Weinkolumne RieslingSchon Goethe war ein Niersteiner-Fan

Die Wein-Kolumne von Ramona Echensperger
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Dass der Bodentyp den Weingeschmack beeinflusst, ist unbestritten. Wer den imposanten Roten Hang bei Nierstein südlich von Mainz betrachtet, erkennt, dass die Rieslinge hier so außergewöhnlich schmecken, weil die Hänge in südöstlicher Richtung steil hinab zum Rhein fallen. Wenn hier die Morgensonne hineinstrahlt, könnte man meinen, dass in Rheinhessen der mit Reben bewachsene Bruder des australischen Ayers Rock liegt. Geologen nennen diese eisenhaltige Gesteinsschicht „Rotliegendes“.
Oberrheingraben
Dass wir diese Schicht überhaupt zu Gesicht bekommen, liegt an der Entstehung des Oberrheingrabens vor Millionen Jahren. Auf fünf Kilometern Länge hat sich diese sehr alte Bodenformation an die Oberfläche gedrückt, als Vogesen, Mittelhaardt und Schwarzwald entstanden. Hier finden sich übrigens auch die ältesten Insektenspuren Europas, die im Paläontologischen Museum in Nierstein zu besichtigen sind. Ein Wärme speichernder Boden, die Ausrichtung nach Süden und Südosten, die die kühlen Westwinde abhält und die Nähe zum Rheinstrom ergeben in dieser Gegend eine Art mikroklimatischen Hexenkessel, der den Wein so besonders macht.
2012 Niersteiner PettenthalRiesling trockenWeingut Georg Gustav HuffRheinhessen11,80 Euro
Bezugsquellez.B. Der WeinladenAlteburger Straße 1350678 Köln
Roter Hang
Weil in unserer kühlen Heimat Wein nur in den besten Lagen zur Reife kommt, ist es nicht verwunderlich, dass der Rote Hang schon seit Jahrhunderten mit der deutschen Weingeschichte eng verbunden ist. So war schon Goethe Fan der würzigen Weine, Carl Zuckmayers Lustspiel „Der fröhliche Weinberg“ spielt hier und der teuerste Wein, der mit der Titanic unterging, kam auch aus diesem geologischen Naturwunder. Untergangsstimmung kam hier allerdings erst seit 1971 auf, als das deutsche Weingesetz die Großlage „Niersteiner Gutes Domtal“ schuf. So sollte eine bessere Vermarktung von einfachen Weinen im Windschatten des berühmten Namens „Niersteiner“ ermöglicht werden. Man könnte das aber auch Verbrauchertäuschung nennen, denn die Gewächse, die aus den Gemeinden im Hinterland kommen, haben so viel mit dem echten Niersteiner zu tun, wie Goethe mit Daniela Katzenberger. Traditionsbetriebe wie das Weingut Gunderloch oder die neue Avantgarde wie das Weingut Kühling-Gillot haben den Roten Hang später wieder auf die Weltweinkarte gebracht – zu entsprechenden Preisen.
Winzer Daniel und Stefan Huff
Doch es gibt auch spannende, aufstrebende Betriebe, die hier exzellente und typische Weine erzeugen. Etwa die Brüder und Kellermeister Daniel und Stefan Huff, die zur jungen und top ausgebildeten Winzergeneration in Rheinhessen gehören. Ihr Niersteiner funkelt goldgelb im Glas und verrät damit schon seine Fruchtreife. Der Wein verströmt ein üppiges und vielschichtiges Bukett mit Aromen von reifer Ananas, Honig, Kamille und getrockneten Kräutern. Am Gaumen angenehm trocken, mit kräftigem, aber gut balanciertem Körper, moderater Säure und mit dem typisch würzigen mineralischem Finish. Eben „ein Glas Rheinwein, ächten Niersteiner“, wie ihn schon Goethes Faust in Auerbach’s Keller trank.
