Von vergessenen Socken und Cent-TrinkgeldernKölner Hilton-Hausdame erklärt das perfekte Hotelzimmer

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Hausdame Andrea Pilz überprüft ein Bett im Hotelzimmer.

Hausdame Andrea Pilz beim Zimmercheck im Hilton-Hotel

Dort, wo andere ihren Städtetrip in Köln genießen, sorgt sie für das perfekte Ambiente. Andrea Pilz ist Hausdame im Kölner Hilton-Hotel in Dom-Nähe.

Als sie den hohen Schrank aufmacht, sieht Andrea Pilz den Fehler sofort. Die beiden Bademäntel liegen nicht ordentlich aufeinander, einer sogar falsch herum im obersten Fach. „Ach, ich weiß, was hier passiert ist. Das Zimmermädchen ist nur 1,50 Meter groß.“ Andrea Pilz (59) ist Hausdame im Hilton-Hotel an der Marzellenstraße. Ihr Ziel: Alle Zimmer müssen perfekt für den Gast hergerichtet sein – auch wenn dieser dann vielleicht sofort sein Gepäck achtlos auf das frisch gemachte Bett wirft, kurz ins Bad und dann gleich um die Ecke zum Dom geht.

5000 Euro im Safe vergessen 

Damit alles korrekt ist, müssen nach der Reinigung durch die Zimmermädchen etwa 100 Einzelheiten überprüft werden. Andrea Pilz kann das bei 227 Zimmer und 19 Suiten natürlich nur stichprobenartig schaffen. Weiter geht es: Im Kleiderschrank fehlen zwei Bügel– die haben die Gäste wohl mitgenommen. Ein Blick in den Kühlschrank: Funktioniert er, ist er leer? Sind die Kaffeetassen sauber, muss die Kaffeekanne vielleicht entkalkt werden? Sind die Kaffeekapseln nachgefüllt?

Andrea Pilz steht mit einer Checkliste im Hotelzimmer.

Andrea Pilz mit ihrer Checkliste

Dann kommt der Fernseher dran. Andrea Pilz prüft zunächst, ob er läuft und kippt das Gerät dann zur Seite, um auf die Rückseite zu schauen. „Das glaubt man gar nicht, was wir dahinter schon gefunden haben, sogar Socken.“ Wie die da hinkommen? Bilder im Kopf. Die Stehlampe funktioniert und auch der Lampenschirm ist so gedreht, dass die Naht zur Wand zeigt. „Sonst sieht das nicht schön aus.“ Dann zieht Andrea Pilz die bodenlangen Vorhänge zur Seite. „Da liegt auch manchmal noch was drunter. Unterhosen, Kreditkarten, Handys haben wir schon gefunden.“

Einzelne Socken werden nicht aufbewahrt

Gerne wird auch Wertvolles im Safe oder im Nachttischchen liegengelassen. „Da haben wir auch schon einmal 5000 Euro in Bar gefunden.“ Vergessene Dinge werden dem Gast nicht ungefragt mit der Post hinterhergeschickt. Das könnte nämlich zu großen Problemen führen, wenn er oder sie zum Beispiel mit einem anderen Partner unterwegs oder angeblich ganz woanders war. In der Regel werden Fundsachen einige Zeit aufbewahrt, bis sich der Besitzer meldet. „Einzelne Socken aber nicht.“

Andrea Pilz überprüft im Badezimmer, ob die Handtücher richtig gefaltet sind.

Andrea Pilz überprüft, ob die Handtücher richtig gefaltet sind.

Andrea Pilz streicht das Bettzeug noch einmal glatt und drückt auf der rechten Bettseite die Kissen sanft zusammen, damit sie mit denen auf der linken Seite in einer Höhe liegen. Die frische Bettwäsche knistert. Dann geht sie mit einem Finger die Innenseiten der Steckdose entlang. „Da sammelt sich gerne Staub.“ Im Bad müssen die Handtücher akkurat aufgehängt sein, beide Seiten gleich lag, die offene Seite nach hinten, das Marken-Schildchen verdeckt. Ein Blick auf den Abfluss in der Badewanne und auch ein Schnuppern. „Ich schnuppere immer.“ Sind alle Gratis-Kosmetikartikel vorhanden und liegen sie ordentlich auf dem Tablett? Duschkopf gegen die Wand drehen. Sonst wird das Badezimmer geflutet, wenn die Gäste die Dusche aufdrehen.

