Exklusiver Blick in die DatenbankenWas weiß die Polizei Köln eigentlich alles über mich?

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Eine Polizistin hält ein Handy über einen Personalausweis, um Daten zu einer Person abzufragen.

Welche Daten und Fakten kann die Polizei mit ein paar Anfragen im Polizeicomputer über mich herausfinden?

Vorstrafen, Namen der Kinder, Mängelliste des TÜV: Dies und noch viel mehr kann die Polizei sekundenschnell recherchieren.

Viele Autofahrer kennen das: Man gerät in eine Verkehrskontrolle und wird gebeten, Fahrzeugschein und Führerschein herauszugeben. Mit den Papieren verschwindet der Polizist oder die Polizistin dann erst einmal für ein paar Minuten im Streifenwagen. Zurück bleibt oft ein mulmiges Gefühl – selbst wenn man sich keinerlei Schuld bewusst ist.

Was genau checken die Beamten jetzt? Auf welche Datenbanken greifen sie zu? Was weiß die Polizei eigentlich alles über mich?

Köln: Warnhinweis für Polizisten bei gewalttätigen Personen

In einem Schreibraum der Wache Köln-Kalk am Walter-Pauli-Ring sind wir mit den Streifenbeamten Katharina Wallraff und Benjamin Sepanski verabredet. Personen- und Verkehrskontrollen sind ihr tägliches Geschäft. Eine besondere Ausnahmegenehmigung macht es möglich, in diesem Einzelfall den Beamten beim Prüfen der eigenen Daten über die Schulter schauen zu können.

Grundsätzlich haben Polizisten zwei Möglichkeiten, einen Ausweis zu überprüfen: Sie können das Dokument über eine App auf dem Diensthandy einscannen und gleich vor Ort auswerten – oder sie funken die Daten an einen Kollegen auf der Wache, der sie in den Computer eintippt.

Am PC öffnet Sepanski eine Eingabemaske, er trägt Vor-, Nachname und Geburtsdatum aus dem Personalausweis des Reporters ein sowie das Kennzeichen des Privatautos. Bis hierhin schon mal beruhigend: Offene Haftbefehle existieren nicht. Ein aktuelles oder frühere Fahrverbote auch nicht. „Taktische Hinweise“, so verrät es das Diensthandy von Katharina Wallraff, müssen im Umgang mit mir – jedenfalls nach Einschätzung der Polizei – ebenso wenig befolgt werden. Anders etwa als bei jemandem, der schon häufiger mit Gewaltdelikten aufgefallen ist oder eine Waffe besitzt. Dann würde auf dem Smartphone unter Umständen ein Warnhinweis zur Eigensicherung aufploppen.

Der Grundsatz laute: „Immer nur so viel prüfen wie nötig“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Baldes. Eine Komplettrecherche in allen verfügbaren eigenen und fremden Datenbanksystemen unterbleibe „in der Regel schon aus zeitlichen Gründen“. In polizeilichen Einsatz- und Gefahrenlagen könne es aber „sehr wohl erforderlich sein, zum Schutz von Unbeteiligten sowie Einsatzkräften viel über eine Person zu wissen“.

Bei einer Routine-Verkehrskontrolle checken die Beamten über den Fahrer oder die Fahrerin Informationen in drei verschiedenen Datenbanken. Die erste heißt VIVA. Sie verrät, ob eine Person aktuell in NRW zur Fahndung ausgeschrieben ist und ob sie zuletzt als Beschuldigte oder als Opfer einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Erscheinung getreten ist – und worum es dabei ging. Die zweite Datenbank, INPOL, gibt preis, ob die Person bundesweit gesucht wird. Das dritte Verzeichnis, SIS, gibt Aufschluss, ob in einem der Schengen-Staaten, also grenzübergreifend, nach ihr gesucht wird.

