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Ennepetaler KluterthöhleFührungen durch die faszinierende Unterwelt im Bergischen

Lesezeit 5 Minuten
Korallenstraße

Unbekannte Welt aus Farben und Formen: In den Tiefen der Kluterthöhle stoßen Expediteure auf  Jahrmillionen alte Gesteinsmassen.

Ennepetal – Ausgestattet mit Gummistiefel, Overall, Helm und Grubenlampe tauchen wir im Korallenriff. Andreas Nau, Höhlenforscher aus Ennepetal, nimmt mich mit in die faszinierende Unterwelt des Bergischen Landes, tief hinein ins Korallenriff.

Luft ist ausgesprochen gesund

Durch große Hallen führt der Weg, aber auch durch schmale Spalten, in den ich befürchte, fast stecken zu bleiben. Atmen in diesem Riff ist leicht, denn ich brauche keine Taucherbrille und keine Sauerstoffflasche, ganz im Gegenteil, die Luft hier unten ist ausgesprochen gesund. Wir tauchen auch nicht im Wasser, sondern tief unten unter den Gesteinsmassiven des Bergischen Landes am Ennepetaler Klutertberg.

5800 Meter lang sind die Gänge der Ennepetaler Kluterthöhle, 360 an der Zahl führen kreuz und quer durch den Berg – und es werden immer mehr, denn die Höhlenforscher des Arbeitskreises Kluterthöhle graben sich seit Jahren durch den urzeitlichen Schlamm, der heutzutage die Höhlengänge füllt und wieder ausgeräumt werden muss.

Was für eine Welt tut sich auf

Über 30 Tonnen Schlamm, Lehm und Schutt haben die Aktiven bereits herausgeholt, in mühsamer Handarbeit, tief drin im Dunkel des Berges, mit Eimer und Schaufel. Was für eine Welt tut sich auf. Sie stoßen dort vor in Bereiche, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Sie sind die ersten Menschen in diesem Tiefseeuniversum unter dem Bergischen Land.

Vor 390 Millionen Jahren, im Erdzeitalter Mitteldevon, lag die Region des Bergischen Landes noch 10000 Kilometer weiter südlich, weit unterhalb des Äquators. Das Meer war dort tropisch warm, es wuchsen mächtige Riffe aus Korallen und Stromatoporen. Längst sind sie ausgestorben, aber die Paläontologen zählen sie zu den Schwämmen.

Kalke sind seit Jahrmillionen unberührt

Fossile Schwämme, die allerdings ein kalkiges Skelett besaßen und dadurch gewaltige Riffkomplexe bilden konnten. Riffe wie diese gibt es viele im Rheinischen Schiefergebirge, sie finden sich in der Eifel, im Sauerland, in Bergisch Gladbach und eben auch in Ennepetal.

Heutzutage sind es gewaltige Kalkmassive, manchmal werden sie in Steinbrüchen abgebaut. Die Besonderheit der Riffe des Enneptaler Klutertberges ist es, das diese mehr als 13 Meter mächtigen Kalke nicht abgebaut werden, sondern unterirdisch liegen – seit Jahrmillionen unberührt, eine fremde Welt wie Galaxien am anderen Ende des Universums.

Geheime Eingänge hinter Schloss und Riegel

Und wie es auch in fremden Galaxien so ist, so kann auch kaum ein Mensch in die devonischen Bereiche unterhalb des Klutertberges gelangen. In weite Bereiche haben nur die Höhlenforscher des Arbeitskreises Zugang. Geheime Eingänge sind durch schwere Gitter gesichert und mit massiven Schlössern verschlossen. Und doch kann jedermann kann diese Welt erleben, denn ein besonders schöner Teil der Kluterthöhle ist zur Besucherhöhle ausgebaut und kann in Führungen mit erfahrenen Höhlenforschern erlebt werden.

