Die Autorin und Influencerin Clara Lösel erreicht ein vor allem junges Millionenpublikum. Ihre Gedichte handeln von mentaler Gesundheit, existenziellen Gefühlen und Schönheitswahn.
Bestseller-Autorin Clara Lösel in Köln„Jugendliche denken nicht viel über den Mondschein nach“

Autorin und Poetry-Influencerin Clara Lösel kommt während im Rahmen ihrer Tour auch nach Köln.
Copyright: Alexander Schwaiger
Wenn Clara Lösel auf Hetze im Netz reagiert, ist Wortwitz ihr stärkstes Mittel dagegen. Kein Gegen-Hass, kein erhobener Zeigefinger. Stattdessen Schlagfertigkeit, die die Gegenseite ihrer Lächerlichkeit preisgibt. „Gestern hat ein Mann mir hier geschrieben: Du bist bestimmt gut zu vögeln“, sagt die Autorin und Influencerin in einem ihrer Videos auf der Plattform Instagram. „Und er hat Recht. Ich bin gut zu Finken, zu Amseln, zu Meisen und zu Rotkelchen. Und hier noch ein Reim, weil ich ja Gedichte schreibe: Ich bin gut zu Vögeln und statt mit Hatern zu chatten würde ich immer lieber Bäume pflanzen, um Vögel zu retten.“
Mit ihren Gedichten hat die 26-Jährige in nicht einmal zwei Jahren ein Millionenpublikum auf Social Media erreicht, aber nicht nur: Im Frühjahr ist ihr Buch „Wehe, du gibst auf“ erschienen und auf Anhieb zum Bestseller geworden. Und im November steht ihre erste eigene Deutschlandtour mit acht Terminen an: Am Dienstag, 25. November, tritt die junge Autorin im Theater im Tanzbrunnen auf. Wir treffen Lösel an einem diesigen Tag Anfang Oktober in den Rheinterrassen. Mit Köln verbindet Lösel ein weiteres Erlebnis in Rhein-Nähe: ihren ersten Literaturpreis, empfangen im Schokoladenmuseum.
Clara Lösel: Markenzeichen ist naher Bildausschnitt
Die 26-Jährige freut sich auf ihre Tour: „Ich arbeite gerade viel daran, es wird Texte geben, die weder auf Social Media noch im Buch sind. Außerdem begleitet mich ein Pianist für die musikalische Untermalung“, sagt Lösel. Auch die Geschichten hinter den Gedichten möchte sie auf der Bühne erzählen: was die Hasskommentare mit ihr machen, die Geschichte von ihrem kürzlich verstorbenen Opa, der sie für Literatur und das Schreiben überhaupt seit der Kindheit begeistert hat und dem auch das Buch gewidmet ist.
„Wir lachen, weinen und denken gemeinsam nach“, so Lösel. Bühnenerfahrung hat die Autorin bereits: Sie hat schon Preview-Lesungen gegeben, hat in Schulen gelesen. Doch die Tour ist die erste große eigene Show. Probleme, diese zu füllen, dürfte Lösel nicht haben. Ihrem Instagram-Profil folgen 350.000 Personen. Etwa ein Drittel fanden in den ersten Wochen nach Start des Profils zu ihr, denn sie hat sich damals eine 100-Tage-Challenge gesetzt: Jeden Tag ein neues Gedicht, eingesprochen in die Kamera, die ihr Gesicht ganz nah zeigt. Dieser Kameraausschnitt, der ihr Gesicht so fokussiert, und Nähe erzeugt, ist ihr Markenzeichen.

Treffen mit Autorin, Influencerin Clara Lösel, die mit ihren gesprochenen Gedichten ein Millionen-Publikum auf Social Media erreicht. Ihr Buch ist ein Bestseller und jetzt geht sie auf Tour und macht Halt in Köln.
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„Ich wollte ja schon, dass die Leute meine Texte lesen und anfangs hatte ich nicht so Lust auf Social Media, habe mich nicht so recht getraut. Dann habe ich mir diese Challenge gesetzt.“ Was dann folgte, war ein rauschhafter Anstieg von Followern und damit des Erfolgs. Das liegt größtenteils an den Themen, die vor allem junge Menschen stark bewegen: Selbstzweifel, Schönheitsideale, mentale Gesundheit, Essstörungen. Diese überwältigende Resonanz könne mitunter belastend sein. „Gerade diese Themen gehen traurigerweise viral. Das bedeutet, dass alle das fühlen. Mir schreiben auch Mütter zum Beispiel, wenn sie bei ihren Kindern beobachten, dass sie unter dem Schönheitswahn leiden.“
Doch es gibt nicht nur Traurigkeit oder Wut. „Die Leute schöpfen ja auch Hoffnung aus den Texten. Das ist das, was ich daran liebe: Zu schweren Themen zu sprechen, aber nicht mit Resignation.“ Ihr Anspruch sei es, eine positive Wendung in ihren Texten einzubauen. Der Titel ihres Buchs „Wehe du gibst auf“ beschreibt genau das, was die Autorin mit ihrer Wortneuschöpfung „Hoffnungspflicht“ meint.
Clara Lösel: Lehrkräfte und Jugendliche geben ihr viel Resonanz
Hoffnung macht Lösel, die Germanistik und Spanisch auf Lehramt studiert hat, dass Jugendliche durch sie auf den Geschmack von Gedichten kommen. „Mir schreiben häufig Jugendliche und sagen, sie haben erstmals Lust bekommen, ein Buch zu lesen. Oder sagen: ich habe selber etwas geschrieben, willst du mal lesen? Auch Lehrkräfte schreiben mir und zeigen Bilder vom Unterricht und wie sie meine Texte verwenden“, so Lösel.
Lyrik habe ein eingestaubtes Image, dabei eigne sich doch gerade die kurze, dichte Form in Zeiten verknappter Aufmerksamkeitsspannen gut. „Man liest im Unterricht viel Romantik, Eichendorff etwa, was ja seine Berechtigung hat. Aber die Jugendlichen denken jetzt nicht so viel über den Mondschein nach, sondern mehr: Wie wirke ich auf andere Leute? Warum geht’s mir schlecht? Was ist mit meiner Zukunft und der Klimakrise?“
Sie glaubt, dass man die Lebenswelt der Jugendliche mehr einbeziehen müsse, wenn Gedichte besprochen werden. Ihren einstigen Plan, Lehrerin zu werden, hat Lösel erstmal auf Eis gelegt. Viel lieber möchte sie als Autorin die Jugendlichen weiter erreichen. Ganz bald möchte sie eine Schultour machen. „Von außen wirkt es, als ob ich jetzt etwas ganz anderes mache. Aber der Grund, Lehramt zu studieren war ja, dass ich junge Menschen begeistern und in einer wichtigen Zeit ihres Lebens begleiten wollte.“
Clara Lösel, „Wehe du gibst auf“-Tour im Theater am Tanzbrunnen am Dienstag, 25. November um 19.30 Uhr. Tickets kosten zwischen 29,90 Euro und 34,90 Euro.