Jede Abfrage am Polizei-PC wird intern protokolliert – Missbrauch ist  strafbar

Im vorliegenden Fall steht im Polizeicomputer vermerkt, dass ich im Juni 2021 den Diebstahl meiner Kreditkarte angezeigt habe. Zwei, drei weitere Klicks, und es öffnet sich die damalige Strafanzeige. „Bei einer gewöhnlichen Verkehrskontrolle würden wir uns die natürlich nicht angucken, da geht es ja vor allem darum, die Verkehrstauglichkeit zu prüfen“, sagt Sepanski. „Außerdem müssen in jedem Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen für eine erweiterte Abfrage vorliegen.“

Aber es gibt Fälle, in denen könnten die Ermittler anhand der Angaben in einem anderen, oftmals auch älteren Ermittlungsverfahren, wichtige Zusatzinfos zur betreffenden Person finden. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn sie früher einmal der Polizei gegenüber freiwillige Angaben zur Handynummer, dem Beruf, der Adresse der Arbeitsstätte oder dem Namen und der Anschrift einer Bezugsperson gemacht hat.

Vorstrafen oder etwaige frühere Gefängnisaufenthalte sind zwar im Polizei-PC nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber grundsätzlich in einer Datenbank hinterlegt, sofern die Einträge noch nicht gelöscht wurden. Denn für verschiedene Daten gibt es unterschiedliche gesetzliche Löschungsfristen. Nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen zu recherchieren, könnte auch im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle unter Umständen Sinn ergeben, sollten Beamte zum Beispiel Einbruchswerkzeug im Kofferraum finden.

Daten helfen, in Notlage Angehörige ausfindig zu machen

Familienstand, Name des Lebens- oder Ehepartners sowie die Geburtsdaten und Vornamen der Kinder kann die Polizei anhand der Ausweisdaten ebenfalls mit ein paar Klicks im PC herausfinden. „Sollte ein Kind verloren gehen, und es kann uns seinen Namen nennen, könnten wir sehr schnell herausfinden, wer die Eltern sind“, sagt Oberkommissarin Wallraff.

Sämtliche Wohnanschriften einer Person seit Geburt sind im Register des Einwohnermeldeamtes hinterlegt. Auch darauf hat die Polizei Zugriff. „Der Wohnsitz ist dann wichtig, wenn jemand keinen Ausweis dabei hat und festgestellt werden muss, ob er einen festen Wohnsitz hat, zum Beispiel wenn die Person keine Auskunft darüber gibt“, erklärt Polizeisprecher Baldes. Anhand früherer Anschriften kann die Polizei im Zweifel möglicherweise auch Verwandte oder andere Ansprechpartner ausfindig machen – zum Beispiel im Unglücksfall, wenn der Ausweisinhaber nicht mehr ansprechbar ist und die Polizei Angehörige informieren will.

Handyortung durch die Polizei nicht ohne Weiteres möglich

Führerscheindaten würden nur überprüft, wenn jemand keinen Führerschein dabei hat oder Zweifel an der Echtheit bestehen, erklärt Baldes. Über das Autokennzeichen haben die Ermittler Zugriff auf alle Daten aus dem Fahrzeugschein: Baujahr, Tag der Zulassung, eventuelle nachträgliche Umbauten, aber auch der Name des Halters ist vermerkt sowie Infos zum Versicherungsschutz und ob das betreffende Auto schon einmal im Zusammenhang mit einer Straftat oder einem Unfall aufgefallen ist.

Wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, kann mit ein wenig mehr Aufwand außerdem recherchiert werden, wie oft der Halter zum Beispiel schon geblitzt wurde, wie viele Punkte in Flensburg er hat und sogar, ob er ein Parkknöllchen nicht bezahlt hat. „Das ist bei einer handelsüblichen Verkehrskontrolle aber nicht vorgesehen“, sagt Oberkommissar Sepanski.

Selbst die Mängelliste der letzten TÜV-Abnahme steht im Polizeicomputer. Im vorliegenden Fall sind das ein defektes Lämpchen der Kennzeichenbeleuchtung sowie „Alterungsrisse“ im linken und rechten Vorderreifen. Richtig, da war mal was.

Was die Polizei übrigens nicht so ohne weiteres kann – auch wenn Fernsehkrimis das mitunter vermuten lassen – ist eine Ad-hoc-Handyortung. Es komme schon mal vor, berichtet Polizeisprecher Philipp Hüwe, „dass jemand über die 110 anruft, und wenn man ihn fragt, wo genau er sich gerade aufhält, sagt er: Keine Ahnung, Sie können mich doch orten.“ Das aber darf die Polizei grundsätzlich nur mit einem richterlichen Beschluss – oder in einer Notlage, wenn ein Mensch akut in Lebensgefahr schwebt. Eine metergenaue Ortung ist aber selbst dann technisch nicht möglich.

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