Kölner Rapper Veedel KaztroBüdchen statt Bling Bling

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Christopher Lang alias Veedel Kaztro auf der Südbrücke in Köln

Christopher Lang alias Veedel Kaztro auf der Südbrücke in Köln

Köln – Wenn sich die Nadel des Plattenspielers ihren Weg über das Vinyl bahnt und ein leicht jazziger Beat mit kräftigem Bass aus den Lautsprechern schallt, wird aus Christopher Alvaro Lang der Rapper Veedel Kaztro. „Veedel K, Ebertplatz, Kölsch, Kippe, Lederjacke / Straighter Rap, Untergrund, nicht wie deine Streberkacke“, rappt der 25-Jährige, lässig mit dunkler Sonnenbrille auf der Nase, ins Mikrofon. Vor ihm nicken zahlreiche Köpfe und hunderte Arme schwingen im Takt durch die Luft.

Veedel Kaztro - Köln trifft Kuba

Die Zeile steht am Anfang seines Liedes „Kölsch, Kippe, Lederjacke“, das er vor vier Jahren im rechtsrheinischen Köln-Mülheim für sein „Büdchen Tape“ aufgenommen und wenig später als Gratis-Download im Internet veröffentlicht hat. Damals kannte ihn kaum jemand. Dann geriet die Sache Stück für Stück ins Rollen: Das Hip-Hop-Magazin „Juice“ druckte eine Rezension ab, die auch beim Kölner Independent-Label Melting Pot Music mit großem Interesse gelesen wurde. Seit 2013 veröffentlicht er unter dem Künstlernamen Veedel Kaztro – einem Wortspiel aus dem kölschen Wort „Veedel“ für Stadtviertel und dem Namen des kubanischen Politikers und Revolutionärs Fidel Castro – seine Musik über das Label, und seine CDs und Schallplatten sind sowohl bei großen Händlern als auch kleineren Plattenläden im Regal zu finden. Jetzt, im Jahr 2015, steht er in „Ferropolis“ – einem ehemaligen Braunkohletagebau in der Nähe von Dessau – zwischen riesigen alten Baggern auf einer der kleineren Bühnen des wohl bekanntesten deutschen Hip-Hop-Festivals „Splash“.

Auf dem Festival in Sachsen-Anhalt treten an vier Tagen etwa 50 Künstler und Bands auf. Auch internationale Größen kommen vorbei. In diesem Jahr zeigen sich unter anderem auf der Hauptbühne: Nicki Minaj, die derzeitige Grande Dame des US-Hip-Hop und PRhyme, ein Duo bestehend aus dem legendären New Yorker DJ Premier zusammen mit Rapper Royce da 5’9’’. Was Vertreter des deutschsprachigen Rap angeht, treten aktuell erfolgreiche Rapper wie Marsimoto, Motrip, Haftbefehl oder Genetikk auf. Auch Altmeister wie etwa Kool Savas, oder ASD – eine Kollaboration von Afrob und Samy Deluxe – sind ebenso dabei wie Newcomer. Ferropolis, die „Stadt aus Eisen“, wird ein Wochenende lang für rund 25.000 Besucher zum Hip-Hop-Hotspot.

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Im nächsten Abschnitt lesen Sie, was Veedel Kaztro neben der Musik macht und welche Vorbilder er in der Musikgeschichte hat.

Alles für die Musik

Auf die ganz großen Bühnen hat Veedel Kaztro es bislang noch nicht geschafft. Auch verdient er nicht das große Geld mit seiner Musik. „Sonderlich viel bleibt von Plattenverkäufen und Merchandise nicht übrig, da die Einnahmen meist reinvestiert werden“, erzählt Lang und dreht sich eine Zigarette auf dem Balkon seiner Wohngemeinschaft in der Kölner Südstadt, in der er mit vier weiteren Mitbewohnern lebt. „Es gibt aber auch Monate, in denen es durch viele Auftritte ganz gut läuft. Ich kann mich nicht beklagen.“ Privat ist Lang eher zurückhaltend, spricht ruhig und überlegt manchmal etwas länger, als suche er auch fernab der Bühne nach den richtigen Worten. Häufig trägt er auf seinen braunen Haaren eine Basecap, seine Arme und Beine sind mit einigen Tätowierungen verziert. Weitere sollen folgen. Ansonsten erfüllt er ganz und gar nicht das Hip-Hop-Klischee, trägt keine übergroßen Hosen oder Pullover, sondern: Jeans und T-Shirt. Auf lange Sicht wünscht er sich, nur von der Musik leben zu können. Oder zumindest so viel Geld damit zu verdienen, dass er nicht allzu viel nebenbei arbeiten muss. „Die Musik darf auf keinen Fall zu kurz kommen.“

