Filme für die ganze FamilieDiese Animationsfilme laufen im TV und Stream

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Ghibli Netflix

  • Animationsfilme werden häufig als Kinderunterhaltung abgetan. Damit verkennt man das Potenzial der raffinierten Tricktechnik.
  • Kaum ein anderes Medium eröffnet so vielseitige fantastische Welten wie der Animationsfilm.
  • Neben den Klassikern aus den Studios von Disney und Pixar gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Kunstwerke zu entdecken.

In der Welt der Linienwesen ist nur das unmöglich, was man nicht zeichnen kann“, staunte der Filmtheoretiker Béla Balázs (1884-1949) angesichts der ersten Zeichentrickfilme. Damals jonglierte mit Hans Richter, Oskar Fischinger und Walter Ruttmann nahezu die gesamte künstlerische Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts mit den Möglichkeiten des jungen Genres, während Lotte Reiniger das menschliche Auge mit magisch bewegten Scherenschnitten verführte und ein 27-jähriger US-amerikanischer Trickfilmzeichner namens Walt Disney Mickey Mouse erfand. Und das noch bevor er mit „Bambi“, „Dumbo“ oder „Das Dschungelbuch“ zum Pionier der gezeichneten Filmkunst wurde.

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Heute ist der Zeichentrickfilm als analoges (Kunst-)Handwerk längst überholt, die illusionären Welten, einst mühevoll in Einzelbildfotografie von Bewegungsphasen erschaffen, erzeugt heute der Computer, und das perfekter denn je: Nur das ist unmöglich, was man nicht digitalisieren kann. Das beschert viel Massenware, aber auch manches poetisch-fantastische Erlebnis, denn selbst die großen Studios haben verstanden, dass sich Animationsfilmkunst dann auszahlt, wenn sie auf die Kraft innovativ erzählender Fantasie baut. Denn auch in den besten Animationsfilmen geht es nie nur darum, was wir sehen, sondern wie wir sehen. Hier sind fünf Kunststücke abseits von Pixar und Disney.

1) Kubo der tapfere Samurai

Augen spielen häufig eine Rolle im Animationsfilm. Das Mädchen Coraline in Henry Selicks gleichnamigem Meisterwerk hatte statt Augen nur leblose Knöpfe, der pfiffige Junge Kubo hat sein linkes Auge verloren, das ihm sein Großvater, der Mondkönig, und dessen fiese Zwillingstöchter stahlen. Nach Einbruch der Dämmerung darf sich Kubo nicht im Freien aufhalten, und doch muss er hinaus ins Abenteuer, um mit einem sprechenden Affen und einem „Insekten-Samurai“ die Rüstung seines toten Vaters zu suchen. Der mitreißend fabulierende Film kreist um Themen wie Herkunft, Identität und Vergebung, erweist seine Referenz der Kunst japanischer Puppenanimationen, und weil Kubo perfekt das traditionelle Papierfalten beherrscht, wird er auch noch zur allegorischen Origami-Fabel, in der sich alles ständig neu (ent-)faltet. Im Nachspann singt Regina Spektor hinreißend den Beatles-Hit „While My Guitar Gently Weeps“, durchtränkt mit den fernöstlichen Klängen einer Shamisen, die im Film nur zwei Saiten und doch eine sehr besondere Bedeutung hat.

Erhältlich im Microsoft Store

2) Das wandelnde Schloss

Hayao Miyazakis Bilder-Spagat ist eigentlich unmöglich, und doch gelingt er dem Großmeister epischer Anime-Kunst so souverän, als sei er selbst jener schillernde Magier Haruo, um den es geht. Mit mächtigen Schritten stapft Haruos wandelndes Steampunk-Schloss durch die Landschaft, macht Station in der Spitzweg-Idylle einer Kleinstadt, deren Vorbild das elsässische Colmar ist, bevor es in einen heftigen Krieg geht, dessen martialische Waffen und Fluggeräte fatale Erfindungen des Industriezeitalters sein könnten. Türen öffnen sich in Welten und Zeiten, und das Mädchen Sophie wandelt ihrerseits zwischen Jugendlicher und Greisin, weil eine Hexe sie mit einem Fluch belegt hat. Miyazaki nutzt den Jugendroman von Diana Wynne Jones für sein überbordendes Füllhorn an Einfällen, hinter dessen vielfältig aufgefächerten, romantischen Sujets er die Kraft der Liebe, der Schönheit und der Poesie über Krieg und Zerstörung siegen lässt.

Zu sehen bei Netflix

3) Ernest & Celestine

Liebevoll hingetupfte, flüchtig schwebende Bilderkunst in sanften Pastelltönen: Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen der lebensgierigen Maus Celestine und dem brummelnden Einzelgänger-Bären Ernest entwickelt sich wie ein geschmeidig animiertes, mitunter mehr mit Andeutungen als griffigen Konturen jonglierendes Gemälde im Stil großer Impressionisten – und ist zugleich voll von amüsanten, renitenten Einfällen, die einem französischen Bande Dessiné entsprungen sein könnten. Ein bezauberndes Kleinod, wie nebenbei eine resolute Verweigerung des Unmöglichen: Maus und Bär gehören zusammen, gegen alle Vorurteile und Ängste.

Zu sehen u.A. bei Amazon Prime Video

4) Die Melodie des Meeres

„Geh dorthin, oh Menschenkind, zu dem Meer, durch Sturm und Wind. Mit den Feen Hand in Hand, durch die Welt voller Tränen in ein besseres Land.“ Trefflicher könnte man kaum in diesen phänomenalen Film eingeführt werden, der eine alte irisch-keltische Legende mit der üppig bestickten Flächigkeit eines mittelalterlichen Wandteppichs illustriert. Eine Frauenstimme zitiert aus einem Gedicht des Dichters William Butler Yeats und verweist auf das Märchenhafte, Mythische und Magische der Geschichte, die Folklore und Sagenwelt mit den Sorgen des traurigen Ben verbindet, der seine Mutter verlor und seine kleine Schwester Saoirse vernachlässigt. Die aber ist in Wahrheit ein Selkie, ein Fabelwesen halb Mensch, halb Robbe. Wieder geht es um den Trost der Musik: Eine Melodie verbindet Menschen und Feen, Erde und Meer, Mythos und Wirklichkeit.

Zu sehen bei Amazon Prime Video, iTunes und anderen

5) Mein Leben als Zucchini

Keine Computeranimation, sondern eine behutsam und zurückhaltend, ja geradezu zärtlich inszenierte Stop-Motion-Animation. Regisseur Claude Barras schlägt sich mit ganzem Herzen auf die Seite von Kindern, die „jeden Tag mit ihren seelischen und körperlichen Wunden leben müssen“. Der kleine Zucchini kommt nach dem Tod seiner alkoholkranken Mutter in ein Heim, wo er Kinder kennenlernt, die ebenso traumatisiert, tieftraurig und apathisch sind wie er selbst. Und dann geschieht das tröstende Wunder: Die Kinder freunden sich in ihrer Not miteinander an und retten solidarisch ein Mädchen vor seiner herzlosen Tante. Eine zutiefst lebensbejahende und hoffnungsstiftende Hymne auf das heilende Miteinander. Auch hier verzaubert die Musik, komponiert von der Schweizer Sängerin und Alleskönnerin Sophie Hunger.

Erhältlich bei Amazon Prime Video, Maxdome, Magenta TV u.a.

Wir wünschen frohe Ostertage.

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