BetrugsverdachtWie angehende Medizinstudenten in Köln um viel Geld gebracht wurden

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Nina M. (l.) und Kim E. (r.) fühlen sich von Prometheus betrogen. Sie waren einverstanden, sich fotografieren zu lassen, wollten aber nicht erkannt werden.

Nina M. (l.) und Kim E. (r.) fühlen sich von Prometheus betrogen. Sie waren einverstanden, sich fotografieren zu lassen, wollten aber nicht erkannt werden.

  • Die „Prometheus Akademie“ bot Kurse als Vorbereitung auf das Medizinstudium an, nun ist sie abgetaucht.
  • Aus dem Gebäude des Campus Colonia in der Südstadt ist das Unternehmen ausgezogen.
  • Fast 4000 Euro hat jeder Student für das Vorsemester bezahlt. Das Geld ist wohl weg.

Köln – Die Werbebanner sind eingerollt, die Klingelschilder abgeschraubt, und auch in den Hörsälen des Campus Colonia an der Bonner Straße findet sich keine Spur mehr von der „Prometheus Akademie“. Eine Mitarbeiterin des Nachmieters, einer privaten Hochschule, zuckt mit den Schultern: „Prometheus? Gibt’s hier nicht mehr.“

In den vergangenen Tagen haben sie und ihre Kollegen mehrere konsternierte Studenten der Akademie wegschicken müssen. Ungefähr 60 Abiturienten sollten dieser Tage in dem schmucken Backsteinbau in der Südstadt unter Anleitung von  Dozenten auf Medizinertests und Auswahlgespräche mit Unis  vorbereitet werden. „Vorsemester Medizin“ nennt Prometheus, ein privater Dienstleister mit Sitz in Berlin, diesen viermonatigen  Intensivkurs, mit dem er seit einigen Jahren am Markt ist.

Die Teilnahme am „Vorsemester“  kostet 3950 Euro. So mancher nimmt dafür einen Kredit auf. Einige kommen aus anderen Bundesländern und mieten sich für vier Monate ein Zimmer in Köln. Das ist nun wohl hinfällig. Die vertraglich zugesicherten Kurse in Physik, Chemie, Biologie oder anatomischer Praxis im Sommersemester fallen offensichtlich aus, die Teilnehmer müssen damit rechnen, ihr Geld nie wiederzusehen. Jetzt ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll Prometheus im Februar Insolvenz beantragt haben. Anfragen an die Firma per Mail  laufen ins Leere. Der Telefonanschluss ist dauerbesetzt. Auch die angehenden Studenten, mit denen der „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprach, erreichen niemanden mehr in Berlin. Dozenten – viele von ihnen sind Medizinstudenten – geht es nicht anders. Manche warten bis heute auf ihr Honorar. „Mir schuldet Prometheus 1100 Euro“, sagt einer.  Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung veröffentlicht sehen, er fürchtet um seinen Ruf, wenn herauskommt, dass er für Prometheus tätig war. Er schimpft: „Das alles ist ein Riesenzirkus: Dozenten und Teilnehmer werden verarscht.“

Von alledem ist auf der Homepage der Berliner Firma freilich nichts zu lesen. Im Gegenteil: Bis heute kann man sich dort für das kommende Wintersemester 2019/2020 anmelden. Online und auf einem eigenen Youtube-Kanal tönt die selbst ernannte Akademie mit dem Versprechen: „Über 75 Prozent unserer Teilnehmer beginnen ihr Medizinstudium innerhalb eines Jahres nach dem Vorsemester Medizin.“ Ob das stimmt, erscheint fraglich. Nachprüfbar ist es nicht.

Geführt wird das Unternehmen von Markus W., einem gelernten Rettungsassistenten, der unbefugt einen Doktortitel geführt haben soll und deshalb bereits vor Gericht stand. Schlagzeilen machte seine Firma auch vor zwei Jahren, als Ermittler Leichenteile im Berliner Prometheus-Institut fanden, die ohne Genehmigung aufbewahrt wurden und an denen die Studenten das Sezieren übten. Das Berliner Verwaltungsgericht untersagte kürzlich das Verwenden menschlicher Leichen in Privatunternehmen ganz grundsätzlich.

„Perfides Gebahren“

 Außer in Köln hat Prometheus auch in Berlin und München Vorbereitungskurse angeboten. Interessant war das Angebot vor allem für Abiturienten, die den Numerus clausus für ein Medizinstudium in Deutschland nicht erfüllen und die darauf hofften, mit einem Prometheus-Zertifikat  bessere Chancen für ein Medizinstudium im europäischen Ausland zu haben. Genau das habe das Unternehmen ihnen auch immer suggeriert, sagen Nina M.  (19) und Kim E. (22). Die beiden jungen Frauen waren voriges Jahr auf den hochwertig gestalteten Internetauftritt von Prometheus  angesprungen.  Für je 3950 Euro hatten sie das abgelaufene Wintersemester in Köln belegt.  Aber offenbar steckte die Firma schon zu diesem Zeitpunkt in Schwierigkeiten.

„147 der versprochenen 500 Unterrichtsstunden bei uns sind ausgefallen, viele sehr kurzfristig“, berichtet Nina M. – meistens, weil angeblich Dozenten erkrankt waren. Manchmal seien Ersatzdozenten eingesprungen, darunter auch Medizinstudenten unterer Semester, die den Stoff selber nicht drauf gehabt hätten. Auch der von Prometheus versprochene „Präpkurs“ an der Charité in Berlin, bei dem die Teilnehmer eine Woche lang Leichenteile hätten sezieren dürfen, sei  abgesagt worden, sagt Nina M.

Eine Sprecherin der Charité teilte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit, man kooperiere gar nicht mit der Privatakademie von Markus W. „Demnach gibt es für die Kursteilnehmer auch keine Anatomiepraktika an der Charité.“

„Perfide“ nennt Nina M.s Rechtsanwalt Frank Neumann das Gebaren von Markus W. Der  habe von Anfang an nicht vorgehabt, „eine geregelte Wissensvermittlung“ durchzuführen.  Neumann hat Strafantrag wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Auch in Köln haben mutmaßlich geprellte Kursteilnehmer Anzeige erstattet.

Trotz der schlechten Erfahrungen mit Prometheus halten Nina M. und Kim E. an ihrem Berufswunsch Ärztin fest. Die 22-Jährige will in Breslau Medizin studieren, Nina M. will erst einmal eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin machen.

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