Elf Anklagen und 20 StraftatenPsychisch Kranker dreht in Bonner Gerichtssaal durch

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Landgericht_Bonn_Eingang

Der Eingang zum Bonner Landgericht (Symbolfoto)

Alfter/Bonn – Es war für alle eine Tortur: Knapp drei Monate hatten Bonner Richter versucht, das Verfahren gegen einen 36-Jährigen aus Alfter zu führen, dem insgesamt elf Anklagen und 20 Straftaten vorgeworfen werden. Alles kleinere Delikte – Körperverletzungen, Beleidigungen und  so weiter – , aber in der Summe beunruhigend, da der Angeklagte immer wieder „aus heiterem Himmel“ ausgerastet ist: Die Mutter geschlagen, die Lebensgefährtin verletzt oder auch Fremde attackiert, Polizeibeamte inklusive.

Sachverständiger nennt Angeklagten „tickende Zeitbombe“

Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte ihn beim letzten Verfahren vor dem Bonner Amtsgericht als „tickende Zeitbombe“ beschrieben  und dringend geraten, den Fall ans Landgericht abzugeben; vor allem auch um die Frage einer Unterbringung zu prüfen. Aber die Kammer kam nicht weit. Trotz einfühlsamer Worte des Vorsitzenden: Der 36-Jährige drehte immer wieder lautstark durch, war kaum zu bändigen. Auch sein Verteidiger musste am Ende kapitulieren, er konnte seinen Mandanten nicht mehr erreichen.

Die 3. Große Strafkammer hat das öffentliche Verfahren gegen den 36-Jährigen nach acht Prozesstagen nun eingestellt. Der Gutachter, der den Angeklagten zunächst noch für verhandlungsfähig hielt, ist im Prozessverlauf zu einem anderen, gravierenden Eindruck gekommen: Der Mann sei komplett verhandlungsunfähig, so seine letzte Einschätzung.

Offenbar wurde bei dem Angeklagten viele Jahre nicht erkannt, dass er durchgehend unter einer schweren Psychose leidet. Die typischen Symptome waren bei ihm nicht im Vordergrund, er wirkte durchweg normal und ansprechbar. Da er auch mit Medikamenten nicht zu therapieren ist, ist er derzeit – auch wegen seiner Unberechenbarkeit  – vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

Angeklagter soll dauerhaft in einer Einrichtung untergebracht werden

Der Fall wird jetzt erneut der Staatsanwaltschaft vorgelegt, die die endgültige Unterbringung des Angeklagten beantragen wird. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, wird das Sicherungsverfahren vor dem Bonner Landgericht dann ohne den 36-Jährigen stattfinden.

Wiederholtes Opfer seiner Ausraster war seine langjährige Lebensgefährtin: Die On-Off-Beziehung zu der 46-Jährigen hatte ihn wie „Rumpelstilzchen“ abgehen lassen. Vor den Augen ihrer drei Kinder versetzte er ihr unter anderem Faustschläge ins Gesicht und drohte ihr mit dem „totalen Untergang“.

Dabei erlitt sie eine Jochbogenfraktur und eine Verletzung des Kieferkopfgelenks. Als Zeugin im Prozess hatte sie bestätigt, dass „seine Zündschnur sehr kurz ist“. Erneuter Grund für den Angeklagten im Gerichtssaal vor Zorn an die Decke zu gehen. Auch der Lebensgefährtin war nicht klar, wie krank ihr Partner war.

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