"Gentle Running"Schritt für Schritt die Ausdauer steigern

Hände schütteln im Kreis – mit koordinativen Übungen, die auch den Teamgeist wecken, geht das Training mit Jürgen Wicharz (Mitte) los.
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Köln – Am Ende hat der Wettergott doch noch ein Einsehen. Nachdem es den ganzen Tag, wie so oft in diesem August, anhaltend geregnet hatte, lichten sich die Wolken über dem Adenauer-Weiher. Die Sonne geht auf am Abend, pünktlich zur letzten Laufstunde der Gentle Runner rund um Coach Jürgen Wicharz. An den vergangenen zwölf Dienstagen haben sie sich getroffen, um die achtsame Lauftechnik zu erlernen. Heute stehen die letzten Runden unter den wachsamen Augen des Trainers an. Runden! Der Plural steht für den Erfolg der Truppe.
Denn vor knapp drei Monaten hatte kaum jemand die Puste für diese Distanz. Ursula Seibel etwa hat ihre Ausdauer von fünf auf 35 Minuten ausgebaut. „Ich habe meinen Rhythmus gefunden und auch die Kondition stimmt“, zieht die 50-Jährige Bilanz. Aus ihrem strahlendem Blick spricht Selbstvertrauen. Das große Ziel, der Ringelauf am 31. August, steht den Läufern noch bevor. Doch vor den fünf Kilometern ist keinem mehr bang.
Die Frage ist nur, ob man sich unter Wettkampfbedingungen nicht doch zu einem zu schnellen Tempo verleiten lässt. „Ihr müsst euren Rhythmus kontinuierlich halten. Vorne nicht zu schnell, damit ihr euch hinten raus nicht quält“, rät Wicharz, der zufrieden ist mit dem Erreichten nach zwölf Wochen Training. „Läuferisch habt ihr alle eine sehr gute Entwicklung gemacht, die Technik ist bei allen sehr gut und auch die Ausführung der Funktionsübungen ist besser als bei manchen meiner langjährigen Kursteilnehmer“, lobt Wicharz seine Läufer.
Reinigender Effekt
Alle Kursteilnehmer haben es geschafft, auch neben den wöchentlichen Treffen, zu trainieren. Beate aus Dormagen etwa läuft sogar drei Mal die Woche und freut sich besonders über den reinigenden Effekt des Trainings: „Zu Hause ist die Familie, da stehe ich ständig unter Druck. Wenn ich laufe, ist der Kopf am Ende aufgeräumt. Der Müll ist weg.“ Und das ohne Knöpfe mit Beschallung im Ohr, wie so viele Jogger sie haben. „Mit meditativem Laufen hat das nichts zu tun“, meint auch der Coach. „Wenn ich mir die Ohren zustopfe ist der Sinn schon mal blockiert. Ich komme laufend oft auf die besten Ideen, einfach, weil ich den Kopf frei bekomme und die Gedanken in Gang kommen.“
In einer kleinen Serie begleiten wir die Teilnehmer des Gentle-Running-Kurses bei ihrer Vorbereitung auf den Ringelauf. Die Teilnahme am Kurs und Freistarts für den Lauf am 31. August wurden vom Anti-Diät-Club in Kooperation mit der pronova BKK verlost.
Die erste Laufstunde fand am 26. Mai statt. Seitdem haben sich die Kursteilnehmer 13 Mal mit ihrem Coach am Müngersdorfer Adenauer-Weiher getroffen, um die achtsame Lauftechnik zu erlernen. Das letzte Treffen fand am vergangenen Dienstag statt.
Gentle Running heißt die von Jürgen Wicharz entwickelte Methode, bei der es darum geht, Laufen als entspannendes Element ohne Kampf gegen Körper und Kilometer wahrzunehmen. Beim Ringelauf, der am kommenden Sonntag zum ersten Mal in Köln ausgetragen wird, wollen die Gentle Runner ihr Können nun zum ersten Mal unter Wettkampfbedingungen ausprobieren.
Über die Fünf-Kilometer-Strecke gilt das Prinzip „Get a friend and run“ (Schnapp dir einen Freund und lauf). Bedingung ist, dass die Läufer paarweise an den Start gehen und gemeinsam ins Ziel kommen. www.ringelauf-koeln.de
Neue Gentle Running-Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene starten in Köln und Bonn ab September. Infos und Anmeldung unter 0228 /47 96 129. www.diaita-laufschule.de
Beim achtsamen Laufen geht es schließlich nicht darum, möglichst schnell möglichst viel Strecke zu machen, um möglichst schnell fertig zu sein. „Konzentriert euch auf das, was ihr tut, auf jeden einzelnen Schritt, auf eure aufrechte Haltung, den Blick geradeaus“, fasst Wicharz noch einmal die Kernelemente des Gentle Running zusammen. Doch Jana aus Pulheim macht die Monotonie des Laufens schon mal zu schaffen. „Auf meiner Hausstrecke liegt der Weg aber so ewig lang geradeaus vor mir, da schaue ich lieber auf den Boden und meine Füße, damit ich sehe, wie ich voran komme.“ Wicharz rät, sich auf die Grüntöne am Rande der Strecke zu konzentrieren und sich auszusuchen, welcher einem am besten gefällt. So könne man sich selber austricksen und wieder in den meditativen Modus finden. Laufen ist Entspannung, nicht Leistung.
Dass der Ehrgeiz dann doch mit einem durchgehen kann, das hat auch Brigitte Heck aus Bergisch Gladbach erlebt. „Am Sonntag habe ich vier Runden um die Saaler Mühle geschafft und dabei sogar zwei andere Jogger überholt“, erzählt die 50-Jährige stolz. Der Wettbewerbsfaktor lässt sich also nicht ganz ausschalten oder er schaltet sich automatisch ein.
Beim Ringelauf am 31.August gibt es dabei noch eine besondere Herausforderung: Es gilt paarweise zu laufen und gemeinsam ins Ziel zu kommen. Alle anderen abhängen, gilt also nicht, das wäre aber auch alles andere als achtsam. Geteiltes Läuferglück ist eben doppeltes Läuferglück.