Prozess in KölnVerwaltungsgericht entscheidet über Durchsuchungspraxis der Polizei

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Symbolbild

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Köln – Ihre Hände sollte sie an eine Scheibe an der Wand legen. Polizisten nahmen Andrea Krämer (Name geändert) die Bauchtasche ab, ihre Bankkarte, ihr Handy, den Schlüssel, ein Feuerzeug und 15 Euro Bargeld. So weit, so gut.

Aber was dann geschah in jener Nacht im Zellentrakt des Polizeipräsidiums, beschäftigt am heutigen Mittwoch, zwei Jahre und drei Monate später, das Verwaltungsgericht Köln. Es geht um die Frage, wie die Polizei Menschen behandeln darf, die sie fest- oder in Gewahrsam genommen hat. Diese Frage berührt juristische, aber auch ethische Belange.

Asugezogen und Intimbereich abgetastet

Krämer war von Polizisten mitgenommen worden, nachdem sie nach einer aufgelösten Hausparty in Kalk mit anderen Partygästen vor die Kalker Post weitergezogen war. Laut Polizei war die Gruppe laut und aggressiv, einzelne hätten Flaschen auf Beamte geworfen.

Auch Andrea Krämer sei „verbal aggressiv“ gewesen, habe Widerstand geleistet, Beamte beleidigt und einen Platzverweis ignoriert. Später, in der Zelle, waren angeblich fünf Beamte erforderlich, um die sich wehrende Krämer festzuhalten und sie zu durchsuchen.

Krämer sagt, man habe sie gegen ihren Willen entkleidet und die Körperöffnungen im Intimbereich abgetastet. Zwei weibliche und drei männliche Polizisten seien dabei gewesen. Sie habe geweint. Man habe das getan, begründet die Polizei, um auszuschließen, dass die Gefangene Gegenstände wie kleine Messer oder ein Feuerzeug am oder im Körper versteckt hielt, womit sie sich oder andere hätte verletzen können. Gefunden wurde nichts.

Entkleiden ist Standard

Krämers Anwalt, Sven Tamer Forster spricht von einem illegalen „schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht“ und einem Verstoß gegen die Menschenwürde. Für eine Entkleidung, erst recht für eine Untersuchung der Körperöffnungen, bedürfe es laut Rechtsprechung besonderer Umstände, argumentiert er. „Das darf niemals eine Standardmaßnahme sein.“

Genau das aber scheint es zu sein, jedenfalls bei der Polizei Köln. Es gebe zwar keine landesweite Regelung, die ausdrücklich eine Entkleidung vorsehe, räumt die Behörde selbst ein. In Köln sei das aber Praxis.

Bei 10.000 Ingewahrsamnahmen pro Jahr könne man nicht jeden Einzelfall prüfen.

Dass seine Mandantin an jenem Abend aggressiv gewesen sei, bestreitet Anwalt Forst überdies vehement. Die Polizei hätte Krämer gar nicht mitnehmen dürfen, sagt er. Auch darüber muss das Verwaltungsgericht entscheiden.

Tatsächlich ist fraglich, ob es die behaupteten Widerstandshandlungen gegeben hat. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegen Handyvideos vor, die große Teile des Einsatzes vor der Kalker Post zeigen. Flaschenwürfe sind nicht zu erkennen. Die Aufnahmen zeigen auch Andrea Krämer; nicht durchgängig zwar, aber in allen Szenen, die es von ihr gibt, sieht man eine ruhige, keineswegs aggressive Frau. Statt Beleidigungen hört man sie nur wiederholt „Keine Gewalt“ rufen.

Dennoch hatten Polizisten Krämer und einen weiteren aus der Gruppe wegen Widerstands angezeigt. Ein Amtsrichter hat beide freigesprochen – unter anderem wegen der Videos. Und weil sich drei Polizisten im Prozess widersprachen.

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