AntiquariatHerr über 25 000 Bücher

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Roman Heuberger in seinem seit 30 Jahren bestehenden Antiquariat, dem einzigen in Deutz.

Roman Heuberger in seinem seit 30 Jahren bestehenden Antiquariat, dem einzigen in Deutz.

Deutz – Wer weiß, wo er gelandet wäre, wenn er als Kind in der elterlichen Wohnung nicht auf den faustdicken Wälzer mit dem Schriftzug Goethe und der Jahreszahl 1932 gestoßen wäre, in dem der damals fünfjährige Roman insbesondere die vielen geheimnisvollen Fotos so faszinierend fand. Hätte man zu dieser Zeit nach seinem Berufswunsch gefragt, hätte er allerdings noch "Smutje" geantwortet.

Schiffskoch auf hoher See ist er nun nicht geworden, gleichwohl ist er konstant von einem Meer umgeben. Einem Meer von Büchern. Wie viele es genau sind? "25 000 vielleicht." Allein von der Faust-Ausgabe, die gewissermaßen als Initialzündung für eine lebenslange Leidenschaft wirkte, hat Heuberger mehr als ein Rockmusiker Ringe an der Hand: 35 Stück. Ganz nebenbei führt er seit 30 Jahren eines der wenigen verbliebenen "noch begehbaren Antiquariate" in Köln. Auf der Schäl Sick sei seins "inzwischen wohl auch das einzige".

Seine Bücher sollen nicht alltäglich sein

Obwohl Heuberger sich nun in einem Alter befinde, in dem andere den Ruhestand einläuteten, leistet er noch immer eine 60-Stunden-Woche. Den Tag, an dem der 64-Jährige kein Buch zur Hand nimmt, gibt es schlichtweg nicht. Aktuell erfreut er sich an einem Werk aus dem Jahr 1717, welches über "Hundert Acht und Dreyßig gantz neu-entdeckte Geheimnüsse oder Sonderbahre bißher unbekannte und noch nie an das Tages-Licht gegebene Secrete" Aufschluss gibt. Darin stehe auch, wie sich aufsässige Weiber zur Räson bringen ließen oder "wie man sich selbst aus dem Schlaf erwecken kann", erklärt der studierte Wirtschaftswissenschaftler und lacht.

Die Auswahl der Lektüre verrät sowohl etwas über Heubergers Humor als auch über sein Geschäftsprinzip. Als sogenannter "Varia-Antiquar" sei er auf keine spezielle Thematik festgelegt, sondern verfährt nach folgendem Prinzip: Seine Bücher sollen nicht alltäglich sein, ein bisschen ausgefallen und vor allem in gutem Zustand.

Eine Kritik der reinen Vernunft aus dem Jahr 1794.

Alle drei Kriterien treffen auch auf die Hinterhaus-Lokalität zu, jenes "Improvisatorium", welches Heuberger vor gut 30 Jahren als Lagerhalle übernahm und alsdann radikal veränderte. Er riss Wände ein, zog an andere Stelle welche hoch und schuf somit auf etwa 200 Quadratmetern ein kleines Labyrinth aus sieben Räumen, die man schier geräuschlos auf zum Teil übereinander liegenden Teppichen durchstreifen kann.

Nach wie vor verändert sich der Laden natürlich ständig; und sei es nur, weil Heuberger einen neuen Schatz wie "Antlitz der Zeit", eines der bedeutendsten Werke von August Sander in den Mittelpunkt rückt. Oder eine noch zu Lebzeiten des Philosophen Immanuel Kant erschienene Ausgabe der "Kritik der reinen Vernunft" aus dem Jahr 1794.

Bewusst konterkariert der gebürtig aus der Nähe von München stammende Mann das gängige Bild des Antiquariats, in dem mannshohe Bücherstapel eher Wühl- als Leselust entfachen. "Gruselig" nennt er solche Läden. Zweimal wöchentlich leistet er sich einen Mitarbeiter, der Bücher auffrischt, pflegt und repariert. Er freut sich, sowohl von professionellen Sammlern aufgesucht zu werden als auch von Gymnasiasten, die Klassiker für die Schule oder lateinische Texte benötigen und feststellen: "Der alte Zausel kennt sich aus." Dessen ungeachtet sei er für viele Bücherliebhaber "einfach nur eine Anlaufstation, um in Ruhe rauchen können".

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