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Wilfried SchmicklerScharfrichter des Geschwurbels

Lesezeit 3 Minuten

Schmickler findet genügend Anlässe, um sich in Rage zu reden.

Er sei selbst davon überrascht, was ihm so alles eingefallen sei, sagt Wilfried Schmickler, nachdem er die Zuschauer in der Comedia begrüßt hat. Der Titel seines neuen Programms „Ich weiß es doch auch nicht“ ist also nur bedingt berechtigt – der Kölner Kabarettist weiß nämlich eine ganze Menge und kann das in Worte und Sätze kleiden, die sich wie eine Naturgewalt über den Köpfen des Publikums entladen. Angefangen bei der Kritik an den Herrschaften in Berlin, die sich in parlamentarischem Wachkoma befänden, über die Installierung von „Hörbeauf-tragten“, die statt der Sudoku-Rätsel lösenden Volksvertreter den Reden lauschten bis hin zu dem Mann, der nicht wusste, wem im Hotel die Bettwäsche gehört – Schmickler findet genügend Anlässe, um sich in Rage zu reden.

Keine Frage, der Mann ist Moralist und Humanist. Das ist es denn wohl auch, was ihn auszeichnet. Seine verbalen Rundumschläge inklusive wunderbarer Wortschöpfungen sind nie Selbstzweck. Hinter dem Pointen-Geprassel steckt eine innere Haltung, die den Scharfrichter über das alltägliche Geschwurbel und Geschwafel glaubwürdig macht.

Dabei vernachlässigt er keineswegs die enorm unterhaltsamen Seiten der von ihm beobachteten Exzesse. Sei es die Talkshow-Schiene der ARD, die aus ihren Löchern gekrochenen Prognostiker in der Euro-Zone, die sich auf den Spuren der Auguren wichtig machen, oder ein Alptraum, der ihn als leibhaftigen Euro in Begleitung von Markus Söder auf eine Gebirgstour schickt.

Hier zeigt sich denn auch das spielerische Element, mit dem Schmickler seine dramatischen Miniaturen anreichert, fein geschliffene Szenerien, mit denen er bis in den Bereich des absurden Theaters vorprescht. Er knöpft sich das drohende Renten-Debakel vor, empfiehlt Vorratshaltung in Form von Diamanten oder Erdöl und macht den Vorschlag, die wertvollen Organe verblichener Verwandter vorübergehend in der Tiefkühltruhe zu deponieren. Er fragt sich, wo die Wahrheit zu finden ist und haut der Piratenpartei kräftig auf den Hut ihres geistigen Eigentums.

Dabei legt er eine erfrischende Souveränität und Leichtigkeit an den Tag, unterbricht seine Wortkaskaden, um mit voll tönender Stimme die von Frank Hocker komponierten Songs zu interpretieren, streut hie und da einen Kalauer ein und zeigt so, dass er ganz bei sich und seiner Mission ist.

Diese wiederum besteht unter anderem darin, jedem das Recht einzuräumen, die weißen Seiten des vor ihm liegenden Buchs „Deutschland, ein Abwasch“ selbst mit Inhalten zu füllen. Es geht darum, das Leben zu feiern – und sei es mit einem traurigen Lied, das Schmickler den kürzlich verstorbenen Kollegen Klaus Huber und Heinrich Pachl widmet.

Außerdem dreht sich Schmicklers Programm darum, die Widersprüche der eigenen Existenz auszuloten. Was schließlich zu einem Katalog an guten Tipps führt, die jedermann in seinen Alltag integrieren könne. „Werden Sie Mülltaucher!“ schlägt er vor, auch auf die Gefahr hin, illegale Pfade zu betreten. Schließlich würden in Deutschland pro Jahr 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Der herrschende Wahnsinn bedürfe dieser und ähnlicher Zeichen. Schmickler stellt viele Fragen („Ist der Dax gut oder böse?“ „Können Sie erklären, was ein Schuldenschnitt bedeutet?“), ohne darauf Antworten zu geben. Aber das muss er bei diesem Programmtitel ja auch nicht.

Weitere Aufführungen in der Comedia bis Samstag, 22. September, 20 Uhr.