebnisoffen. Man sollte keinen Ansatz von vornherein ausschließen. Was die Richtung angeht: Da sind die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für uns ein stetiger Quell der Inspiration.

Fragebogen zur Person

Name: Markus Steilemann (48) Hobbys: Selbst Autofahren, die Familie, Schwimmen, inzwischen aus Zeitknappheit mit persönlichem Trainer. Wie hat es Sie zu Covestro  verschlagen? Ich habe 1999 bei Bayer angefangen, mit der Abspaltung von Covestro bin ich dort in den Vorstand gekommen. Was mögen Sie an Leverkusen? Ich bin Rheinländer von Geburt und Neigung. Auch wenn ich mit meiner Familie in Köln wohne, kenne und schätze ich Leverkusen seit meinem Berufsstart bei Bayer vor rund 20 Jahren. #allarticles

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