Zimmermädchen putzen mindestens 15 Zimmer am Tag

25 Zimmermädchen arbeiten im Hilton-Hotel. Sie haben für ein „Bleibe“-Zimmer – in dem also dieselben Gäste noch einmal eine Nacht verbringen  – 13 bis 15 Minuten. Für ein Abreise-Zimmer haben sie  28 bis 32 Minuten Zeit. Bei einem Arbeitstag von acht Stunden sind das mindestens 15 Zimmer. Die Hausdame vertraut den Zimmermädchen, viele arbeiten hier seit Jahren. Aber Kontrolle sei auch gut, „damit sie auf den Zehenspitzen bleiben“, wie Pilz es ausdrückt. Dann entdecken ihre Argusaugen etwas auf der Zimmertür und dem darauf hängenden Fluchtplan. „Haarspray, das kriegt man nur mit Waschbenzin runter.“

Andrea Pilz überprüft einen Schrank.

Die Bademäntel müssen richtig liegen und es müssen genug Kleiderbügel da sein.

Andrea Pilz macht die Kontrolle in einer unglaublichen Geschwindigkeit, jeder Handgriff sitzt. Die Perfektion macht ihr Spaß. Doch manchmal ärgert sie sich auch. Wenn Gäste einfach Müll herumliegen lassen. Noch schlimmer: Wenn sie beim Auschecken Fenster auflassen. Bei heftigen Schauern kann es dann hereinregnen. Und wenn sie bei Missgeschicken nicht Bescheid geben, zum Beispiel, wenn etwas verschüttet wurde – und ja, auch das kommt vor, wenn sich jemand übergeben hat. „Je länger das trocknet, desto länger haben wir dann hinterher mit der Reinigung zu tun.“ Das wird dann „gecharged“, also dem Gast in Rechnung gestellt.

Es gibt Gäste, die lassen Zwei- und Fünf-Centstücke als Trinkgeld liegen. Das finde ich sehr respektlos
Andrea Pilz

Und sie wünscht sich ein bisschen mehr Anerkennung für die Arbeit der Zimmermädchen. „Es gibt Gäste, die lassen Zwei- und Fünf-Centstücke als Trinkgeld liegen. Das finde ich sehr respektlos.“ Der weitaus größte Teil der Gäste sei aber sehr nett. Und Andrea Pilz könnte sich keinen schöneren Beruf vorstellen als das Hotelfach. „Es gibt keinen Beruf, bei dem man so viel in der Welt herumkommen kann.“ Vielleicht liegt es ihr auch im Blut. Ihre Mutter hatte ein Hotel in Porz. „Ganz klein, 20 Zimmer.“

Andrea Pilz hat das Sitzkissen von einem Sessel abgenommen und schüttelt es aus.

Sind hinter den Sitzkissen noch Krümel?

Andrea Pilz hatte nach der Mittleren Reife keine Lust mehr auf die Schule und begann mit 16 eine Hotelausbildung. Dann ging es durch die ganze Welt: München, London, Florenz, Rom, Costa Smeralda, Kapstadt, Zermatt. Disneyland Paris mit mehreren Tausend Zimmern, ein Hotel in Santa Fe mit 1000 Zimmer. „Das war so groß, dass man mit Fahrrädern oder Golfcarts rumfahren musste.“ Am schönsten sei die Zeit in Abu Dhabi gewesen, das Wetter, das motivierte Personal. „Da wurde ich als Frau wie eine Prinzessin behandelt.“ Diskriminierung habe sie in all den Jahrzehnten nie erlebt. „Ich lasse mich nicht unterbuttern.“

Der Nachteil am Hotel-Leben: „Man hat keine Familie um sich, muss sich immer wieder einen neuen Freundeskreis suchen.“ Auch aus familiären Gründen kam sie wieder nach Köln zurück. „So schließt sich der Kreis.“ 40 Prozent ihrer Arbeitszeit muss sie für Büroarbeiten aufwenden – Wäschebestellung, Abrechnungen, Lieferantengespräche. Aber zu 60 Prozent ist sie „auf Etage“. „Das ist am schönsten, auf Etage bin ich auch besser als im Büro“, lacht sie.

Was liebt sie an dem Job? „Am Abend kann ich beruhigt und zufrieden nach Hause fahren. 296 Zimmer sind sauber. Das ist wunderbar, dann bin ich glücklich.“ In den Osterferien wird sie ein paar Tage Urlaub machen – bei Bekannten. In Hotels übernachtet sie eher selten. Und wenn doch und ihr fällt ein Fehler in ihrem Zimmer auf? „Ich würde mich nie öffentlich beschweren. Ich spreche höchstens ganz diskret mit der Hausdame.“ Aber eigentlich sei sie im Urlaub nicht so streng.

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