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GalerienwochenendeDie Highlights der DC Open

Lesezeit 7 Minuten

Blick in eine gut aufgeräumte Autowerkstatt: Boris Beckers „Granzow“, zu sehen in der Galerie Heinz Holtmann.

Köln/Düsseldorf – An diesem Freitag um 18 Uhr laden insgesamt 54 Galerien zur vierten DC Open ein. Das gemeinsame Eröffnungswochenende Kölner und Düsseldorfer Galerien ist, was die Teilnehmerzahl angeht, ein wenig von der Schwindsucht befallen, bietet aber immer noch mehr, als man selbst an drei Tagen erkunden kann. Wir sind im Vorfeld ausgeschwärmt und stellen ausgewählte Attraktionen des Galerienprogramms vor.

Fiebach, MinningerLeuchtkästen haben es dem Frankfurter Künstler Felix Kultau ganz offensichtlich angetan. Er bemalt sie, ritzt Runen und Kritzeleien auf ihre Oberfläche und manchmal legt er auch ihr Inneres frei. In seiner Arbeit „Fontana/Blackbox“ pulsiert eine nackte Neonröhre als Herz der abgeschraubten Leuchtreklame und spiegelt sich gleichzeitig in Richtung Unendlichkeit. Neben der Bild- und Zeichensprache des öffentlichen Raums zählt die Bankenkrise zu Kultaus Themen. Er nennt seine Ausstellung bei Fiebach, Minninger (Venloer Str. 26, Köln) „too big too fail“, in einen Leuchtkasten hat er in Runenschrift „Bailout“ geritzt, ein anderer hing mal vor einer Filiale der Deutschen Bank – jetzt ist er Beute der jungen Kunst. Passend dazu wird die magische Hand des Marktes auf einer Serie von Aluminiumbildern als leicht durchschaubares Zauberkunststück vorgeführt. (KoM)

Figge von Rosen (Aachener Str. 65, Köln) stellen mit „Among the Leaves“ die konzeptuelle Verwandtschaft zwischen Walter Dahn, Beuys-Schüler und einer der Akteure der Mülheimer Freiheit, und Bas Jan Ader, Pieter Laurens Mol und Daan van Golden zur Diskussion. Was den Liebhaber von Pieter Bruegel und Hieronymus Bosch mit den drei Niederländern verbindet, ist ein breites Spektrum stilistischer Mittel. Während Dahns visuelle Poeme entlang von farblich verfremdeten Fundstücken den Kontrast zwischen warm und kalt zu erforschen scheinen, überhöht Pieter Laurens Mol eine Regenpfütze zur blubbernden Kraterlandschaft. Bas Jan Ader, der 1975 auf dem offenen Meer verschwand, ist mit Filmen und Fotografien vertreten, auf denen er sich in Posen romantischen Weltschmerzes inszeniert. (awa)

„Total Desaster“ nennt Boris Becker seine Schau in der Kölner Galerie Holtmann (Anna-Schneider-Steig 13, Köln). Der Kölner, der zu den bedeutendsten deutschen Foto-Künstlern gehört, dokumentiert in seinen aktuellen Arbeiten ein „Chaos, in dem sich eine präzise Ordnung wiederfindet“ (Becker). Seinem visuellen Gedächtnis folgend, fokussierte er eigentlich unspektakuläre Innen- und Außenräume (zumeist aus dem persönlichen Umfeld); dabei entstanden spektakuläre Aufnahmen. Geradezu überwältigend (schön) ist ihm das 2 x 1,65 Meter große C-Print „Granzow“ gelungen: Das Stillleben einer unaufgeräumten Autowerkstatt überzeugt durch seinen malerischen Habitus und die unmittelbare Präsenz. Becker sagt dazu, der Inhaber dieses scheinbaren Chaos wisse genau, „wo sich was befindet.“ (EvS)

Über das Modeln kam die Kanadierin Marianna Rothen an die Fotografie. Inspiriert durch europäische Filme der 60er und frühen 70er Jahre, erzählt sie in ihren Bildern von den Leinwand-Heldinnen vergangener Tage. Als Stilmittel benutzt sie die Ästhetik alter Polaroidfilme, wie sie etwa auch die Deutsche Stefanie Schneider einsetzt. Eine weitere Parallele ist, dass die Arbeiten beider häufig wie Film-Stills aussehen, doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf: Während bei Schneider die Klischees von wilden, ausgeflippten Frauen in amerikanischen Roadmovies Wirklichkeit zu werden scheinen, wirken Rothens Fotografien eher wie französische Neo-Noir-Filme mit melancholischen, meist introvertierten Frauenfiguren, die nicht gefragt werden, ob sie stark sein wollen – sie sind es einfach. Die Galerie Kaune, Sudendorf (Albertusstr. 26, Köln) zeigt erstmals Arbeiten aus insgesamt fünf verschiedenen Serien der Wahl-New-Yorkerin mit europäischen Eltern – darunter auch ihre Akt- und Landschaftsaufnahmen. (dmz)

