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Tierwohl-LabelLangsamer Abschied vom Billigfleisch

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4 min
Fleischwaren liegen bei Aldi Süd in Kühlschränken nach Haltungsform sortiert.

Aldi Süd, Rewe, Penny und Lidl verabschieden sich von Fleisch aus der niedrigsten Haltungsform. 

Die Ankündigung von Aldi Süd, künftig auf Fleisch der Haltungsstufe 1 zu verzichten, ist nur der Auftakt. Der Handel will bis 2030 Fleisch aus reiner Stallhaltung aus den Regalen verbannen.

Enge Ställe, gestresste, krankheitsanfällige Tiere, Verhaltensauffälligkeiten bis hin zum Kannibalismus. Deutsche Verbraucher haben die bekannten Bilder aus der Massentierhaltung schon lange satt. Der jüngste Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums gibt an, dass sich 92 Prozent der Bundesbürger bessere Tierhaltungsbedingungen wünschen. Immerhin 84 Prozent achten dabei auf die entsprechenden Angaben auf der Verpackung. Das weiß auch der Handel und reagiert.

Am Wochenanfang kündigte Aldi Süd an, ab Mitte Januar kein Frischfleisch seiner Eigenmarken mit dem Tierwohl-Label „Haltungsform 1“ mehr anzubieten. Es ist die niedrigste Stufe des Verbraucherkennzeichens und entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard. Da der Discounter rund 90 Prozent seines Fleischsortiments mit Eigenmarken bestückt, verschwindet Fleisch dieser Haltungsform bei Aldi Süd tatsächlich weitgehend aus den Fleischtheken. Ausnahmen soll es nur noch für Markenartikel und internationale Spezialitäten geben.

Rewe hat die Auslistung von Fleisch der Haltungsstufe 1 „fast vollständig erreicht“

Der Discounter ist mit diesem Schritt nicht allein. Rewe und Penny wollen bis zum Jahresende ebenfalls mindestens auf Haltungsform 2 umgestellt haben. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt Rewe, das Ziel sei „Stand Oktober 2025 fast vollständig erreicht“. Auch Lidl will die selbst auferlegte Vorgabe, sich bis spätestens Februar von Fleisch der Stufe 1 zu verabschieden „im Wesentlichen bereits erfüllt haben“, wie eine Sprecherin der Nachrichtenangentur dpa mitgeteilt hat.

Betroffen dürfte handelsweit vor allem Rindfleisch sein. Das stammt auf Basis jüngster Daten aus dem Jahr 2023 noch zu drei Vierteln aus der reinen Stallhaltung. Beim Schwein sind dagegen ohnehin nur 1,5 Prozent der Auslage betroffen, Puten- und Hähnchenfleisch der Stufe 1 ist deutschlandweit bereits aus dem Kühlregal verschwunden, so die Initiative Tierwohl. Hier dominiert Fleisch der Stufe 2, genannt „Stallhaltung Plus“, mit einem Anteil von 90 Prozent. Und hier setzt auch die Kritik von Verbraucherorganisationen an. Foodwatch nennt die Ankündigung von Aldi Süd einen „Mini-Schritt“, die Verbesserungen für die Tiere nur „kosmetisch“. „Auch in Haltungsstufe 2 sind beispielsweise Mastschweine eingepfercht auf einer Fläche, die kleiner ist als ein Quadratmeter, die Tiere haben nur ein paar lächerliche Quadratzentimeter mehr Platz als in Stufe 1“, sagt Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann.

