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"Gute Muskeln - schöner Körper"Schönheit durch Bewegung

Lesezeit 4 Minuten

Unsere Schönheit kommt durch die Bewegung, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse.

Köln – Muskeln haben als größtes Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers wesentlichen Einfluss auf die Hormonproduktion. Vor allem auch auf Sexualhormone, und hiervon besonders das Testosteron, das männliche Sexualhormon. Professor Dr. Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit an der Deutschen Sporthochschule Köln: „Körperliche Bewegung hebt den Testosteron-Spiegel um fast das 300-fache.“ Das ist auch für Frauen von Vorteil, weil ein höherer Testosteronspiegel bei Frauen die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit vergrößert. Bei sportlich aktiven Männern dagegen ist die Durchschlagskraft dieser Hormone noch gravierender: Sie haben ein besonders reges Sexualleben. Froböse: „Sportler haben dreimal mehr Sex als Sportmuffel.“ Und sie sind auch besser gelaunt, nicht nur aufgrund des gesteigerten Lustgefühls, sondern weil Bewegung hilft, Glückshormone auszuschütten. Dabei sollte man nicht erwarten, dass diese Hormone den Menschen sofort in paradiesische Sphären katapultieren. Glückhormone bewirken peu à peu, dass schlechte Laune, Stress und depressive Gedanken abklingen.

Myokine sind Alleskönner

Man könnte nun der Vorstellung erliegen, dass mit zunehmendem Alter eine 300-fach erhöhte Testosteron-Ausschüttung nicht mehr zwingend nötig wäre, man sich also weniger bewegen müsse und dürfe. Das aber ist ein Irrtum. Es ist nachgewiesen, dass mit zunehmendem Alter die sexuelle Lust beileibe nicht abnimmt, sie setzt höchstens verzögert ein. Mit Bewegung klappt’s besser. Körperliche Aktivität und Muskeleinsatz verzögern die durch das Alter oft bedingte verlangsamte Hormonproduktion. „In den Muskeln werden zudem noch hormonähnliche Botenstoffe, Myokine, ausgeschüttet“, so Ingo Froböse, „deren Wirkungsweise man erst seit wenigen Jahren kennt. Sie haben positiven Einfluss auf Leber, Bauchspeicheldrüse, Knochen, Herz, Blutgefäße und sicherlich auch auf das Gehirn.“

Die Wunderwaffe unter den Myokinen ist das Interleukin-6. Sport steigert die Ausschüttung von Interleukin-6 um das Hundertfache, wodurch unter anderem die Fettverbrennung gerade in der Bauchregion gesteigert wird und das Hormon Insulin sensibler reagiert. Die Bauchspeicheldrüse muss nicht so viel Insulin produzieren, um den Blutzucker zu senken, was Diabetikern Typ 2 zugutekommt oder – besser noch – verhindert, dass man Diabetiker wird.

Immunsystem wird gestärkt

Interleukin-6 kann noch mehr. Das Immunsystem wird gestärkt und kann den Organismus besser gegen Infekte schützen und Tumorzellen abwehren. Froböse: „Insbesondere solche Tumorzellen, die für Brustkrebs verantwortlich sind. Warum, das weiß man bisher noch nicht. Man weiß aber, dass sich bei Menschen, die regelmäßig Sport treiben und körperlich aktiv sind, das Brust- und Darmkrebsrisiko um mehr als 30 Prozent verringert.“ Der Gesundheitsexperte bringt es auf einen Nenner: „Je mehr Myokine der Körper produzieren kann, desto weniger Probleme hat man im Alter.“ Myokine wirken zudem gegen Osteoporose, weil sie die Knochenneubildung beeinflussen.

Wer sich bewegt, der bleibt auch geistig rege. Am besten klappt das, wenn man von Kindesbeinen an bis ins Alter aktiv bleibt, damit die Myokine ohne Unterlass den Neuaufbau von Nervenzellen und neue Verbindungen im Hirn, also Synapsen, stimulieren können.

Sensorik und Motorik

Was Hirn und Hormonen zugutekommt, das nutzt auch der Motorik, besser der Sensomotorik, wie Ingo Froböse erklärt. Es nütze die beste Motorik nichts, wenn die Sensorik, also die Sinneswahrnehmung, das nicht speichere. Wer als Kind die Hand auf die heiße Herdplatte legt, hat körperlich erfahren, wie schmerzhaft das ist, würde es aber wieder tun, wenn das Hirn nicht gespeichert hätte, dass heiße Herdplatten in Kombination mit Händen tunlichst zu vermeiden seien. Jede Bewegung der Gliedmaßen werde im Hirn verarbeitet und gespeichert, sonst würden wir vor jeder Treppe schier verzweifeln, weil wir nicht mehr wüssten, wie man Stufen bewältigt. Wer als Kind die Bewegungsprogramme nicht gelernt und optimiert habe und den Speicher des Gehirns mit den dazu gehörenden Sinneswahrnehmungen nicht gefüllt, der bleibe unbeholfen.

Bewegung verstehen lernen

Bei Erwachsenen macht sich das in Tanzkursen oder bei Aerobic-Programmen bemerkbar, wenn es heißt „rechter Arm, linkes Bein“ und so gar nichts klappen will. Froböse: „Um Bewegungen zu lernen, muss ich sie verstehen können. Das ist wie bei einer Fremdsprache.“ Folglich sind für ihn die Vorturner in den Kursen der Clubs und Vereine dann keine guten Impulsgeber, wenn sie sich vor die Gruppe stellen und ihr Programm abspulen. Der Lerneffekt tendiert gen null. Im Alter wird das Manko in der Motorik schmerzhaft spürbar, weil man sich unsicher bewegt und das Verletzungs-Risiko steigt.

Wer seine Sensomotorik nicht beizeiten geschult hat, wird auch Probleme haben bei Entspannungsprogrammen wie dem autogenen Training. Die gutgemeinte Anregung des Kursleiters, die Waden locker zu lassen, verpufft ins Leere. Woher soll man wissen, wie man die Wadenmuskulatur lockert, wenn man kein Gefühl für diese Muskulatur entwickelt hat?

Froböse nennt das „Bewegungskompetenz entwickeln und nicht Bewegung konsumieren“. Optimal wäre: „Information geben, klären, ob es verstanden ist, und Raum lassen, um die Bewegung zu erfahren und zu erlernen.“ Bei dieser Methode arbeiten Muskeln und Hirn optimal zusammen.