Versicherer warnen vor GefahrenBei Micro Cars können schon 15-Jährige alleine hinterm Steuer sitzen

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Wer alleine auf motorisierten vier Rädern unterwegs sein will, muss normalerweise 18 Jahre alt sein. Doch es gibt eine Alternative – Micro Cars.

Fahrrad, Moped, Bus oder Bahn – es gibt viele Möglichkeiten, als Jugendlicher in Köln von A nach B zu kommen. Das Auto gehört normalerweise jedoch nicht dazu. Auch Minderjährige, die bereits ihren Führerschein gemacht haben, dürfen bis zum 18. Geburtstag nur mit Begleitung hinter dem Steuer sitzen.

Bei Lennart Koschmieder ist das anders. Der 17-jährige Schüler aus Brühl saß schon mit 15 Jahren das erste Mal alleine hinterm Steuer. Seitdem hat er in seinem eigenen Wagen schon über 50.000 Kilometer zurückgelegt. Und das völlig gesetzeskonform. Möglich macht das der spezielle Wagen, den Koschmieder fährt – ein sogenanntes Micro Car. 

Alleine Autofahren ab dem 15. Lebensjahr: Das sind Micro Cars

Als Koschmieder an einem wolkenverhangenen Nachmittag auf einen Kölner Parkplatz einbiegt, wird schnell klar, woher dieser Name kommt. Sein grauer Wagen ist etwa so groß wie ein herkömmlicher Smart. „Er ist allerdings ein Stückchen länger, das habe ich gemessen“, meint Koschmieder. Vor allem ist der Wagen lauter als ein Smart. Der Motor heult laut auf, ist deutlich zu hören.

Ein Jugendlicher sitzt hinter dem Steuer eines Wagens und schaut nach draußen.

Neben Koschmieder kann noch eine weitere Person im Wagen Platz nehmen.

Weitere Unterschiede fallen erst beim näheren Hinschauen auf. Anders als bei einem herkömmlichen Auto ist die Karosserie nicht aus Metall, sondern aus Hartplastik, die um einen Metallrahmen gespannt ist. Die Innenaustattung ist eher spartanisch, auch hier dominiert Plastik. Eine Ausnahme bilden nur die schicken Ledersitze und die Lautsprecherboxen im Kofferraum.

Der Grund für die reduzierte Ausstattung liegt in den gesetzlichen Bestimmungen für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge, wie die Micro Cars auf Behördendeutsch heißen. Maximal 3 Meter dürfen sie lang, 1,5 Meter breit und 2,5 Meter hoch sein. Das Leergewicht darf die Marke von 425 Kilogramm nicht überschreiten (bei Elektrofahrzeugen ohne Batterien). Die Geschwindigkeit ist auf höchstens 45 Kilometer pro Stunde beschränkt.

Unabhängig unterwegs: Die Vorteile eines Micro Cars

Obwohl zu einem „richtigen“ Auto also noch einiges fehlt, ist Koschmieder froh, dass sein Großvater ihm so einen Wagen zum 15. Geburtstag geschenkt hat: „Ich benutze ihn, um zur Schule zu fahren, um mich mit Freunden zu treffen und kleine Erledigungen zu machen.“ Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand. Er sei unabhängig von seinen Eltern, müsse sich um Regen keine Gedanken mache und auch nicht darum, ob die Bahnen überhaupt fahren. In der Stadt sei die Parkplatzsuche kein Problem.

Auch seine Freunde reagieren positiv auf sein Micro Car, erzählt Koschmieder: „Die finden das cool und schick.“ Im Straßenverkehr habe er bisher fast nie negative Erfahrungen gemacht. Nur einmal habe ihn ein anderes Auto auf der Landstraße geschnitten, anscheinend weil dem Fahrer die niedrige Geschwindigkeit des Micro Cars nicht passte.

