„Wir sind voll“Eltern klagen über schwierige Suche nach einem Kinderarzt in Köln

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Ein Kinderarzt untersucht ein Kind (Symbolbild).

Köln – Wenn von einem Ärztemangel die Rede ist, betrifft das meistens ländliche Regionen. In einer Großstadt wie Köln hingegen sollte es doch bestens um die medizinische Versorgung bestellt sein. Doch Kölner Eltern, die einen Arzt oder eine Ärztin für ihr Kind suchen, machen mitunter andere Erfahrungen.

Eine Mutter aus Mülheim berichtet, dass sie nach der Geburt ihrer Tochter von mehreren Kölner Praxen abgelehnt wurde. „Wir sind voll“, sei ihr gesagt worden. Erst die fünfte Praxis hatte noch Kapazitäten, sie befindet sich in Nippes. Nach der Geburt haben Eltern allerdings Anderes zu tun, als Kinderärzte abzuklappern – zumal die Früherkennungsuntersuchung U3 bis zur fünften Lebenswoche erfolgen soll.

Kalk ist mit Kinderärzten besser versorgt als Mülheim

Je nach Stadtteil ist die Versorgungssituation recht unterschiedlich: „In Kalk sind wir mit sechs niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten gut versorgt. In Mülheim sind es hingegen nur zwei“, sagt Kinderarzt Wolfgang Breuer, der seit 20 Jahren eine Praxis in Kalk hat und dort auch Kinder und Jugendliche aus Mülheim und anderen angrenzenden Stadtteilen versorgt. Er entscheide quartalsweise, wie viele Neupatienten er behandeln kann. Aufgrund der Praxiskapazitäten müsse der Zugang von Neupatienten, auch der von Neugeborenen, reguliert werden. „Daher müssen wir auch immer mal wieder für einige Zeit die Aufnahme begrenzen.“

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Kinderarzt Marc Neukirch

In der Regel würden Eltern für ihre Babys einen Kinderarzt finden, auch wenn es nicht immer der Wunscharzt und der nächstgelegene sei, sagt Kinderarzt Marc Neukirch. „Neugeborene aus unserem Einzugsgebiet nehmen wir immer auf, es sei denn deren Geschwister werden bereits durch einen anderen Kinderarzt versorgt.“ Auch Kinder und Jugendliche, die neu nach Köln ziehen, können in der Gemeinschaftspraxis in Köln-Heimersdorf versorgt werden. „Allerdings müssen sie in unserem Einzugsgebiet wohnen“, schränkt Neukirch ein.

Kölner Kinderarzt: „Es kommen immer häufiger Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten“

„Es ist kein böser Wille, wenn Kinderärzte einen Aufnahmestopp haben, das hat vielfältige Gründe“, erklärt der Kinderarzt. Als Obmann des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Köln vertritt er die Interessen der örtlichen Kinderärzte – und hat diese in einer Umfrage zu den Kapazitäten in ihren Praxen befragt. 53 haben sich daran beteiligt.

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Kinderarzt Wolfgang Breuer

Als Hauptgrund für Aufnahmebeschränkungen geben die Befragten den „gestiegenen Zeitbedarf für sozialpädiatrische Fragestellungen“ an. „Es kommen immer häufiger Kinder mit Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten oder Lern- und Schulproblemen zu uns“, berichtet Breuer, ebenfalls BVKJ-Obmann. „Die Belastung in den Kinderarztpraxen ist sehr hoch.“

Kinderärzte beklagen hohe Belastung in den Kinderarztpraxen

Dabei spiele auch die verpflichtende Teilnahme am kinderärztlichen Notdienst eine Rolle. „Die Zeit fehlt uns für die Patienten in unseren eigenen Praxen“, sagt Neukirch. Mehr als die Hälfte der befragten Kinderärzte klagt über einen Mangel an medizinischem Fachpersonal. Als weitere Gründe werden der Mehraufwand für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen und neue Impfungen genannt, etwa die gegen Meningokokken, Gebärmutterhalskrebs oder Corona. „Da gibt es einen großen Aufklärungs- und Beratungsbedarf“, sagt Neukirch. Weitere Faktoren seien eine höhere Arbeitsbelastung durch Bürokratie und neue IT wie die elektronische Patientenakte, außerdem die Versorgung der ukrainischen Geflüchteten.

Während die meisten Praxen Neugeborene in ihrem Einzugsgebiet aufnehmen, ist das bei älteren Kindern anders: Besonders schwierig ist es der Umfrage zufolge für Familien, die den Kinderarzt innerhalb Kölns wechseln wollen, etwa weil sie mit der Behandlung nicht zufrieden sind. „Wir können nicht immer alle Wechsler aufnehmen“, bestätigt Breuer. „Uns geht es primär darum, diejenigen zu versorgen, die bisher keinen Kinderarzt haben.“

Natascha Dinter, die eigentlich anders heißt, hat einen Kinderarzt für ihre Tochter Nina. Die Fünfjährige leidet an Epilepsie, hat täglich mehrere Anfälle. Dinter hatte schon früh diesen Verdacht bei ihrem Kinderarzt geäußert, doch der nahm die Symptome nicht ernst. „Ich gehe möglichst nur noch dorthin, um Überweisungen oder Rezepte abzuholen oder eine Einweisung ins Krankenhaus“, berichtet die Mutter.

Nina nimmt regelmäßig Medikamente, die immer mal wieder variiert und neu dosiert werden. Regelmäßig stehen Untersuchungen in der Kinderklinik oder beim Neurologen an. In den vergangenen Jahren versuchte Dinter immer wieder, in einer anderen Kölner Praxis unterzukommen, weil sie sich nicht gut aufgehoben fühlt – bisher vergeblich.

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