„Ein Desaster“Kölner Fahrschüler warten wochenlang auf Prüfungstermine

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Michael Peters, Fahrlehrer von „Ming Fahrschull“.

Köln – Sechs Wochen, manchmal zwei Monate – so lange müssen Kölner Fahrschüler und -schülerinnen momentan auf einen Termin für ihre praktische Führerscheinprüfung warten. „Wir schieben aktuell 60 Prüflinge vor uns her, da hat sich ein riesiger Stau entwickelt“, sagt Michael Peters, Fahrlehrer und Inhaber von „Ming Fahrschull“. Es komme regelmäßig vor, dass ein Fahrlehrer mit dem Schüler vor der Tüv-Zentrale auf den Prüfer warte und vor Ort erfahre, dass die Prüfung ausfällt. „Manchmal informiert uns auch niemand“, sagt Peters.

„Wir bekommen keinen Ersatztermin, sondern müssen einen neuen beantragen. Und das dauert dann wieder sechs bis acht Wochen“, ärgert sich Peters. „Für uns als Fahrschule ist das ein Desaster!“ Ein bis zwei Tage pro Woche sind bei „Ming Fahrschull“ Prüfungstage. Das heißt: Ein Prüfer prüft an dem Tag bis zu neun Schülerinnen und Schüler, die alle von ihrem jeweiligen Fahrlehrer begleitet werden. „Die nehmen sich für diese Zeit frei. Wenn aber ein Prüfer ausfällt, fallen sämtliche Prüfungen aus.“ So kurzfristig könnten die Fahrlehrer keine anderen Fahrstunden übernehmen, arbeiten also in der Zeit nicht. „Ich muss sie bezahlen, kann aber die ausgefallene Prüfung natürlich nicht den Schülern in Rechnung stellen.“

Kölner Fahrlehrer: Wartezeit auf die Führerscheinprüfung kostet viel Geld

Auch Markus Höfs, seit mehr als 20 Jahren Fahrlehrer und Inhaber der Kölner Fahrschule „Pro Drive“, berichtet von wochenlangen Wartezeiten und kurzfristig oder nicht abgesagten Prüfungen: „Früher hat es nur zwei Wochen gedauert, bis man einen Prüftermin bekommen hat.“ In den vergangenen Monaten haben sich die Situation massiv zugespitzt.

Das koste alle Beteiligten viele Nerven, doch vor allem viel Geld. Um in Übung zu bleiben, empfehlen sowohl Peters als auch Höfs zufolge den Fahrneulingen, während der Wartezeit auf einen neuen Prüftermin, mindestens einmal pro Woche zu fahren. 120 Euro fallen pro Doppelstunde an. Bei einer Wartezeit von sechs bis acht Wochen kommen da also bis zu 960 Euro zusammen. Weitere Kosten kommen zustande, wenn so viel Zeit vergeht, dass die Papiere ablaufen. Dann müsse ein neuer Antrag für den Führerschein gestellt und sogar die bereits bestandene Theorie-Prüfung wiederholt werden.

Tüv Rheinland: Corona hat lange Wartezeiten für Fahrschulen verursacht

Der Tüv Rheinland bestätigt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ die aktuell langen Wartezeiten. „Das Problem besteht bundesweit, insbesondere in den Metropolen“, sagt Sprecher Wolfram Stahl. Hauptgrund sei Corona: Zehn bis zwölf Prozent der praktischen Führerscheinprüfungen fallen demnach aktuell krankheitsbedingt aus. Vor der Pandemie habe die Quote bei rund einem Prozent gelegen. „Wenn ein Prüfer Corona hat, fällt er mehrere Tage aus. Und so kurzfristig finden wir keinen Ersatz“, sagt Stahl.

Denn wie viele Branchen kämpft auch der Tüv mit Personalnot. Aktuell arbeiten mehr als 200 Fahrprüfer beim Tüv Rheinland. „Das sind Ingenieure mit einer zusätzlichen zweijährigen Ausbildung. Die findet man nicht auf dem Markt“, sagt der Tüv-Sprecher. Die Anzahl der Prüfer sei bereits aufgestockt worden, Fachkräfte aus den Fahrzeug-Prüfstellen seien rekrutiert und intern weitergebildet worden, außerdem seien auch Ruheständler eingesetzt worden.

Tüv Rheinland will auch samstags praktische Fahrprüfungen in Köln anbieten

„Wir tun alles, was wir können und sind in diesem Jahr mehr Prüfungen gefahren als je zuvor“, sagt Stahl. Im Jahr 2019, vor der Pandemie, habe es im Zeitraum von Januar bis August 94.000 praktische Führerscheinprüfungen gegeben. In diesem Jahr seien es im selben Zeitraum 101.000 gewesen.

Als weiteren Grund für den Prüfungsstau nennt der Tüv Rheinland die Tatsache, dass die Dauer der praktischen Prüfung Anfang 2021 von 45 auf 55 Minuten verlängert wurde. „Früher konnte ein Fahrprüfer elf Prüfungen fahren, inzwischen sind es nur noch neun pro Tag,“ sagt der Sprecher. Zudem sei die Anzahl der Führerscheinbewerber höher, als der Tüv angenommen hatte – der Führerschein ist beliebter als gedacht. Um Abhilfe zu schaffen, sollen ab Ende Oktober auch samstags Prüfungen stattfinden, kündigt der Tüv Rheinland an.

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Die Fahrlehrer rechnen indes nicht mit einer schnellen Verbesserung: „Das Problem liegt nicht an Corona, das hat sich seit Jahren angebahnt“, sagt Höfs. Fahrlehrer Peters sieht das ähnlich: „Das ist das Ergebnis falscher Personalpolitik beim Tüv.“

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