Streng genommen gehört die Galerie Rupert Pfab (Poststr. 3, Düsseldorf), die zeitgleich zur DC Open eröffnet, ohne an ihr teilzunehmen, nicht in diesen Rundgang – aber das sollen die Düsseldorfer unter sich klären. Bei Pfab haben Katharina Fritsch und Alexej Koschkarow, nachdem sie schon vor 12 Jahren gemeinsam ausgestellt hatten, erneut zueinandergefunden. Die Skulpturen und grafischen Arbeiten der beiden, Postkartenmotive und frottageartige Abreibungen von Fassaden, umkreisen ähnliche Assoziationsfelder und sind trotz aller Verschiedenheit doch geistesverwandt. Es geht um Architektur und die Spuren von Erinnerung, persönliche wie kollektive. Fritsch zeigt etwa ein Stillleben aus Knochenhand, Büste und Muschel, mit gewohnt perfekten Oberflächen. Koschkarow möchte mit seiner Modellstadt „Schtetl“ offenbar ein Gegenbild zu seinem neuen Wohnort New York entwerfen – eine Idealstadt, in der sich die Menschen auf paradoxe Weise zu Hause fühlen können. (kbe)

Bekannt wurde der Düsseldorfer Andreas Gefeller mit der Serie „Supervisions“: Durch eine eigens entwickelte und perfektionierte Montagetechnik scannte er den Boden beispielsweise von einzelnen Räumen und setzte die Bilder zu großen Tableaus zusammen. Dadurch machte er Zusammenhänge und Perspektiven sichtbar, die eigentlich nicht möglich sind. In seiner neuen Serie „Blank“ verzichtet er auf diesen ungewöhnlichen Perspektivwechsel – und macht dennoch Dinge sichtbar, die im Verborgenen liegen. Durch eine extreme Überbelichtung von urbanen Landschaften (Autobahnkreuze, Containerhafen, Erdölraffinerien, Hochhäuser) richtet er den Blick auf die Schattenseiten seiner Motive, die plötzlich klar zu entdecken sind. Helle Bereiche „brennen“ hingegen komplett ins Weiße aus, was ihnen ein künstliches, unwirkliches Aussehen verleiht – und das, obwohl die Bilder alle nachts aufgenommen wurden. Parallel dazu zeigt Gefeller bei Thomas Rehbein (Aachener Str. 5, Köln) Weltraumaufnahmen von Großstädten bei Nacht – auf dem tiefschwarzen Hintergrund funkeln die kleinformatigen Fotografien wie Kronjuwelen oder ägyptische Grabbeilagen. (dmz)

Wie und warum findet ein Kunstwerk seinen Adressaten? Das, so Wilhelm Schürmann, sei die zentrale Frage und Ausgangspunkt seiner in der Galerie Van Horn (Ackerstr. 99, Düsseldorf) konzipierten Ausstellung „Verlangsamte Performance“. Im Grunde nämlich gehe es ja darum, wie die Dinge zueinanderfinden, sprich: wie sich Kunstwerk und Betrachter oder Sammler treffen. Das habe mit Zeit zu tun, manchmal mit Zufällen und Kleinigkeiten und kleinen Verschiebungen, vor allem aber auch mit einer gewissen Mentalität. Jetzt hat der Fotograf, Sammler und Kurator 24 Künstler ausgewählt, die ihn auf verschiedene Weisen in ihren Bann gezogen haben. Und so wird man in dieser sehr persönlichen Ausstellung Zeuge der Gespräche zwischen Fotografien und Zeichnungen, Collagen und Objekten. Am Ende findet man in den Arbeiten eine Poesie, die ohne jede Schlaubergerei daherkommt. (kbe)

Selbstinszenierung ist das Metier von Dieter Meier. Wer in den 80ern aufwuchs, erinnert sich noch an die Schweizer Elektro-Formation Yello, die mit Maßanzügen und nach hinten gegelten Haaren dem Yuppie-Look nacheiferte. Dass der Frontmann Dieter Meier vor seinem Ausflug in die Popwelt bereits seit 20 Jahren die Kunstszene aufmischte, samt Teilnahme an der documenta 5 im Jahr 1972, erschloss sich manch einem erst Jahrzehnte später. Neben frühen Experimentalfilmen und Performances versammelt die große Werkschau bei Thomas Zander (Schönhauser Str. 8, Köln) auch Zeichnungen und Fotografien. Das Bedürfnis nach einem gepflegten Äußeren war bei Meier offenbar früh ausgeprägt. Das legt zumindest das ätherische Autoporträt „Jumps“ von 1974 nahe, das den Dandy hüpfend in der menschenleeren Natur zeigt. In der zwei Jahre später entstandenen Serie „Lost Pieces“ inszeniert er sich als lustvoller Zerstörer. Skulpturen aus Puderzucker müssen dran glauben. Seine schauspielerischen Neigungen lebte Meier in der Fotoserie „Personalities“ (1974) aus. Sämtliche Charaktere tragen seine Züge, das ironische Verwirrspiel ist Konzeptkunst vom Feinsten. (awa)

Infos zur DC Open

Drei Tage steht das Rheinland im Zeichen seiner Galerien. Am Freitag laden 54 Galerien aus Köln und Düsseldorf von 18 bis 22 Uhr zum feierlichen Start der Herbstsaison ein, am Samstag ist von 12 bis 20 Uhr geöffnet und am Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Am Samstag bietet die DC Open einen im Stundentakt pendelnden Busverkehr zwischen Köln und Düsseldorf an.

Weitere Höhepunkte der DC Open sind Tony Conrad bei Daniel Buchholz, Norbert Prangenberg bei Karsten Greve und Markus Lüpertz bei Michael Werner (alle Köln); in Düsseldorf zeigt Ludorff Arbeiten von Max Liebermann. Sämtliche Ausstellungen bleiben mehrere Wochen geöffnet, die genauen Laufzeiten variieren je nach Galerie.www.dc-open.de