Zur Zeit sieht das aber noch anders aus: Wenn Lang nicht auf Tour ist und an den Wochenenden mit der Crew in einem gemieteten Kleinbus durch Deutschland fährt, um in kleinen Clubs aufzutreten und seine Platten zu verkaufen, studiert er Geografie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn. Dieses Semester hat er das Studium etwas zurückgestellt und geht nur zwei Tage in der Woche zu Uni-Veranstaltungen. Auch, um mehr Zeit für die Musik zu haben. Außerdem hat Lang noch zwei Jobs: Er ist Kassierer in einem Kölner Weinladen und arbeitet in einem Kunstgeschäft, in dem Kunden beispielsweise Fotos auf Leinwand drucken lassen können. Mit 14 Jahren begann er sich für Hip-Hop zu interessieren, baute erste Beats am Computer und schrieb eigene Texte. „Rap ist eine einfache und gute Art, sich auszudrücken.“ Das erste Hip-Hop-Album, das ihm einen Zugang zu dieser Musikrichtung ermöglichte? „Gern geschehen“, die vierte Platte der bayerischen Hip-Hop-Crew Blumentopf. Anschließend hörte er sich kreuz und quer durch deutschen und amerikanischen Rap. „Die Maske“, das Debütalbum des Berliner Rappers Sido, ist ihm besonders gut in Erinnerung, ansonsten nennt er große Namen der Hip-Hop-Szene aus New York: Wu Tang Clan, Gang Starr, Mos Def und Tupac Shakur.

Im nächsten Abschnitt lesen Sie, welche Themen Veedel Kaztro in seinen Liedern behandelt.

Shakurs Musik hat er „leider erst später kennengelernt“. Der US-amerikanische Rapper, der 1996 in Las Vegas erschossen wurde, ist dennoch ein großes Vorbild für ihn. „Weil er Stellung bezogen hat und sich neben der Musik auch für die Gesellschaft engagierte.“ Es sei gut, den Leuten mit der Musik auch inhaltlich etwas mit auf den Weg zu geben, eine Aussage zu haben, sagt er und nennt weitere Vorbilder aus der Musikgeschichte: Michael Jackson und Bob Marley. Natürlich gebe es aber auch viele Hits, die einfach nur eine gute Melodie haben. Auch das sei völlig in Ordnung, aber noch besser seien eben die kritischeren Sachen. Er selbst mache auch Lieder, die nicht besonders inhaltsstark und tiefgehend seien. „Ich kann aber auch nicht immer nur Mist erzählen. Nach zwei Liedern, die vielleicht nicht sonderlich viel sagen, muss ich auch ein Lied machen, das etwas aussagt.“ Unter den deutschen Rappern ist er aktuell vor allem vom Offenbacher Rapper „Haftbefehl“ fasziniert. Haftbefehls Inhalte sind umstritten, seine Art zu rappen begeistert die Szene. Auch den Kölner Rapper „Retrogott“ findet er „unglaublich“. Vor allem dessen Werdegang, ausgehend vom Battle-Rap mit „richtig geilen Sprüchen“ zu eher philosophischen Stücken, beeindruckt Lang: „Retrogott ist ein gutes Aushängeschild für Köln und ich wäre glücklich, mit ihm in einem Satz genannt zu werden.“

