Besuche hinter GitternWarum ein Mann seit 15 Jahren Straftätern freiwillig zuhört

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Die meisten Inhaftierten trifft Otmar Bröhl in der Kölner JVA in Ossendorf.

Die meisten Inhaftierten trifft Otmar Bröhl in der Kölner JVA in Ossendorf.

  • Jurist Otmar Bröhl bietet Straftätern in Justizvollzugsanstalten das Gespräch an.
  • Beim Pescher „Treffpunkt 60 plus“ berichtete er jetzt von seinem außergewöhnlichen Ehrenamt.

Pesch – Raub, Vergewaltigung, Mord – wenn von den Delikten der JVA-Insassen die Rede ist, die Otmar Bröhl während seines ehrenamtlichen Einsatzes kennenlernt, jagt das den meisten Menschen schon beim Zuhören einen Schauer über den Rücken. Bei seinen Besuchen im Gefängnis spricht er mit verurteilten Bankräubern, Mördern und Gewaltverbrechern. Doch Angst hat der 83-Jährige dabei nicht – sein Ehrenamt bereitet ihm Freude. „Ich fühle mich bei den Zusammentreffen immer sicher“, so der gebürtige Kölner. „Vor der Tür stehen Wachen, die im Notfall jederzeit eingreifen könnten – das war bislang aber nicht ein einziges Mal nötig.“ Denn den Straftätern begegnet Bröhl immer auf Augenhöhe, für die Zeit, die er ihnen schenkt, sind sie dankbar.

Seit 15 Jahren betreut der gelernte Jurist, der nach dem Referendariat die Firma des erkrankten Vaters übernahm, Gefangene in verschiedenen Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen und leiht ihnen sein Ohr. Seine ersten Erfahrungen mit dem Gefängnisalltag machte er bereits in der Zeit als Jura-Student. Mit Eintritt in den Ruhestand wollte er aktiv bleiben und entdeckte zufällig in der Zeitung, dass die JVA in Ossendorf nach ehrenamtlichen Helfern suchte. Ein Bekannter von Bröhl war bereits dabei. Mit ihm absolvierte er gemeinsam die ersten Besuche im Gefängnis – im Rahmen eines sozialen Projektes, das der Sozialdienst Katholischer Männer des Caritas-Verbandes betreibt.

Die meisten Insassen trifft Bröhl seitdem in der Kölner JVA in Ossendorf, dem sogenannten Klingelpütz. Doch auch in Vollzugsanstalten in Siegburg, Euskirchen oder Remscheid setzt er sich mit den Inhaftierten auseinander.

Vielseitige Themen

Gerade jetzt zur Weihnachtszeit, so Bröhl, falle den meisten Gefangenen das Alleinsein besonders schwer. Doch an den Weihnachtstagen sind die Besuche des Ehrenamtlers nicht erlaubt. „Über die Feiertage ist nur sehr wenig Personal in den Vollzugsanstalten aktiv. Da bei meinen Besuchen eine Wache vor der Tür bereitstehen muss, kann ich daher dann keine Besuche machen“, so Bröhl. In einigen Justizvollzugsanstalten sei sogar der Besuch der Familien nicht möglich. „Das ist natürlich besonders schwierig für die Häftlinge.“

Treffpunkt 60 plus

Der nächste Termin im „Treffpunkt 60 plus“ der Evangelischen Kirchengemeinde Pesch findet am 28. Januar 2020 im Evangelischen Gemeindezentrum, Montessoristraße 15. Weitere Informationen gibt es im Internet. http://www.dem-himmel-so-nah.de/index.php

Die Themen bei den Gesprächen mit den Inhaftierten sind vielseitig. „Oft drehen sie sich um den persönlichen Lebensweg oder mögliche Auslöser für die Tat, für die der Gefangene einsitzt“, so Bröhl. „Aber es kann auch um ganz aktuelle Sorgen und Nöte gehen, beispielsweise, wenn wegen der Haft die Ehe oder das Verhältnis zu den Kindern leidet.“ Was Bröhl zu vermeiden sucht: Unterhaltungen über Alltägliches wie Fußball oder Politik. „Ich sehe mich nicht als Unterhaltungsprogramm für die Gefangenen“, so der 83-Jährige. „Mit meinem ehrenamtlichen Einsatz verfolge ich ein größeres Ziel. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, die Häftlinge wieder zu resozialisieren und für die Gesellschaft fit zu machen.“ Schließlich komme die große Mehrzahl der Gefangenen irgendwann wieder auf freien Fuß. Ihm ist es wichtig, keinen Menschen abzuschreiben. „Egal, wie schlimm die Straftat gewesen ist – jeder hat eine zweite Chance verdient“, so der gläubige Katholik.

Kontakt auch noch nach der Entlassung

So bietet Bröhl den Verurteilten auch nach abgesessener Haftstrafe weiter den Kontakt an. Wenn der Austausch auch in Freiheit weiter bestehe, sei dies ein gutes Zeichen dafür, dass die Resozialisierung gelungen sei. Ein Fall ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: „Es ging um einen Häftling, der nach seiner Freilassung nach Dresden gezogen ist“, berichtet Bröhl. „Der hat mich nach ein paar Jahren angerufen und gefragt, ob ich ihm und seiner Frau Köln zeigen könnte – er kenne die Stadt als freier Mann ja gar nicht so gut.“ Bröhl stimmte zu und unternahm mit den beiden eine Tour durch die Domstadt. „Solche Erfolge sind zwar sehr selten, aber der Einsatz lohnt sich.“ Deshalb möchte er sein Ehrenamt auch weiterhin fortführen. „Freude bereitet es mir nach wie vor. Und solange es gesundheitlich geht, werde ich auch weitermachen“, erklärt Bröhl.

Erzählen konnte er seine Geschichte im „Treffpunkt 60 plus“ der Evangelischen Kirchengemeinde Pesch, den Pfarrerin Siegrid Geiger seit fünf Jahren organisiert. Jeden Monat können Senioren dort besondere Hobbys oder Geschichten vorstellen und über aktuelle Themen sprechen, die insbesondere für ältere Leute interessant sind.

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