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GerichtsterminKölner Kirchenschiff wird zwangsversteigert

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Architekt Paul Link hat die ehemalige Orgelempore der Rondorfer Kirche zum Büro ausgebaut.

Köln – So ist das, wenn Gespräche nichts mehr nutzen und ein Architektentraum vor dem Scheitern steht. Dann spielen nur noch Zahlen eine Rolle. Aktenzeichen, Gutachterwerte, Eintragungen im Grundbuch. Dann bestimmen Rechtspfleger einen Termin zur Zwangsversteigerung und sprechen geschäftsmäßig von einem „Miteigentumsanteil von 451 Tausendstel am Grundstück Gemarkung Rondorf-Land, Flur 92, Flurstück 489/103“. Dabei lässt sich der Vorgang auch so beschreiben: Familie Link droht der Verlust des Gebäudes, das seit 25 Jahren ihr Leben prägt – der ehemaligen Pfarrkirche zu den Heiligen Drei Königen in Rondorf.

Paul Link (57) steigt die Wendeltreppe zur früheren Orgelempore hoch, 34 abgetretene Stufen aus Naturstein. Von seinem Büro aus blickt er durch eine Glaswand in das Kirchenschiff. Über dem geschliffenen Terrazzoboden mit Mosaikeinlagen erhebt sich auf 260 Quadratmetern das Kreuzrippengewölbe. Die 15 neugotischen Spitzbogenfenster aus Buntglas nehmen dem Sonnenlicht jede Härte. Ein Ort der geistigen Entspannung, der Weite. „Das ist ein spiritueller Raum, hier kann man sehr gut arbeiten“, sagt Paul Link.

Und nicht nur das. Wo vormals die Rondorfer Katholiken Messe feierten, haben die Kinder der Links nach der Schule gekickt, die Tischtennisplatte aufgebaut, mit Freunden gespielt. Die Eltern organisieren in dem mehr als 100 Jahre alten Gewölbe regelmäßig Kunstausstellungen und Musikabende. Das alljährliche Weihnachtskonzert hat seinen festen Platz im Terminkalender des Veedels.

Zwangsversteigerung am 16. April

„Wir sind ein offenes Haus“, beschreibt es Link. Zwei Etagen tiefer, im Erdgeschoss, sitzt sein Vater am Schreibtisch, 85 Jahre alt, auch er ein Architekt und immer noch tätig. Rolf Link, ein Schüler des Kirchenbaumeisters Dominikus Böhm, hat das Gotteshaus 1987 gekauft. Das Erzbistum errichtete für die damals wachsende Gemeinde Rondorf/Hochkirchen/Höningen ein neues Pfarrzentrum. Die Dreikönigskirche wurde nicht mehr benötigt und entweiht. In dem wuchtigen, in der 1950er Jahren hinzugefügten Vierkantturm entstanden vier Wohnungen. Das Kirchenschiff wurde zur Arbeitsstätte der Familie, in der es insgesamt vier Architekten gibt.

Um den gewerblich genutzten Teil im Kirchenschiff, mittlerweile im Besitz der zweiten Generation, wird es gehen bei der Zwangsversteigerung am 16. April. Der Turm steht nicht zum Verkauf, ihre Wohnungen wird die Familie behalten. Immobiliengeschäfte in Ostdeutschland hätten „zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ geführt, erzählt Paul Link. Man habe deshalb Kredite nicht mehr bedienen können, die Finanzierung der Kirche geriet in Gefahr. Vergleichsverhandlungen sind geplatzt, die Banken kündigten die Darlehen und beanspruchten die Bürgschaften.

Gutachter haben den Verkehrswert des Kirchenschiffs samt einiger im Chor abgetrennten Wohnräume mit 765 000 Euro berechnet. Er wolle lieber nicht daran denken, wie es wäre, die so vertraut gewordene Kirche abgeben zu müssen, sagt Paul Link. „Das ist unser Lebenswerk, unser künstlerischer Mittelpunkt.“ Sein Plan: Ein Familienmitglied soll die Immobilie ersteigern, um sie dann an das Architektenbüro zu vermieten. Link wirkt zuversichtlich, wenn er über den Tag der Entscheidung spricht. So schlicht der Plan klingen mag, jede Zwangsversteigerung birgt Unwägbarkeiten. Es lässt sich kaum vorhersehen, wer mitbieten wird – schon gar nicht, wenn der Auktionator eine Kirche aufruft.

Nutzung „als Büro, künstlerisches Atelier und zu Wohnzwecken“

Nicht nur der Familie droht ein Verlust. Dem Stadtteil Rondorf kommt möglicherweise einer seiner wenigen Veranstaltungsorte abhanden. Die Alte Post, das Dorfgasthaus, bietet Platz für 150 Leute. In den Gemeindezentren der Kirchen ist ab und zu was los, die Tennishalle wird demnächst auch einen Veranstaltungsraum erhalten – für einen Ort mit 10 000 Einwohnern ein eher überschaubares Angebot.

Paul Link zieht einen Aktenordner aus dem Regal. Er hat die Veranstaltungsprogramme abgeheftet, über die Jahre ist da einiges zusammengekommen; Kammermusik, Gospel, Malerei.

Fünf Tage vor dem Schicksalstermin im Amtsgericht „lassen wir noch einmal richtig krachen“, sagt Link entschlossen. Am 11. April werden George Whitty und der Chris Minh Doky das Versteigerungsobjekt beehren. Zwei Jazzmusiker von Weltruf, Keyboarder der eine, Bassist der andere, die mit Stars wie Herbie Hancock, den Brecker Brothers und David Sanborn gespielt haben.

Übrigens sind die Eigentümer nicht völlig frei, was das Treiben in der ehemaligen Rondorfer Kirche angeht. Das Erzbistum hat durch einen Eintrag im Grundbuch einzig die Nutzung „als Büro, künstlerisches Atelier und zu Wohnzwecken“ zugelassen. Alles andere muss gesondert genehmigt werden. Es ist eben eine sehr spezielle Immobilie, die im Amtsgericht versteigert wird.