Erklärtes Ziel: 2030 nur noch Frischfleisch der Stufe 3

Das verkennt freilich, dass die jüngste Ankündigung von Aldi Süd nur ein erster Schritt ist. Der Einzelhandel insgesamt hat sich auf den Weg gemacht. Aldi Süd wie Nord als auch Rewe und Penny haben sich das Ziel gesetzt, bis 2030 ausschließlich noch auf Frischfleisch der Stufen 3 und höher zu setzen. Ab diesem Level haben die Tiere 40 Prozent mehr Platz verglichen mit der gesetzlichen Mindestanforderung und Zugang zu Freiflächen, etwa in Form von offenen Stallbereichen. Es folgen die Stufen 4 mit überdachten Ausläufen oder Weideflächen auf der doppelten Fläche wie vom Gesetzgeber verlangt. Stufe 5 entspricht dann den Bio-Standards von Verbänden wie Naturland, Demeter oder Bioland, beinhaltet also auch Futter aus kontrolliert biologischem Anbau und den Verzicht auf Gentechnik.

So viel Tierwohl hat seinen Preis. Und den zahlt am Ende der Verbraucher. Handel und Erzeuger tun sich schwer, die Zusatzkosten je Haltungsform zu beziffern. Schwankende Kosten für Energie, Futter, Löhne und Logistik überlagern sich. Insgesamt ist Fleisch zuletzt deutlich teurer geworden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts kostete Rinderhackfleisch im September gut 70 Prozent mehr als im Jahr 2020, Schweinehack 60 Prozent und frisches Geflügelfleisch 45 Prozent.

„Marginale Aufschläge, die niemanden finanziell überfordern“

Die Westfleisch Genossenschaft aus Münster, in der rund 5100 bäuerliche Mitglieder zusammengeschlossen sind, spricht im Zusammenhang mit den reinen Haltungskosten von „marginalen Aufschlägen, die niemanden finanziell überfordern.“ Der Umstieg auf höhere Haltungsformen werde zudem begleitet von „zahlreichen Sonderprogrammen, häufig in Kooperation mit den Handelspartnern“, so Westfleisch gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Auch der Schlachtkonzern Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück hat mehreren Medienberichten zufolge eine Initiative für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung angekündigt. Ab Dezember gibt es laut WDR Zuschläge für durch den Amtsarzt bescheinigte, besonders gesunde Tiere: Etwa 50 Cent mehr zahle Tönnies pro gesundem Schwein. Anreize für bessere Bedingungen in der Tierhaltung soll auch die sogenannte „Ringelschwanz-Prämie“ mit zehn Euro pro Tier setzen, die bisher nur für Tiere aus der Haltungsklasse 3 gegolten habe und nun auf Stufe 2 ausgeweitet werden soll. Die Prämie wird gezahlt, wenn der Ringelschwanz der Tiere bei Schlachtung intakt ist, ein Zeichen dafür, dass das Tier unter guten Bedingungen gehalten wurde.

Rewe: „Ware aus höheren Haltungsformen noch nicht in ausreichender Menge verfügbar“

Beim in Köln ansässigen Rewe-Konzern beklagt man dennoch: „Ware aus höheren Haltungsformen ist heute noch nicht in ausreichender Menge verfügbar.“ Am Ziel, die Haltungsformen 1 und 2 bis 2030 hinter sich zu lassen, hält Rewe dennoch fest. Damit das gelingt, kooperiert das Unternehmen nach eigenen Angaben mit den Erzeugern. Rewe spricht davon, man wolle mit dem Fahrplan 2030 „die deutsche Landwirtschaft unterstützen und den deutschen Landwirten Planungssicherheit geben.“

Die Meinung, inwieweit die Konsumenten mitspielen werden, gehen bei den Händlern derzeit noch auseinander. Während Aldi Süd eine „kontinuierlich steigende Nachfrage“ nach Produkten aus höheren Haltungsformen beobachtet, hält Aldi Nord vorerst an Stufe-1-Ware fest. Insbesondere die starken Preissteigerungen bei Rindfleisch in den vergangenen Monaten sieht man dort als „große Herausforderung“. Gegenüber dpa erklärt das Unternehmen, man bemerke eine spürbare Preissensibilität bei den Kunden. (mit dpa)