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„Olle Zellen, coole Beamte“Ex-Häftlinge bewerten Knäste im Internet – und so schneidet Köln ab

Lesezeit 3 Minuten
Eine Justizbedienstete schaut in einem Hafthaus des Kölner Klingelpütz' durch das Guckloch einer Zellentür in die Zelle.

Alltag im Klingelpütz: Eine Bedienstete kontrolliert eine Zelle.

Hotels, Handwerker, Ärzte – für fast alles gibt es Bewertungsportale im Internet. Auch für Gefängnisse. Köln belegt einen Platz im Mittelfeld.

Ruhige Lage in gepflegtem Wohnviertel, gute Autobahnanbindung, überwiegend nettes Personal – aber das Zimmer und die Gemeinschaftsräume? In desolatem Zustand. „Exkremente an den Wänden, Kalk im Wasserkocher, Einrichtung zerfällt in ihre Einzelteile“, schreibt ein Ex-Bewohner. Herzlich Willkommen im Drei-Sterne-Hotel Klingelpütz.

So jedenfalls urteilen Gefangene im Internet über die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Köln-Ossendorf. Unter der Adresse prisons.eu präsentiert der private Betreiber der Homepage einen „Hotelführer“ für deutsche Haftanstalten. Fast alle 220 deutschen Gefängnisse und Anstalten für den Maßregelvollzug werden hier von Sträflingen, Angehörigen und Bediensteten beurteilt. Einen Stern gibt es für miese Verwahranstalten, fünf Sterne für den Luxusknast. Köln liegt mit 2,8 Sternen im oberen Mittelfeld.

Dreck in allen Ecken, Kakerlaken in den Zellen
Ex-Häftling des Klingelpütz

Vor allem am baulichen Zustand der 53 Jahre alten Gebäude lassen die Ex-Insassen kein gutes Haar. „Nach dem Hotel Aachen dann ins Hotel Köln-Ossendorf zu kommen, ist so, als ob man von der Villa Bellevue in die Bronx zieht“, schreibt ein User, der sich Don Mario nennt. „Die Appartements sind katastrophal, verkalkte Wasserleitungen, Qualität des Essens 4 minus.“

Ein anderer wird noch deutlicher: „Dreck in allen Ecken, massiver Schädlingsbefall von Ratten auf den Pausenhöfen und Kakerlaken in den Zellen.“ Und erst die Verpflegung: „Tierchen im Essen, Suppe versalzen, Mittagessen kalt.“ Oder um es mit Ute zu sagen: „Dieser Scheißbau ist das Allerletzte. Einfach alles Kacke.“

Bewertungen der JVA Köln-Ossendorf nicht repräsentativ

Insgesamt 65 anonyme Bewertungen liegen über das Kölner Gefängnis vor, die meisten sind schon einige Jahre alt. Repräsentativ ist dieser etwas andere „Hotelführer“ natürlich nicht, nachprüfen lassen sich die Beschreibungen auch nicht. Und doch geben die kurzen Texte kleine Einblicke in eine Welt, die den allermeisten verschlossen bleibt.

Ein Nutzer mit dem Pseudonym „Irgendwer“ schreibt: „Ich habe völlig zu Recht acht Monate in Ossendorf verbracht. Ich kann nur sagen, dass die Zellen zwar oll und schmutzig sind, nach einer Grundreinigung jedoch durchaus bewohnbar waren.“

Ich habe seit zwei Jahren keine Beschwerde mehr über das Essen gehört
Kölner JVA-Leiterin Angela Wotzlaw

JVA-Leiterin Angela Wotzlaw kennt die Internetseite flüchtig, sagt sie. Mit insgesamt 2,8 Sternen könne sie „gut leben“. Dass das Gefängnis baulich marode sei, sei kein Geheimnis. In den nächsten Jahren sollen endlich die Arbeiten für den Neubau starten. Die vielen vernichtenden Aussagen über das Essen allerdings kann Wotzlaw nicht nachvollziehen. „Ich habe seit zwei Jahren keine Beschwerde mehr über das Essen gehört.“ Auch seitens der Gefangenenmitverantwortung – einem Gremium aus gewählten Vertretern der Insassen – gebe es dahingehend keine Klagen.

Überwiegend positiv bewerten viele User das Verhalten der Bediensteten. „Wenn man nett zu denen ist, sind sie es auch. Ich werde inzwischen auch mit Namen begrüßt“, freut sich Davinashania. Martina findet die meisten Beamten „echt voll cool“, und Nathalie vermisst nach fünf Jahren Knast sogar „ein bis zwei Beamtinnen“.

Ein User namens „Kerkermeister“ – offensichtlich ein Bediensteter – fasst seine Erfahrungen im Klingelpütz so zusammen: „Für die größte Anstalt NRW’s im geschlossenen Vollzug geht es noch human zu. Und immer daran denken: Wir haben niemanden eingeladen, dort seine Zeit zu verbringen.“ Tatsächlich können sich Gefangene nicht einmal aussuchen, in welcher Haftanstalt sie ihre Strafe absitzen. Das entscheidet eine Kommission nach verschiedenen Kriterien.

Am besten schneidet auf prisons.eu die JVA Euskirchen ab – nicht überraschend, handelt es sich doch um eine Anstalt für den offenen Vollzug. 4,6 Sterne verteilen die Gefangenen. Volle fünf Sterne etwa gibt es von „Knasti“. Ein „super Laden“, schreibt er, „kann ich nur empfehlen.“

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