Lang lebt seit 2010 in Köln. Seitdem ist er bereits vier Mal umgezogen und kennt sich nicht nur deshalb gut in der Stadt aus. Dass er viel in den Straßen unterwegs ist, ist auch in seinen Texten zu hören. Darin tauchen etwa die Weißhausstraße, die Roonstraße, der Barbarossaplatz oder die Mauer gegenüber der Universitätsmensa auf, auf der viele Leute gerne ihr Feierabendbier in der Sonne genießen. Auch Lang verbringt dort an Abenden oder am Wochenende viel Zeit, trifft seine Freunde und Bekannten der selbst ernannten „Sektor West Büdchen Gang“ und quatscht bei Zigarette und Bier vom Büdchen nebenan. Auf seiner „Fußball EP“, die er Mitte dieses Jahres erneut kostenlos veröffentlicht hat, widmet er diesem Ort mit „Mäuerchen One“ sogar ein eigenes Lied (siehe Kasten rechts). In „86 Veedel“ richtet er den Blick hingegen wieder mehr auf die gesamte Stadt und ihre unterschiedlichen Stadtteile.

Im nächsten Abschnitt lesen Sie, mit wem Veedel Kaztro sein neues Album aufgenommen hat.

Thematisch möchte Lang nicht nur auf Köln reduziert werden. Lokalpatriotismus findet er problematisch und dass er an manchen Stellen als „Kölsch-Rapper“ bezeichnet wurde, gefällt ihm nicht: „Es ist eben der Ort an dem ich mich befinde, aber ich denke, dass andere Dinge in meinen Texten wichtiger sind.“ So mag er es beispielsweise, alte Themen oder Gewohnheiten von Rappern auf neue oder absurde Art auf die Schippe zu nehmen. Manchmal auch mit Humor, der nicht von jedem verstanden, geschweige denn geteilt wird. In seinen nachdenklicheren Stücken spricht er über Arm und Reich, behandelt die Schwierigkeiten eines Mitte-Zwanzigjährigen, seine Rolle im Leben zu finden oder stellt sich auch mal Fragen zu seiner ungewissen Zukunft.

Der Blick auf die Stadt

Sein neues Album „Fenster zur Straße“ das im September erscheint, erzählt generell vom Leben in einer Stadt und allen damit zusammenhängenden Vor- und Nachteilen. Rund ein dreiviertel Jahr lang hat er mit seinem Musikkollegen, dem 30 Jahre alten Mels Wehmeier, an der Platte gearbeitet. Kurz nachdem Lang nach dem Abitur im Bergischen Land nach Köln gezogen war, lernten sich die beiden kennen. Seitdem machen sie zusammen Musik und sind inzwischen ein eingespieltes Team: „Wir wissen sehr schnell und ohne viel reden, was der andere meint“, erklärt Wehmeier, der seit rund zwölf Jahren Beats baut und an der Deutschen Pop Akademie in Köln Tontechnik studiert hat. Die Kollaboration lief dabei meist so ab, dass Lang entweder schon fertige Texte in der Schublade liegen hatte, zu denen Wehmeier dann die Beats gebaut hat oder eben andersrum: Wehmeier hatte fertige Beats auf dem Computer, Lang lieferte die passenden Texte. „Es ist ein sehr persönliches Album geworden, auf dem wir unsere Sicht auf eine Stadt schildern.“ Um das auch musikalisch einzufangen, haben die beiden mit einem Diktiergerät „Stadtgeflüster“ – verschiedene Geräusche vom Verkehr der Autos, auf der Straße oder in KVB-Bahnen – aufgenommen und als Samples in die Beats eingebaut. Den Titel der Platte haben die beiden unter anderem ausgewählt, weil Lang eine Zeit lang am Kölner Heumarkt gewohnt hat und durch sein Fenster direkt auf die Bahnstation schauen konnte, quasi direkt in den Puls der Stadt. Den ein oder anderen Fan deutschen Raps wird er womöglich aber auch an die Stieber Twins aus Heidelberg erinnern, die 1997 das Album „Fenster zum Hof“ veröffentlicht haben.

Von Oktober an geht Veedel Kaztro dann wieder ein paar Wochen lang mit seinem Label-Kollegen Gold Roger und dem Rapper Johnny Rakete auf Tour: Hamburg, Köln, Stuttgart, Halle, Bad Salzungen, Luzern, Wien. Nach der Tour trifft man Lang vermutlich irgendwo in den Straßen Kölns wieder. Oder an der Uni oder im Weinladen. Oder an einem Büdchen. Getreu seiner Zeile: „Ich häng immer noch am Büdchen ab, mit den Jungs im Süden der Stadt.“

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