Das Programm reicht von „normal“ bis „extrem“. Ein gewisser Teil ist für jedermann zugänglich, egal wie fit. So wandert der Besucher auf der Normalführung dort unten durch enge Gänge, manchmal werden es größere Hallen. Die Wege sind gerade und bequem zu gehen, auch Besucher, die vielleicht gehbehindert sind, können diese Höhlenwelt genießen. 

Führungen durch die Kluterthöhle

Die Kluterthöhle ist keine Tropfsteinhöhle, aber dennoch sind viele Wände mit Kalksinter überzogen. Hier stoßen wir auf einen unterirdischen, strahlend blauen See, dort fließt ein Höhlenbach. Die Wände sind übersät mit Fossilien, so viele wie in keiner anderen Höhle in Deutschland.

Was für eine Welt, in der wir uns vorkommen wie ein urtümlicher Panzerfisch. Eine unendliche Formenfülle von Korallen und Schwämmen, zwischendrin ein versteinerter Nautilus. Im Vorjahr erst wurden die Wände der Höhle mit Hochdruckreinigern gesäubert, es kamen Fossilien zum Vorschein, von denen selbst die Höhlenforscher nichts geahnt hatten.

Kleidung ist danach höhlenlehmverschmiert

Der Schlamm der Höhle ist klebrig und zäh. Aber es gibt nicht nur die breiten Gänge, es gibt auch schmalere, in die hineingeklettert werden muss. Auf der „Erlebnistour“ geht es durch schmale, teils unbeleuchtete Gänge, manchmal muss man auf dem Bauch kriechen und die Kleidung ist danach höhlenlehmverschmiert.

Nichts für Leute mit Platzangst. Wer sich schon im Aufzug unwohl fühlt, sollte überlegen, ob er überhaupt einen Höhlenbesuch wagt – und von der abenteuerlichen Tourvariante in jedem Fall absehen. Wer sich aber einmal wahrhaftig auf die Spur der Höhlenforscher begeben will, wem Enge und Dunkelheit nichts ausmachen, wer das Abenteuer liebt, der kann auch die extreme Route schaffen.

Ein zweiter bildet die Nachhut, damit niemand stecken bleibt

Die „xx-treme Tour“ findet nur gelegentlich statt und nur zu Zeiten, in denen alle anderen Menschen die Höhle verlassen haben. Kein Licht mehr, nur noch totale Dunkelheit. Kein Ton, absolute Stille, nur noch die Worte der anderen Exkursionsteilnehmer. Höhlenforscher Andreas Nau geht voran, ein zweiter bildet die Nachhut, damit niemand irgendwo stecken bleibt.

Durch engste Gänge zwängen wir uns hindurch, kletternd abwärts, mal zwei Meter über einen Abhang hangelnd. Dann wieder ein schmaler Durchlass: Ganz platt auf den Bauch. Wie hoch ist der Gang? 30 Zentimeter? Der Fels zwängt den Rücken ein. Dieser Gang steht unter Wasser, es hat vor kurzem geregnet. Keiner beherrscht die Technik, trocken durch zu kommen. Zum Ende taucht jeder in die Pfütze ein.

Nasser Matsch macht glücklich

Nasser Matsch macht glücklich. Später müssen wir kopfüber in einen steinernen Schacht tauchen. Ins Dunkle, ohne zu wissen wie tief, wie lang, wohin. Nach ein paar Metern tauchen wir wieder auf, im Schein der Helmlampen nehmen uns die anderen Exkursionsteilnehmer in Empfang.

Und später heißt es dann auch noch Lampen aus. Alles aus, totale Dunkelheit, totale Stille. Nur das Atmen und gelegentlich die Stimmen der anderen. Es geht weiter immer geradeaus. Nur gefühlt, nichts gesehen. Das ist Höhle. Und eine Exkursion der ganz besonderen Art. Allerdings, wer in Ruhe die wunderbaren Fossilien sehen und vielleicht sogar fotografieren will, der schaut sich erstmal auf dem ganz normalen Rundweg um.

Kluterthöhle Ennepetal Gasstraße 10 58256 Ennepetal Führungen/Buchungen: 02333/98800

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