Auch finanzielle Vorteile biete das Micro Car für ihn. Um es zu fahren, benötigt man lediglich einen Führerschein der Klasse AM, wie man ihn zum Beispiel auch für ein Moped braucht. Leichtkraftfahrzeuge müssen außerdem nicht zum TÜV, ihre Versicherung ist deutlich günstiger und ihre Besitzer zahlen auch keine Kfz-Steuer. Tatsächlich müssen sie das Auto nicht einmal bei der Zulassungsstelle registrieren lassen. Das Kennzeichen erhält man beim Abschluss einer Versicherung. Zuletzt verbraucht Koschmieders Micro Car gerade einmal vier Liter Diesel auf 100 Kilometern.

Trotz Vorteilen: Micro Cars sind weiterhin ein Nischenprodukt

Trotz aller Vorteile: Der Markt für Micro Cars ist überschaubar. Das wissen Yalcin Cetin und Ali Arat. Die beiden Geschäftspartner betreiben einen Kfz-Reparaturbetrieb in Köln-Bickendorf. Mehrere Jahre lang haben sie für ein Kölner Autohaus, das sich auf Micro Cars spezialisiert hatte, den Reparaturservice übernommen. Nachdem der Verkauf bei ihrem Partner eingestellt wurde, haben sie vor Kurzem angefangen, die Wagen selbst zu vertreiben. 

In Köln seien sie damit die einzigen. Ihr Monopol in Verkauf und Service bezieht sich aber auf einen kleinen Markt. Nur etwa 200 Micro Cars gebe es in Köln und Umgebung. Dennoch lohne sich ihr Geschäft aktuell und hoffentlich bald noch mehr: Im April wollen sie einen kleinen Showroom an der Luxemburger Straße eröffnen. 

Preislich starten die Wagen, die die beiden zum Kauf anbieten, bei 10.500 Euro. Das sei dann aber extrem schlicht. Wer etwas mehr Komfort möchte oder zum Beispiel einen Elektro- statt eines Dieselantriebes, der müsse tiefer in die Tasche greifen.

Kinder hinterm Steuer: Sicherheitsprobleme bei Micro Cars

Auch für mehr Sicherheit muss man draufzahlen. Wegen der Gewichtsbegrenzung kommen Standardmodelle nämlich ohne ABS oder Airbags daher. Durch die Plastikkarosserie ist auch weniger Schutz vor anderen Verkehrsteilnehmern geboten. Das hätten vor einigen Jahren mit Micro Cars durchgeführte Crashtests belegt, erklärt Kirstin Zeigler. Sie leitet die Unfallforschung der Versicherer. Seitdem habe man keine grundlegende Verbesserung der Sicherheitsbedingungen feststellen können.

Zwar seien Fahrer auch auf Mopeds oder Motorrädern verwundbar und Jugendliche grundsätzlich mit mehr Risikobereitschaft im Straßenverkehr unterwegs. Doch bei Micro Cars komme hinzu, dass ihre Pkw-ähnliche Konstruktion eine trügerische „Scheinsicherheit“ vermittele. Bei Mopeds dagegen seien die Gefahren offensichtlich und regen zu einer vorsichtigeren Fahrweise an. Den Kauf eines Micro Cars könne sie daher „nicht guten Gewissens empfehlen“. Der Versicherer Huk Coburg bestätigt das Risiko von Micro Cars. Bei den Fahrzeugen, die das Unternehmen versichert, sei die Schadenshäufigkeit von Micro Cars deutlich höher als bei Mopeds und ähnlich der von „normalen“ Autos.

Koschmieder ist sich des Risikos bewusst. Er betont aber, dass er sich in seinem Wagen dennoch sicherer fühlt als beispielsweise auf einem Moped. Zudem sei es hier möglich, wichtige Fahrerfahrung zu sammeln. Er empfiehlt das Micro Car deshalb grundsätzlich weiter. Nicht nur für Jugendliche, sondern auch für ältere Menschen. Wenn er in einigen Wochen seinen 18. Geburtstag feiert, will er aber auf einen richtigen Wagen umsteigen. Den Führerschein dafür hat er schon in der Tasche.

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