Naturschutzgebiet in KölnCampingplatz sollen Platz für die Natur machen

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Dieter Brandau auf der Terrasse des urigen Kasselbeger Gretchen.

Dieter Brandau auf der Terrasse des urigen Kasselbeger Gretchen.

Kasselberg – Nördlich von Merkenich zeigt sich das Rheinufer von seiner schönsten Seite. Baumgruppen, Weiden und Pappeln, wechseln sich ab mit sanft geschwungenen Wiesen, der Strom blitzt lichtblau in der Sonne.

Eine Auenlandschaft wie aus dem Bilderbuch, gleichzeitig aber auch gefährdet durch Eingriffe von Menschenhand. Und so steht entlang des Kasselberger Wegs alle paar hundert Meter das Schild „Naturschutzgebiet“ – als Mahnung an Radfahrer und Spaziergänger, die Natur in Ruhe zu lassen, sie keinesfalls als Freizeitfläche zu benutzen.

Dauerurlauber im Naturparadies

Kurz vor Kasselberg öffnet sich der Weg, zur Linken liegt die Gaststätte Kasselberger Gretchen, gegenüber am Rheinufer erstreckt sich ein Campingplatz für Urlauber mit 45 Plätzen. Vor allem Dauercamper haben ihr Wochenenddomizil aufgeschlagen: Couchgarnitur im Vorgarten, Rosenstöcke, kurzgetrimmter Rasen, Thuja-Hecken als Sichtschutz. Wie passt das zusammen?

Prima, finden viele Kasselberger. Schließlich gibt es die Kneipe und den Campingplatz schon seit Menschengedenken an der Stelle, gefühlt wenigstens. Außerdem fügt er sich doch harmonisch in die Landschaft.

Stimmt nicht, heißt es im Amt für Landschaftspflege und Grünflächen. Die Behörde verlangt, den Campingplatz zu schließen – zwar nicht in naher Zukunft, jedoch auf lange Sicht. Ausschlaggebend seien „naturschutzfachliche Gründe“, heißt es. Der Platz befinde sich ausgerechnet an der engsten Uferstelle und stelle vor allem für die am Rhein lebenden Vögel einen Fremdkörper dar. Angewiesen auf natürliche Vegetation, nähmen sie ihn auf der Suche nach Rast- und Nistplätzen als Barriere wahr.

Die Forderung nach der Entfernung des Campingplatzes steht im für die nördliche Rheinaue neu erstellten Pflege- und Entwicklungsplan. Der PEPL wird derzeit den politischen Gremien präsentiert und war auch im Juni Tagesordnungspunkt auf der Sitzung der Bezirksvertretung Chorweiler. Die Abstimmung wurde jedoch vertagt, die Bezirksvertreter möchten sich zunächst bei einer Ortsbegehung ein Bild machen und haben dazu Joachim Bauer eingeladen, den stellvertretenden Leiter des Grünflächenamtes. Der Termin steht noch nicht fest.

Gefragt, ob sie von der Angelegenheit schon gehört habe, winkt Margarete Bast (75) entnervt ab. Mit ihrem Mann Erich (83) wohnt sie im Nachbarhaus neben dem Kasselberger Gretchen. Gemeinsam betrieben sie lange Jahre sowohl die Gastwirtschaft als auch den Campingplatz, mittlerweile hat Sohn Bernd die Geschäfte übernommen.

Das Gretchen ging an Klaus Kahmann. Namensgeberin der Kneipe war die Großmutter von Margarete Bast, aus Tradition werden in der mütterlichen Linie die erstgeborenen Töchter Margarete getauft.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Der lange Kampf um den Campingplatz.

Kampf um den Campingplatz

Seit der Campingplatz besteht, sei sie mit der Forderung konfrontiert, ihn aufzugeben, sagt Bast. „Es brodelt immer wieder.“ 1972 war die Lage so ernst, dass die Kasselberger zum letzten Mittel griffen: „Wir sollten weg, da haben wir vor dem Stadthaus demonstriert.“ Mit Erfolg.

Wann der Campingplatz angelegt wurde, weiß sie nicht genau, auf jeden Fall lange vor ihrer Zeit, ihre Großeltern hätten ihn bereits geführt. Ihre Eltern betrieben die Gastwirtschaft von 1939 bis 1972, danach übergaben sie sie an Erich und Margarete.

Käme für das Wohnwagen-Areal das Aus, befürchtet Bast: „Dann wäre in Kasselberg tote Hose.“ Im Dorf stehen zehn Häuser, zählt sie an den Fingern ab. Sie schätzt die Einwohnerzahl auf etwa 100, die meisten Alteingesessene, und es sei ein harmonisches Miteinander. Schließlich müsse die Dorfgemeinschaft vor allem bei Hochwasser fest zusammenhalten.

Marginale Eingriffe in die Natur

Den Uferabschnitt hat die Familie von der Wasserwirtschaftsbehörde gepachtet. Dass der Campingplatz vom Grünflächenamt erneut infrage gestellt wird, beunruhigt die Seniorin mehr, als sie zugeben möchte. „Wat will man maache“, gibt sie sich fatalistisch, um dann einzugestehen: „Wir machen uns schon Gedanken, unsere gesamte Existenz hängt dran. Es war jemand vom Bürgerverein bei uns und hat gesagt: So läuft die Sache, es gibt eine Anhörung.“

Gemeint war die Bezirksvertreterversammlung Anfang Juni. Sohn Bernd ging hin, kam aber unverrichteter Dinge wieder. Nun heißt es: abwarten.

Dieter Brandau, Langeler SPD-Bezirkspolitiker, ist heute Morgen ebenfalls zum Gretchen gekommen, sitzt auf der Terrasse. Seine Meinung steht fest: „Die Diskussion ist alt, sie kocht immer wieder hoch, bestimmt seit 20 Jahren soll der Platz weg, aber der Eingriff in die Natur ist doch marginal.“

Die Anlage beanspruche am Ufer höchstens eine Breite von 25 Metern. Vor Jahren war er selbst in Kasselberg Camper, stellte öfter sein Wohnmobil ab; damals, als er noch in Seeberg wohnte. Nach dem Tod seiner Frau zog er nach Langel. „Wenn wir zu faul waren, nach Holland zu fahren, haben wir das Wochenende hier verbracht.“

„Hallo Ludwig“, grüßt Brandau einen alten Bekannten. Ludwig Peets ist gemeint. Der 75-Jährige gehört mit seiner Frau zu den Dauercampern, er wohnt in Pesch, seit sieben Jahren steht sein Wohnwagen am Rhein. Wenn schönes Wetter ist, fährt er nur zum Duschen und Wäschewaschen nach Hause, erzählt der Rentner.

Was macht er bloß den lieben langen Tag? „Och, der Tag ist so kurz“, sagt Peets. „Rasen schneiden, in der Sonne liegen, Kaffee trinken, fernsehen.“ Ja, er habe davon gehört, dass der Campingplatz von Amts wegen weg soll. „Warum stört er? Ich wüsste nicht, wieso“, wundert sich Peets.

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