AlkoholmissbrauchWeniger jugendliche Patienten – aber Uniklinik Köln warnt vor gefährlichen Trends

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Eine Gruppe junger Erwachsener trägt Bierkästen.

Nie wurden so wenige Minderjährige mit Alkoholvergiftungen im Krankenhaus behandelt wie 2022.

Trotz der positiven Zahlen benennt der Leiter der Kinder- und Jugendmedizin problematische Entwicklungen.

Rauschtrinken wird für Kinder und Jugendliche offenbar immer uninteressanter – das hat eine Untersuchung der Kaufmännischen Krankenkasse KKH ergeben. Die Experten haben dazu bundesweit ausgewertet, wie häufig Minderjährige mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäusern behandelt wurden. Das Ergebnis: Insgesamt 10.700 Zwölf- bis 18-Jährige waren es im Jahr 2022 – der niedrigste Wert seit der ersten Erhebung 2006.

Professor Jörg Dötsch kann den Trend aus eigener Anschauung bestätigen. „Die Zahlen sind gesunken“, sagt er, „auch bei uns.“ Dötsch leitet die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln, und er nennt auch einen von mehreren möglichen Gründen für die erfreuliche Entwicklung: das „Hart am Limit“, kurz „Halt“, genannte Projekt gegen exzessiven Alkoholkonsum in Köln.

Köln: Projekt „Halt“ hilft Kindern und Jugendlichen nach einem Vollrausch

Krankenkassen, die Drogenhilfe und die drei Kinderkliniken in Porz, Riehl und an der Uniklinik haben sich vor vier Jahren, also etwa zur Hochzeit des „Komasaufens“ unter Minderjährigen, zusammengeschlossen, um die Entwicklung einzudämmen. „Ein sehr gutes Konzept“, sagt Jörg Dötsch. „Wir als Klinik vermitteln den Betroffenen den Kontakt zum Halt-Team. Das Angebot wird auch oft angenommen.“

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Fachkräfte der Drogenhilfe gehen dann in die Krankenhäuser und bieten den betroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern unmittelbar nach dem Rauscherlebnis ein Beratungsgespräch an.

Komasaufen am 11.11.2023 in Köln

Aber trotz der insgesamt positiven Entwicklung hat der Klinikdirektor auch eine Schattenseite ausgemacht: den Straßenkarneval. „Am 11.11. im vergangenen Jahr hatten wir morgens um 10 schon den ersten Minderjährigen mit einer Alkoholvergiftung in der Klinik.“

Im Tagesverlauf folgten mehr als 20 weitere. Um eine Wiederholung an Weiberfastnacht dieses Jahr zu vermeiden, sei im Vorfeld das „Halt“-Konzept gemeinsam mit der Stadt Köln angepasst worden. Und tatsächlich – allerdings wohl auch wegen der schlechten Witterung und der insgesamt deutlich geringeren Besucherzahlen an den Feierhotspots – mussten an Weiberfastnacht kaum Minderjährige mit Alkoholvergiftungen behandelt werden.

Wir spüren stärker als früher, dass Jugendliche bestimmte Trends in Chatgruppen weitergeben
Prof. Jörg Dötsch, Uniklinik Köln

Die Lage sei also insgesamt „fragil“, sagt Dötsch – und hänge zudem vom Zeitgeist ab. „Wir spüren stärker als früher, dass Jugendliche bestimmte Trends in Chatgruppen weitergeben.“ Das mache sich auch im Krankenhausalltag bemerkbar. Seit einigen Monaten zum Beispiel warnen Mediziner deutschlandweit vor dem zunehmenden Konsum von Lachgas. Immer mehr junge Erwachsene müssen in Praxen und Notaufnahmen mit neurologischen Folgeschäden behandelt werden.

Exzessiver Alkoholkonsum ist lebensgefährlich

Exzessiver Alkoholkonsum ist für Minderjährige aus drei Gründen akut gefährlich, erklärt Dötsch. Zum einen kühle die Körpertemperatur – vor allem beim Straßenkarneval im November und Februar – schnell ab, oft um bis zu drei oder vier Grad. Zum anderen steige das Risiko einer Unterzuckerung, was häufig zu Unwohlsein und Kopfschmerzen führe.

„Wir geben dann Infusionen“, sagt Dötsch. Und schließlich werde vermehrt Urin ausgeschieden, was den Köper austrockne. „Das alles kann lebensgefährlich sein. Und von möglichen Stürzen oder Gefahren im Straßenverkehr im alkoholisierten Zustand habe ich jetzt noch gar nicht gesprochen.“

Langfristig und bei wiederholtem Alkoholkonsum bestehe das Risiko, abhängig zu werden. Auch deshalb sei das „Halt“-Projekt so wichtig, betont Dötsch. In den Beratungsgesprächen mit den Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern gehe es übrigens „ausdrücklich nicht darum, mit dem erhobenen Zeigefinger zu arbeiten“, heißt es bei der Stadt Köln, die das Projekt unterstützt, „zumal sich die Betroffenen in einer solchen Situation sowieso meist schon sehr schämen.“ Ziel sei vielmehr, „auf das Risiko des Rauschtrinkens hinzuweisen und herauszufinden, ob es einen weiteren Unterstützungsbedarf gibt“.

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